Lindauer Zeitung

Zwischen Lebensmut und Todesangst

„Losamol“spielt Benefizkon­zert für David Berkmiller (13) aus Wald, er hat Mukoviszid­ose

- Von Heiko Wolf

WALD - „Ohne neue Lunge wäre David nicht mehr unter uns“, sagt sein Vater, Gerhard Berkmiller. Der Walder schluckt, ist immer noch fassungslo­s, wie es seinem mukoviszid­osekranken Sohn vor dessen Organtrans­plantation Mitte März gegangen ist. Mit einer Lungenfunk­tion unter 20 Prozent war der Bub „mehr tot als lebendig“, sagt der Vater und schluckt erneut. Nur deshalb rutschte David, wiewohl noch nicht richtig gelistet, als Organ-Empfänger europaweit auf Platz eins. Und konnte in Hannover sofort operiert werden.

„Ich bekomme jetzt viel mehr Luft, was mit der alten Lunge schlecht ging“, sagt David. „Da ging mir oft die Luft aus. Die neue Lunge war meine einzige Chance.“Zuvor stand es Spitz auf Knopf. Mehrfach erlitt David einen Pneumothor­ax, eine akute Erkrankung des Brustfells, hatte Luftnot. Teile der Lunge fielen in sich zusammen. Als man nach vielem Blutabnehm­en keine Venen mehr bei ihm fand, wurde ein Port gelegt, wie es sonst bei Chemo-Patienten üblich ist. Am 20. Januar wurde eine Influenza nachgewies­en. Ein Sturzflug begann. Irgendwann war die Lungenfunk­tion kaum mehr messbar. Am Ende ging es um Stunden. David hing an Apparaten.

Schon vor dem öffentlich viel beachteten Muko-Lauf 2016 begann laut Gerhard Berkmiller aber die Talfahrt, die Klinikaufe­nthalte häuften sich. „Das, was David durchmacht, wünscht man keinem“, sagt er, den Tränen nahe.

Deshalb sammelt er Geld, mit Muko-Läufen sowie aktuell dem Benefizkon­zert Muko-Music am Samstag in Wald, deshalb macht er Davids Geschichte publik. Er wünscht sich, dass mehr Geld in die Erforschun­g der heimtückis­chen Krankheit Mukoviszid­ose fließt. Und dass Betroffene­n mehr geholfen wird. „Ich bekomme selbst mit, wie knapp das Geld ist“, sagt Berkmiller. Er berichtet von Kämpfen mit der Kasse um Haushaltsh­ilfen und Fahrtgelde­r.

Außerdem wünscht er sich, dass sich deutlich mehr Menschen zu einer Organspend­e bereit erklären. „Wenn nicht akute Lebensgefa­hr bestanden hätte, hätte David noch immer keine neue Lunge“, sagt Berkmiller. Was angesichts der Zahlen nicht überrascht. So hofften 2017 rund 10 000 Menschen bundesweit auf ein Spenderorg­an. Organe gab es aber nur etwa 2000. „Viel mehr Leute sollten darüber nachdenken, ob sie spenden wollen oder nicht.“

Und jetzt? Ist David mit seiner Mama Marina schon wieder im Krankenhau­s. Ein Abszess in der Brust machte es nötig, dass David, der nach langem Klinikaufe­nthalt gerade mal eine Nacht zu Hause war, sofort wieder in die Spezialkli­nik nach Hannover musste. Und dass Vater Gerhard sofort wieder die 700 Kilometer vom Ostallgäu nach Hannover mit dem Auto herunterre­ißen musste. Zum zehnten Mal heuer. Die Tages- und Nachtzeit, auch die Baustellen im Job: Alles wird zweitrangi­g, wenn es David schlecht geht.

Man merkt dem 45-Jährigen an, wie sehr die Situation ihn belastet. Ihn und die Familie. Davids Bruder Jonas (15) und seine Schwester Lena (10) rechnen ständig damit, dass die Mama weg muss, um David in eine Klinik zu begleiten. Im vergangene­n halben Jahr war der knapp 14Jährige vielleicht vier Wochen daheim. „Im Krankenhau­s ist es so langweilig“, sagt David selbst.

Und noch immer hängt sein Leben am seidenen Faden. Im ersten Jahr nach der OP sterben laut Statistik 25 Prozent der Transplant­ierten an einer Infektion oder Lungenentz­ündung. Zudem muss Davids Körper die fremde Lunge annehmen. Etwas beruhigter „aufatmen“kann er daher erst nach fünf Jahren. Mit dem Wissen, dass die Haltbarkei­t eines Spenderorg­ans im Schnitt nur bei fünf bis 15 Jahren liegt. „Jeden Tag leben wir mit Todesangst“, sagt Gerhard Berkmiller. „Sicher ist David nie.“

Positiv ist aber, dass die neue Lunge – die von dem Gen-Defekt Mukoviszid­ose nicht betroffen ist – Davids Lebensqual­ität verbessert. Seine Angehörige­n sagen, er sei agiler, der ständige Husten sei weg. David selbst hat neuen Lebensmut geschöpft. Er sagt, er freue sich darauf, mit der neuen Lunge Fußball zu spielen, Fahrrad zu fahren. Wenn er endlich wieder heim nach Wald darf.

Ob David schon zum Konzert mit Losamol wieder in Wald sein kann, können die Ärzte nicht verspreche­n. „Das wäre das größte Geschenk, das sie uns als Familie machen können“, sagt sein Vater. Und schluckt erneut.

„Warum nimmst du deine Organe mit in den Himmel, wenn sie hier auf Erden gebraucht werden?“ Gerhard Berkmiller

 ?? FOTO: REGINA BERKMILLER ?? Seinen Lebensmut hat der 13-jährige David aus Wald im Ostallgäu trotz allem, was er mitgemacht hat, nicht verloren.
FOTO: REGINA BERKMILLER Seinen Lebensmut hat der 13-jährige David aus Wald im Ostallgäu trotz allem, was er mitgemacht hat, nicht verloren.

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