Bundesnachrichtendienst darf auf Daten von Internetknoten zugreifen
Betreiber De-Cix will nach Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht nun das Bundesverfassungsgericht anrufen
LEIPZIG (dpa) - Der Bundesnachrichtendienst (BND) darf weiterhin in großem Umfang Daten beim Internetknoten De-Cix aus Frankfurt am Main abzapfen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wies am späten Mittwochabend eine Klage des Betreibers von De-Cix gegen den BND ab.
Der Betreiber könne verpflichtet werden, bei der strategischen Fernmeldeüberwachung durch den BND mitzuwirken, betonten die Richter. Der Geheimdienst sei berechtigt, auf Anordnung des Bundesinnenministeriums internationale Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen.
Der Nachrichtendienst zapft seit Jahren in großem Stil Daten aus dem – nach Verkehrsaufkommen – größten Internetknotenpunkt der Welt ab. Dabei erhalten die Agenten die Daten nicht nur bei konkretem Tatverdacht, sondern im Zuge der sogenannten strategischen Fernmeldeüberwachung, also anlasslos.
„Der BND hat sich den größten Teich ausgesucht, in dem er fischen kann“, erklärte Rechtsanwalt SvenErik Heun von der Klägerseite in der rund dreistündigen Anhörung. Und wer sich an De-Cix wende, bekomme einen riesigen Datensatz, in dem auch nationaler Telekommunikationsverkehr vorhanden ist. „Das ist unserer Ansicht nach rechtswidrig“, betonte Heun. Außerdem erhebe der BND den Datenverkehr eines bestimmten Protokolls vollständig, ohne die gesetzlich vorgesehene quantitative Beschränkung auf 20 Prozent.
Dieser „fulltake“, die Ausleitung sämtlicher Kommunikation ohne Unterscheidung bedeute nichts anderes als eine weltweite, anlasslose Massenüberwachung, erklärte Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, am Donnerstag. Die Praxis sei rechtsstaatlich höchst problematisch. Das Gericht habe die Klage eher aus rein formalen Gründen abgelehnt, sagte André Hahn von der Linken-Fraktion. „Eine Entscheidung in der Sache ist aber dringend erforderlich.“
Informationen für die USA
Nach Auffassung des Unternehmens De-Cix verstößt die Ausleitung der Daten gegen den Artikel 10 des Grundgesetzes. Zudem ließen die Anordnungen aus dem Bundesinnenministerium nicht erkennen, ob sie das zuständige Kontrollgremium des Bundestags überhaupt durchlaufen haben. Im Zuge des NSA-Untersuchungsausschusses war herausgekommen, dass bei De-Cix abgegriffene Daten über den BND möglicherweise an den US-Geheimdienst NSA gelangten.
Dagegen machte Rechtsanwalt Wolfgang Roth für die Bundesregierung geltend, dass die Regierung als Schutz für von Überwachungen Betroffene die G-10-Kommission des Bundestages installiert habe. Diese müsse die Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlauben. Eine detailliertere Anordnung könne es aufgrund der Geheimhaltung aber nicht geben, erklärte Roth. Dieser Argumentation folgte das Bundesverwaltungsgericht.
Rechtsmittel sind nicht zugelassen. De-Cix will die Frage, ob das Unternehmen tatsächlich zur Umsetzung von Anordnungen verpflichtet ist, die aus eigener Sicht fragwürdig sind, nun dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorlegen.