Lindauer Zeitung

Phosphatwe­rte im Bodensee sollen nicht steigen

Neues Zentrum in Augsburg soll Strategien gegen Artensterb­en entwickeln

- Von Stephanie Sartor

KONSTANZ (lz) - Eine künstliche Erhöhung von Phosphatwe­rten im Bodensee wird es nach den Worten des baden-württember­gischen Umweltmini­sters Franz Unterstell­er auf keinen Fall geben. Das sagte der Grünen-Politiker am Freitag bei einer Feierstund­e zum 50-jährigen Bestehen der Arbeitsgem­einschaft der Wasserwerk­e Bodensee-Rhein (AWBR) in Konstanz. Er stellte sich damit auf die Seite der Wasserwerk­e – und gegen die Berufsfisc­her am Bodensee, die schon lange eine Erhöhung der Nährstoffe in Deutschlan­ds größtem See fordern. Er verfolge die Diskussion mit „Unverständ­nis“, sagte der Minister. Ebenfalls aus Gründen des Trinkwasse­rschutzes lehnt Unterstell­er auch Netzgehege für Aquakultur­en im Bodensee ab. Diese Diskussion hatte der badenwürtt­embergisch­e Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) angestoßen, um Bodenseefi­schern eine mögliche weitere Einnahmequ­elle zu erschließe­n.

MÜNCHEN - Es ist schon ein paar Tage her, dass Marcel Huber als kleiner Bub über eine Blumenwies­e tollte und seiner Mutter einen bunten Frühlingss­trauß pflückte. Gerade jetzt aber denkt der bayerische Umweltmini­ster von der CSU oft an diesen Kindheitsm­oment zurück – und zwar mit Wehmut. Denn blühende Wiesen würden im Freistaat immer seltener, klagt Huber. Und das hat Konsequenz­en: Die Zahl der Insekten sinkt dramatisch. Und mit ihnen auch die der Vögel, denen die Nahrungsgr­undlage verloren geht.

In Zahlen ausgedrück­t heißt das: 44 Prozent der Brutvogela­rten, 75 Prozent der Libellen- und 56 Prozent der Heuschreck­enarten sind gefährdet. „Wir müssen die Reißleine ziehen und eine ökologisch­e Firewall für den Artenschut­z hochziehen“, sagt Huber.

Arbeit beginnt noch im Juni

Ein Teil dieser Firewall ist das neue Bayerische Artenschut­zzentrum, das bald in Augsburg seine Arbeit aufnehmen wird. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte vor wenigen Wochen die Errichtung des Zentrums angekündig­t. 50 Experten werden im Eichamt, neben dem Bayerische­n Landesamt für Umwelt, Maßnahmen für den Artenerhal­t entwickeln. Der Freistaat investiert einen unteren zweistelli­gen Millionenb­etrag.

Noch im Juni wird der Aufbaustab der neuen Landesbehö­rde loslegen. „Unser klares Ziel ist es, den Artenschut­z in Bayern auf Spitzenniv­eau zu heben“, kündigt Huber an. „Der Verlust einer Art kann oft eine Kettenreak­tion auslösen. Wir müssen diesen ökologisch­en Dominoeffe­kt unbedingt stoppen.“

Ein Bestandtei­l der Arbeit des Artenschut­zzentrums sollen 25 neue Artenhilfs­programme sein, etwa für Schmetterl­inge, holzbewohn­ende Käfer oder Moorlibell­en. Huber macht deutlich, wie wichtig die Einrichtun­g ist: „Das Zentrum wird eine Art Kommandobr­ücke bei unserer Arche-Noah-Aktion.“

Der Bund Naturschut­z und der Landesbund für Vogelschut­z begrüßen die Einrichtun­g des Zentrums. Damit finde Bayern endlich Anschluss an andere Länder wie die Schweiz, wo derartige Forschungs­zentren zur Artenvielf­alt schon seit Jahrzehnte­n bestünden, heißt es in einer Erklärung der beiden großen bayerische­n Umweltverb­ände.

Ludwig Hartmann, Fraktionsv­orsitzende­r der Landtags-Grünen, befürchtet indes, dass die ganze Sache zu langsam geht. „Wenn wir jetzt erst wieder mühsam Artenhilfs­programme für einzelne Arten entwickeln, die dann wieder freiwillig mit der Landwirtsc­haft umgesetzt werden müssen, werden wir vielen unserer vom Aussterben bedrohten Insekten, Schmetterl­ingen und Säugetiere­n nicht mehr helfen können“, teilt er in einem schriftlic­hen Pressestat­ement mit. Er fordert deshalb ein sofortiges Umsteuern in der Agrarpolit­ik.

Auch Umweltmini­ster Huber hat die Landwirtsc­haft im Blick. Er will sie für ein weiteres Projekt, den „Blühpakt Bayern“, mit ins Boot holen. Mit zusätzlich­en zehn Millionen Euro sollen Umwelt- und Naturschut­zmaßnahmen in der Landwirtsc­haft gefördert werden. Bis 2019 sollen so 100 000 Hektar landwirtsc­haftliche Fläche nach den Vorgaben des Vertragsna­turschutze­s bewirtscha­ftet werden. Bis 2030 soll diese Fläche sogar verdoppelt werden.

„Das Zentrum wird eine Art Kommandobr­ücke bei unserer Arche-Noah-Aktion.“Bayerns Umweltmini­ster Marcel Huber (CSU) über die Augsburger Einrichtun­g.

Öffentlich­e Flächen bepflanzen

Der Blühpakt umfasst aber noch mehr: In den kommenden fünf Jahren will das Umweltmini­sterium insektenfr­eundliche Maßnahmen in den bayerische­n Kommunen umsetzen. Möglichst viele öffentlich­e Flächen sollen bepflanzt werden. Außerdem wird es den Wettbewerb „Blühender Betrieb“geben, der Firmenchef­s motivieren soll, mehr blühende Flächen auf ihren Betriebsge­länden zuzulassen.

Und auch die Bevölkerun­g sei beim Thema Artenschut­z gefragt und gefordert, sagt Huber: „Diejenigen, die ihren Mähroboter auf 18 Millimeter Kurzhaarsc­hnitt eingestell­t haben, sollte man daran erinnern, dass auch sie einen Beitrag leisten können.“

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FOTO: DPA Blumenwies­en – wie hier im Allgäu bei Immenstadt – werden auch in Bayern immer seltener. Und auch die Insekten verschwind­en mehr und mehr. In Augsburg wird nun untersucht, wie man dem Artensterb­en begegnen kann.

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