Sehen statt lesen
ARD und ZDF sollen sich bei ihren Internetangeboten auf Bild und Ton konzentrieren
BERLIN (AFP/dpa) - Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Verlage unter Beteiligung der Politik auf einen Kompromiss bei der Ausgestaltung von Onlineangeboten verständigt. Die Sender dürfen Beiträge in Mediatheken künftig länger als sieben Tage anbieten, wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag mitteilte. Zugleich wird aber festgelegt, dass der Schwerpunkt ihrer Online-Angebote auf Film- und Tonberichten liegt.
Text wird in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet der Einigung zufolge zwar auch weiterhin zulässig sein, aber eine Konkurrenz zu den Online-Angeboten von Tageszeitungen soll vermieden werden. Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio sollten künftig „ihren Schwerpunkt in Bewegtbild und Ton haben, um sich von den Angeboten der Presseverlage zu unterscheiden“, erklärte Dreyer. Für Zweifelsfälle richten beide Seiten eine Schlichtungsstelle ein.
Dreyer ist die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die Einigung wurde nach einer Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin verkündet. Die zwischen allen Beteiligten ausgehandelte Kompromisslösung zur Reform des sogenannten Telemedienauftrags werden die Länder nun in einer Änderung des Rundfunkstaatsvertrags offiziell festschreiben.
„Es war mir ein großes Anliegen, einen Weg zu finden, der den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Weiterentwicklung in ihrem digitalen Angebot garantiert und die Interessen der anderen Marktteilnehmer – etwa der Verlage – berücksichtigt“, erklärte Dreyer. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU), dessen Staatskanzlei den Entwurf federführend erarbeitete, betonte das Interesse der Politik an einem „fairen Verhältnis“beider Seiten.
Hintergrund des seit einem Jahrzehnt teilweise erbittert geführten Streits zwischen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern und privatwirtschaftlich geführten Verlagen sind die Veränderungen durch die Digitalisierung. Das Internet führt zu neuen Formen des Medienkonsums und erfordert andere Geschäftsmodelle, Text-, Bild- und Tonberichterstattung verschmilzt tendenziell. Die Verleger sahen Angebote der Sender als Konkurrenz und forderten Beschränkungen.
Zeitungsverleger loben Klarheit
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Mathias Döpfner, erklärte, der Kompromiss sorge „für Klarheit, wo der Schwerpunkt öffentlich-rechtlicher Onlineangebote liegen wird – im audiovisuellen Bereich“. „Es gibt heute nur Gewinner“, sagte er.
ARD-Intendant Ulrich Wilhelm räumte ein, dass „alle Beteiligten Zugeständnisse eingehen mussten“. Nun aber könnten sich alle Seiten den „gemeinsamen Herausforderungen in einer sich rasant ändernden Medienlandschaft“stellen. Sein ZDF-Kollege Thomas Bellut sprach von einem „wichtigen Schritt auf dem Weg in eine digitale Medienordnung“.
Die Länderchefs beschlossen auch, die für öffentlich-rechtliche Mediatheken geltende Sieben-TageFrist abzuschaffen und Filme, Dokumentationen und Serien auch länger im Netz stehen zu lassen. Damit soll dem veränderten Zuschauerverhalten angesichts der Streaming-Angebote Rechnung getragen werden.
Zuschauer können Sendungen künftig einfacher als bisher unabhängig vom Ausstrahlungszeitpunkt ansehen und zum Beispiel auch mehrere Folgen einer Serie hintereinander. Die Forderung nach einer Abschaffung der Sieben-TageRegel war seit Langem ein Anliegen von ARD und ZDF. Mehrere Verbände der Filmbranche kritisierten den Beschluss, weil ihnen dadurch die Weitervermarktung ihrer Produktionen im Online-Bereich erschwert würde.
Bis Dezember wollen die Länderchefs die Frage beantworten, wie sich der Rundfunkbeitrag von zur Zeit 17,50 Euro im Monat entwickeln soll. Mehrere Länder wollen ihn an die Entwicklung der Inflationsrate anpassen.