Grenzstreit mit Tirol eskaliert
Bundesverkehrsminister Scheuer boykottiert aus Protest Brenner-Transit-Gipfel
INNSBRUCK/BERLIN/MÜNCHEN Der Transit-Streit zwischen Deutschland und dem österreichischen Bundesland Tirol verschärft sich. Während die bayerische CSU-Staatsregierung den Schulterschluss mit dem konservativen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sucht, bröckelt die Beziehung zum Nachbar-Bundesland Tirol. So scharf wie nie kritisierte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Donnerstag die deutsche „Überheblichkeit“. Grund: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat angekündigt, den anstehenden Brenner-Transit-Gipfel in der kommenden Woche zu boykottieren.
Aus Ärger über die Lkw-Blockabfertigungen, die das Land Innsbruck am deutsch-österreichischen Grenzübergang Kiefersfelden-Kufstein auch nach Pfingsten wieder durchgeführt hatte, sagte Schauer am Donnerstag seine Teilnahme am BrennerTransit-Gipfel am kommenden Dienstag in Bozen (Südtirol) ab. Dort hätte er mit seinen österreichischen und italienischen Amtskollegen Norbert Hofer und Danilo Toninelli sowie den Landeshauptleuten Platter, Arno Kompatscher (Südtirol) und Ugo Rossi (Trentino) darüber beraten sollen, wie die immer größeren Verkehrsprobleme auf der wichtigsten Alpentransitroute gelöst werden können. Es sei klar geworden, dass „das Land Tirol an einer kurzfristigen Lösung der Verkehrssituation an der deutsch-österreichischen Grenze nicht interessiert ist und an den Belastungen durch die Blockabfertigungen festhält“, begründete Scheuer am Donnerstag seine Absage. Er bezog sich damit ausdrücklich auf ein Gespräch mit seinem österreichischen Amtskollegen Norbert Hofer.
Vorwurf der „Überheblichkeit“
Das brachte den Tiroler Landeshauptmann offenbar richtig in Rage. Per Pressemitteilung ließ er wissen, dass er die „Gesprächsverweigerung“aus Berlin nicht nur für „schlechten Stil“, sondern auch für deutsche „Überheblichkeit“hält. Was Platter in den zurückliegenden Jahren stets höflich formulierte, sagte der ÖVP-Politiker den Bayern und Berlinern nun in aller Deutlichkeit: Während Tirol Milliarden in den Bau des Brenner-Basis-Eisenbahntunnels und die Zulaufstrecken investiere, werde in Deutschland nach wie vor „nur diskutiert".
Es sei bisher „wenig bis gar nichts“passiert, um die von Deutschland übernommenen Verpflichtungen umzusetzen, ebenfalls für viergleisige Zulaufstrecken zu sorgen, sagte Platter. Stattdessen müsse Tirol eine Steigerung des Lkw-Verkehrs um ein Fünftel in den letzten 17 Jahren hinnehmen.
Die deutsche Position, so der Tiroler Regierungschef, lasse sich auch damit erklären, dass für den Nachbarn die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene schlichtweg nicht erwünscht sei und der freie Warenverkehr über allem stehe. Die schwerwiegenden Auswirkungen für die Tiroler Bevölkerung interessierten die Deutschen offenbar nicht. Damit wurde auch klar: Auf die Blockabfertigungen bei Kufstein wird Tirol jetzt erst recht nicht verzichten. An bestimmten Tagen ließ die Tiroler Polizei pro Stunde nur maximal 250 Lkw ins Land, was regelmäßig für erhebliche Verkehrsbehinderungen sorgte. Man werde die „Blockabfertigungen als Notmaßnahmen weiter durchführen“, bekräftigte Landeshauptmann Platter. Auf „halbherzige Kompromisse“werde sich Tirol nicht einlassen.
Auch Platters Stellvertreterin, die Tiroler Verkehrsreferentin Ingrid Felipe von den Grünen, reagierte mit Unverständnis auf Scheuers Absage: „Ich bin enttäuscht über diese für mich nicht nachvollziehbare Entscheidung nach dem Gespräch mit dem österreichischen Verkehrsminister Norbert Hofer.“Über den Inhalt des Gesprächs lägen ihr keine Informationen vor, sagte Felipe. Sie appellierte an alle Verkehrsminister, doch noch nach Bozen zu kommen.
Ein erster Brenner-Transit-Gipfel hatte im vergangenen Februar in München stattgefunden. Dabei verabredeten die Verkehrsminister und Landeshauptleute, beim zweiten Treffen über konkrete Maßnahmen zu beraten. Deutschland war vom damals geschäftsführenden Verkehrsminister, dem CSU-Politiker Christian Schmidt, vertreten worden, Bayern von Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der ebenfalls nicht mehr für das Verkehrsressort zuständig ist.