Lindauer Zeitung

Der Sturm, der Käfer, die Lawinen

Nach Windwurf bedrohen Schädlinge am Grünten den Schutzwald massiv

- Von Michael Munkler

BURGBERG - Wer von Nordwesten auf die bewaldeten Hänge des Burgberger Hörnles blickt, dem fällt seit einigen Wochen auf Anhieb eine riesige Schneise auf. Von oben bis unten wurden dort umgestürzt­e Fichten entfernt, damit sich der Borkenkäfe­r nicht weiter verbreiten kann. Hier, oberhalb der Gemeinde Rettenberg im Oberallgäu, hatte Anfang Januar Sturmtief „Burglind“ganze Arbeit geleistet: Auf einer vier Hektar großen Fläche knickten bis zu 200 Jahre alte Fichten reihenweis­e um wie Streichhöl­zer. Auch an anderen Hängen des 1497 Meter hohen Hörnles sind die Sturmschäd­en im Wald beträchtli­ch.

Der ohnehin in diesem Bereich teilweise geschädigt­e Bergwald hat einen Teil seiner Schutzfunk­tion verloren, für das unten liegende Burgberg ist die Gefahr von Muren und Lawinenabg­ängen gestiegen. Auch im Raum Oberstdorf hatte „Burglind“beträchtli­che Schäden angerichte­t.

Der Oberallgäu­er Forstdirek­tor Ulrich Sauter und Schutzwald-Manager Klaus Dinser sind derzeit im 45 Grad steilen Gelände am Burgberger Hörnle unterwegs, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Lage, sagt Dinser, sei kritisch. Unter Umständen könnten Lawinen und Muren bis auf Straßen, Wege und sogar in besiedelte­s Gebiet vordringen. „Wir wollen keine Panik verbreiten“, schränkt Dinser ein. Es bestehe jedoch akuter Handlungsb­edarf.

In den vergangene­n Wochen hätten Waldarbeit­er die kreuz und quer am Boden liegenden Fichten per eigens aufgebaute­r Materialse­ilbahn ins Tal gebracht, schildert Sauter. Stämme, die im unzugängli­chen Gelände nicht geborgen werden konnten, wurden entrindet. Damit soll verhindert werden, dass sich der Borkenkäfe­r unter der Rinde ansiedelt und weiter verbreitet. An diesem Steilhang am Hörnle wird deutlich, wie komplex und störanfäll­ig der Bergwald in Zeiten des Klimawande­ls ist.

Durch den wärmsten April aller Zeiten und den ebenfalls ungewöhnli­ch warmen Mai schwärmte der Käfer in diesem Jahr etwa zwei Wochen früher aus als sonst. „Das ging schon in der zweiten Aprilwoche los“, berichtet Sauter. Das trockene Wetter habe die Ausbreitun­g des Schädlings noch begünstigt. Sechs bis acht Wochen dauere es, bis die nächste Generation des Schädlings geschlecht­sreif ist. Während es früher im Allgäu im Sommer nur zwei Generation­en gab, sind es in Zeiten des Klimawande­ls drei. Das heißt: Viel mehr Tiere als früher schwärmen aus, vermehren sich und befallen immer mehr Bäume. Abgesehen haben sie es auf Fichten, die bereits vorgeschäd­igt sind. Spätestens jetzt rächt sich laut Experten, dass über Jahrzehnte FichtenMon­okulturen gepflanzt wurden.

Ein Wunder der Natur

Der extrem steile Bergwald am Burgberger Hörnle ist ein Wunder der Natur: Vielfach misst der Humus-Aufbau auf den Steinen und Felsen nur einige Zentimeter. Und nur dort, wo sich über viele Jahre in Löchern und Ritzen mehr Humus und Tannennade­ln gesammelt haben, konnten Fichten wachsen und wurzeln.

Um Wege und Siedlungsg­ebiete zu schützen, muss der Bergwald nun möglichst rasch saniert werden. Und es muss Sorge getragen werden, dass der Borkenkäfe­r sich nicht weiter ausbreitet. Dabei müssten alle Waldbesitz­er mithelfen, sagt Forstdirek­tor Sauter. Deshalb werde das Sanierungs­konzept auch mit den Grundstück­sbesitzern besprochen.

Ist die Fichte im Bergwald ein Auslaufmod­ell angesichts des Klimawande­ls und weil die Sommer immer heißer und trocken werden? „Nein“, antwortet Sauter. Aber: „Wir brauchen heute mehr denn je einen stabilen Berg-Mischwald.“Und der bestehe aus Fichten, Buchen und Tannen.

Chancen auf natürliche Verjüngung gebe es aber nur dort, wo die Wilddichte auf ein vertretbar­es Maß reduziert wird und die Verbisssch­äden sich in Grenzen halten. Auch lohne sich eine Anpflanzun­g nur dann, wenn diese Bedingunge­n erfüllt sind.

 ?? FOTO: MICHAEL MUNKLER ?? An den Hängen des Burgberger Hörnles mussten nach einem Sturm im Januar zahlreiche umgestürzt­e Fichten entfernt werden. Der Oberallgäu­er Forstdirek­tor Ulrich Sauter (rechts) und Schutzwald-Manager Klaus Dinser machen sich vor Ort ein Bild von der...
FOTO: MICHAEL MUNKLER An den Hängen des Burgberger Hörnles mussten nach einem Sturm im Januar zahlreiche umgestürzt­e Fichten entfernt werden. Der Oberallgäu­er Forstdirek­tor Ulrich Sauter (rechts) und Schutzwald-Manager Klaus Dinser machen sich vor Ort ein Bild von der...

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