Französische Seifenoper
Vor dem Spiel gegen Australien sorgt ein Video von Antoine Griezman für Aufregung
KASAN (SID/to) - Die Würfel sind gefallen, aber die Entscheidung fiel anders aus als gedacht. Per VideoBotschaft teilte Antoine Griezmann, in der Wunderoffensive der Franzosen der treffsicherste Stürmer, der Öffentlichkeit mit, dass er in der kommenden Saison weiter für Atlético Madrid spielen werde. Der spanische Meister FC Barcelona, der Griezmann unbedingt verpflichten wollte, muss noch warten.
So weit, so schön für Atlético, das Griezmann seine Entscheidung mit etwa 20 Millionen Euro im Jahr versüßen soll. Für Spott sorgte aber die Art der Verkündung – am Ende einer 30-minütigen Sondersendung im spanischen Pay-TV. In der Sendung mit dem Titel „La Decisión“(Die Entscheidung) grübelte Griezmann mit bemüht ernstem Gesicht dort über seine Zukunft, erwog das Für und Wider, bat seine Eltern und seine Schwester um Rat. Bilder seiner Villa in Madrid und seiner Pferdeställe in Frankreich durften ebenso wenig fehlen wie das Stechen eines neuen Tattoos. Dass Barcelonas Star Gerard Piqué mit seiner TV-Firma die Seifenoper produzierte, war nur eine weitere kleine Pointe.
„Wir lachen darüber“, sagte Frankreichs Torhüter und Kapitän Hugo Lloris nach dem Abschlusstraining vor dem Auftaktspiel am Samstag (12 Uhr/ZDF) gegen Australien. Sogar Trainer Didier Deschamps witzelte: „Ich war derjenige, der gefilmt hat.“
Schon da gewesen
Griezmann, der sich selbstbewusst, aber nicht ganz zu unrecht selbst zu den „drei besten Spielern der Welt“zählt, ist nicht der erste Sportstar, der sich als Filmstar in eigener Sache versuchte. Basketball-Superstar LeBron James hat es auf ähnliche Art und Weise vor ein paar Jahren gemacht. Allerdings gab er damals seinen Wechsel von Cleveland nach Miami bekannt. Es ist sehr ungewöhnlich, ob in der NBA oder beim Fußball, dass man für Entscheidungen solch ein aufwendiges Video dreht. Trotzdem: Der 27-jährige Griezmann hat bei der WM eine wichtige Aufgabe. In der sehr jungen Mannschaft, die Deschamps ins Auftaktspiel schicken wird, ist der EMTorschützenkönig voraussichtlich der älteste Feldspieler. Mit seinen Treffern soll er das Team der Hochbegabten um 180-Millionen-Stürmer Kylian Mbappé (19) und MittelfeldBoss Paul Pogba (25) zum ersten WM-Titel seit 20 Jahren führen. Deschamps sieht in der fehlenden Erfahrung „kein Risiko“. Seine Spieler seien „jung, spielen aber bei großen Clubs und sind Wettbewerbe auf höchstem Niveau gewohnt“.
Die Erwartungshaltung ist groß in Frankreich – ob bei den Fans oder bei Präsident Emmanuel Macron („Bringt uns zum Träumen.“). Euphorie, die Didier Deschamps nicht stoppen will, gleichzeitig warnt der Coach aber auch. „Unsere Mannschaft ist noch sehr jung. Mannschaften wie Brasilien, Deutschland oder Spanien haben viel mehr Erfahrung“, sagt Deschamps, der 1998 als Kapitän den WM-Pokal in Empfang nahm. Verbandschef Noël Le Graët gibt das Halbfinale als Ziel aus.
Mit großen Erwartungen ist Frankreich in der Vergangenheit oft zu Turnieren gefahren – und enttäuscht wieder heimgekommen. Exemplarisch sagte Jungstar Kylian Mbappé vor dem Auftakt: „Wir müssen unser Ego beiseitestellen.“Und alle sind voller Vorfreude: „Wir können es nicht abwarten, ins Turnier zu starten“, sagte Kapitän Hugo Lloris. Eine Stimmung, die auch Mittelfeldspieler Paul Pogba ansteckte, der nach einem schlimmen Jahr bei Manchester United und den Pfiffen der eigenen Fans im Kreis der Mannschaft allmählich wieder aufblüht. „Wir brauchen Paul“, sagt Deschamps wohlwissend, dass er nicht viele Führungsspieler hat.