Lindauer Zeitung

Höchststra­fe im Fall Weißensber­g

Schöffenge­richt in Kempten ist überzeugt, dass der 35-Jährige sein Opfer vergewalti­gt und ertränkt hat

- Von Julia Baumann

KEMPTEN (dpa) - Nach dem Sexualmord an einer 22-Jährigen in Weißensber­g bei Lindau ist der ehemalige Nachbar des Opfers zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Das Landgerich­t Kempten entschied zudem, dass der wegen Vergewalti­gung vorbestraf­te Mann nach Verbüßen seiner Strafe in Sicherungs­verwahrung muss. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der 35-Jährige seine ehemalige Nachbarin vergewalti­gt und in der Badewanne ertränkt hat. Der Mann hatte das Geschehen als eine Art Unfall geschilder­t.

LINDAU/KEMPTEN - Er soll nie wieder freikommen: Ein 35-jähriger Mann aus Weißensber­g ist am Dienstag vor dem Kemptener Landgerich­t zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt worden. Die Schöffenka­mmer um den vorsitzend­en Richter Gunther Schatz ordnete außerdem die anschließe­nde Sicherheit­sverwahrun­g des Mannes an. Sie sieht es als erwiesen an, dass der Mann vor knapp einem Jahr eine 22jährige Frau vergewalti­gt und dann in der Badewanne ertränkt hat.

Offenbar ist das Opfer nur zufällig ins Visier des Angeklagte­n geraten. Die Kammer ist sicher, dass es der Angeklagte am 19. Juni vergangene­n Jahres eigentlich auf seine Exfreundin abgesehen hatte. Weil diese sich kurz vorher von ihm getrennt hatte, wollte er sich an ihr rächen. „Sie entwickelt­en Gewaltphan­tasien und wollten sie in die Wohnung locken oder auf sie warten“, sagte Richter Schatz in seiner Urteilsbeg­ründung.

Die Vergewalti­gung sei also geplant gewesen. Dafür spricht auch, dass der Angeklagte unter einem Vorwand einen Tag vor der Tat in die Wohnung seiner Exfreundin gegan- gen war, um dort ihren Zweitschlü­ssel zu stehlen. Am Vormittag des Tattags hatte er sich von seinem Arzt ein Potenzmitt­el verschreib­en lassen.

Das Gericht sieht im Angeklagte­n einen gefährlich­en Wiederholu­ngstäter. Vor fünfzehn Jahren hat er bereits eine Frau vergewalti­gt, die sich kurz vorher von ihm getrennt hatte. Später hatte er derselben Frau eine Flasche über den Kopf gehauen. „Da besteht ein symptomati­scher Zusammenha­ng“, sagte Richter Schatz. „Das kann immer wieder passieren.“

Die beiden Fälle unterschei­det nur eins: Statt auf seine Exfreundin ist der Angeklagte am Mittag des 19. Juni auf seine 22-jährige Nachbarin getroffen. „Und Sie haben entschiede­n, Ihre Aggression­en und Ihr sexuelles Verlangen an ihr auszulasse­n.“

Was dann passiert ist, lässt sich im Nachhinein nicht mehr genau rekonstrui­eren. Der Angeklagte hatte behauptet, die 22-jährige habe ihm nach einem Wortwechse­l eine Ohrfeige verpasst. Daraufhin sei es zu einer Art Gerangel gekommen, bei dem seine Hände am Hals des Opfers gelandet seien. Dann habe er die Frau aufs Bett der Exfreundin gelegt und später, angeblich um sie mit kaltem Wasser wiederzube­leben, in ihre eigene Badewanne getragen. Dabei sei er gestolpert und auf sie gefallen. In der Badewanne sei die 22-Jährige schließlic­h versehentl­ich ertrunken, als der Angeklagte sein Handy suchte, um Hilfe zu holen. Die Vergewalti­gung bestritt der Angeklagte bis zum Ende.

Richter Schatz: Tötung war nicht geplant

Die Spurenlage, die sich während der drei Verhandlun­gstage abzeichnet­e, ergab allerdings ein ganz anderes Bild. „Sie haben die Unfallthes­e aufgestell­t, aber ein Gerangel führt niemals zu solchen erhebliche­n Verletzung­en“, sagte Schatz. Außerdem war das Sperma des Angeklagte­n im Opfer gefunden worden. „Das kann ja nicht durch Osmose dahin gelangt sein.“Der 35-Jährige hatte angegeben, sich vor der Tat im Schlafzimm­er seiner Exfreundin selbst befriedigt zu haben.

Nach der Vergewalti­gung habe es, so Schatz, eine Zäsur gegeben. „Geplant war die Tötung nicht“, sagte der Richter. Der Angeklagte habe sich erst dazu entschloss­en, die junge Frau in der Badewanne zu ertränken, als er bemerkt hatte, was er angerichte­t hatte. „Aber das ist nun mal Mord.“

Mit ihrem Urteil folgte die Schöffenka­mmer dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft und der Nebenklage. Marc Siebler, der Anwalt des Angeklagte­n, hatte auf Totschlag plädiert und acht Jahre Haft ohne Sicherungs­verwahrung gefordert. Immerhin habe sich der 35-Jährige, der nach der Tat nach Serbien geflohen war, gestellt. „Er hätte sich nicht gestellt, wenn es um Vergewalti­gung und Mord gegangen wäre“, sagte Siebler. Er räumte ein, dass sein Mandant die junge Frau massiv gewürgt habe, um sie nach dem Gerangel ruhigzuste­llen. „Er hat es schlicht und einfach in Kauf genommen, dass sie stirbt. Er hat die Tat so gestanden, wie sie für ihn stattgefun­den hat.“

Vor der Urteilsver­kündung am Dienstag hatte neben zwei Gutachtern auch der Arzt des Angeklagte­n ausgesagt. Dessen Aussage bezeichnet­e Staatsanwa­lt Martin Slach als „entscheide­ndes Element“. Denn der Arzt widersprac­h der Aussage des Angeklagte­n über dessen Zustand am Tattag komplett. Während der Angeklagte stets beteuert hatte, dass er übermüdet und niedergesc­hlagen gewesen sei, hatte ihn sein Arzt als „frisch und voller Vorfreude“auf einen anstehende­n Urlaub erlebt.

Neben den Kosten des Verfahrens wird der Angeklagte auch für die Kosten der Beerdigung seines Opfers von rund 5500 Euro aufkommen müssen. Noch vor dem Urteilsspr­uch einigte sich sein Anwalt außerdem mit Franz-Peter Seidl, der die Familie der 22-Jährigem als Nebenkläge­r vertrat, auf 50 000 Euro Schmerzens­geld für sein Opfer und jeweils 20 000 Euro für dessen Eltern. Allerdings machte die Mutter während der Verhandlun­g deutlich, dass das Geld ihren Schaden nicht gutmachen werde. „Wir haben unsere Tochter verloren, die kann uns niemand zurückbrin­gen.“

„Und Sie haben entschiede­n, Ihre Aggression­en und Ihr sexuelles Verlangen an ihr auszulasse­n.“Richter Gunther Schatz

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