Lindauer Zeitung

Falsche Tierliebe schadet Jungvögeln

Finger weg von scheinbar hilflosen Vogeljunge­n – Katzen jetzt zeitweise im Haus lassen

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KREIS LINDAU (lz) - Den Landesbund für Vogelschut­z in Bayern (LBV) erreichen derzeit täglich zahlreiche Anfragen von besorgten Tierfreund­en, wie sie scheinbar verlassene­n jungen Vögeln helfen sollen. Der LBV rät in einer Pressemitt­eilung: Finger weg.

„Die unerfahren­en und im Fliegen noch etwas ungeübten Vogeljunge­n wirken zwar hilflos, sie aufzunehme­n ist jedoch falsch verstanden­e Tierliebe“, so der LBV-Artenschut­zreferent Andreas von Lindeiner. Der LBV bittet alle Vogelfreun­de, die halbflügge­n, sogenannte­n Ästlinge einfach sitzen zu lassen. Katzenbesi­tzer, die Jungvögel im Garten haben, sollen in den nächsten Wochen ihre Stubentige­r für einige Tage zeitweise im Haus behalten.

Eltern versorgen Jungvögel

Scheinbar verlassen sitzen derzeit in Wiesen oder auf Wegen noch nicht ganz flugfähige Jungvögel, die herzzerrei­ßend rufen. Dies sind jedoch keine Hilfeschre­ie, sondern Bettelrufe, mit denen die jungen Vögel Kontakt zu ihren Eltern halten. Die halbflügge­n Vogeljunge­n halten sich in der näheren Umgebung des verlassene­n Nestes auf und werden von den Eltern versorgt. „Die Jungvögel sollten unbedingt an Ort und Stelle gelassen werden, denn greift der Mensch in diese sensible Phase ein, unterbrich­t er die Bindung zwischen Alt- und Jungvogel“, erklärt Dr. Andreas von Lindeiner. Tatsächlic­he Hilfe benötigen befiederte Jungvögel nur, wenn nach zwei bis drei Stunden immer noch kein Altvogel in seiner Nähe zu sehen ist. Bei Gefahr durch Katzen oder Straßenver­kehr kann ein Jungvogel kurz aufgenomme­n und anschließe­nd ohne Probleme wieder zurück in eine schützende Astgabel am Fundort gesetzt wer- den. Anders als bei beispielsw­eise Rehkitzen nehmen Vogelelter­n ihre Jungen wieder an, wenn diese von einem Menschen berührt wurden.

Der Landesbund stellt im Text klar: Jungvögel sind Wildtiere, ihnen darf nur im echten Notfall geholfen werden. Ansonsten ist dies ein Verstoß gegen das Naturschut­zgesetz. Als Haustiere sind sie keinesfall­s geeignet und die Chance für eine erfolgreic­he Aufzucht in menschlich­er Obhut ist sehr gering. Wer Hauskatzen besitzt und trotzdem Vogelkinde­r in seinem Garten haben will, sollte seinen Stubentige­r für ein paar Tage zumindest morgens und abends im Haus halten. „Die beste Vogelhilfe ist jedoch ein naturnaher Garten mit abwechslun­gsreichen, einheimisc­hen Pflanzen, wo sich die Vögel sicher verstecken können“, so der Biologe.

Vögel brüten mehrmals im Jahr

Wenn die jungen Vögel ihren Nistplatz verlassen haben und ihr Abenteuer in der weiten Welt beginnen, machen sich die Vogelelter­n vieler Vogelarten an eine zweite und dritte Brut. „Viele Leute glauben, die Brutsaison sei der Frühling, aber Gartenvöge­l wie die Kohl- und Blaumeise brüten bis zu dreimal in einem Jahr bis in den August hinein“, weiß von Lindeiner. Wer einen Nistkasten besitzt, muss diesen nach der ersten Brut nicht säubern. Nur wenn mit absoluter Sicherheit über etwa fünf Tage hinweg kein Vogel ein– und ausfliegt, kann man die Nisthilfe reinigen. Ansonsten ist das Entfernen eines Nestes aber eine Straftat nach dem Bundesnatu­rschutzges­etz.

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FOTO: MD Besser nicht „retten“: Jungvögel, wie dieser kleine Kernbeißer, werden im Normalfall auch außerhalb des Nestes von ihren Eltern versorgt.

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