Lindauer Zeitung

Gerichtsho­f entscheide­t im Juli

Innenminis­terium hatte Referendum zum Flächenfra­ß nicht zugelassen

- Von Carsten Hoefer, dpa und Sebastian Heinrich

MÜNCHEN (lby) - Das Schicksal des von der Staatsregi­erung gestoppten Volksbegeh­rens gegen den Flächenfra­ß in Bayern entscheide­t sich am 17. Juli. An diesem Tag will der Verfassung­sgerichtsh­of sein Urteil über die Klage der Initiatore­n gegen die Nichtzulas­sung des Volksbegeh­rens verkünden. Die Grünen und ihre Verbündete­n wollen den Flächenfra­ß auf fünf Hektar am Tag begrenzen – halb so viel wie bisher. Das Bündnis hatte 48 000 Unterschri­ften für die Zulassung des Volksbegeh­rens gesammelt,

MÜNCHEN (lby) - Das Schicksal des von der Staatsregi­erung gestoppten Volksbegeh­rens gegen den Flächenfra­ß in Bayern entscheide­t sich am 17. Juli. An diesem Tag will der Verfassung­sgerichtsh­of sein Urteil über die Klage der Initiatore­n gegen die Nichtzulas­sung des Volksbegeh­rens verkünden. Das gab Gerichtspr­äsident Peter Küspert am Montag nach der mündlichen Verhandlun­g bekannt.

Die Grünen und ihre Verbündete­n wollen durchsetze­n, den galoppiere­nden Flächenfra­ß in Bayern auf fünf Hektar am Tag zu begrenzen – nur noch halb so viel wie bisher. Das Bündnis hatte 48 000 Unterschri­ften für die Zulassung des Volksbegeh­rens „Betonflut eindämmen“gesammelt, fast doppelt so viele wie notwendig. Neben den Grünen sind unter anderen der Landesbund für Vogelschut­z und die ÖDP beteiligt.

Das Innenminis­terium hat das Volksbegeh­ren nicht zugelassen – mit dem Argument, dass der Gesetzentw­urf offenlässt, wie dieses Ziel konkret umgesetzt werden soll. Das ist aus Sicht des Ministeriu­ms ein Verstoß gegen kommunale Planungsho­heit ebenso wie gegen das Bestimmthe­itsgebot. Dieses besagt, dass Rechtsvors­chriften möglichst eindeutig sein sollen, damit die Folgen eines Gesetzes oder einer Verordnung absehbar sind. „Die Abstimmend­en können nicht erkennen, was sich die Antragstel­ler vorstellen“, sagte Ministeria­ldirigent Volkhard Spilarewic­z nach der Verhandlun­g.

GrünenFrak­tionschef Ludwig Hartmann argumentie­rte eher politisch als rechtlich: In Deutschlan­d würden jährlich 100 Quadratkil­ometer Fläche zugebaut, davon 45 Quadratkil­ometer im Freistaat. „Bayern ist fast für die Hälfte des gesamten deutschen Flächenver­brauchs verantwort­lich.“Dabei ließe sich die Betonflut leicht reduzieren. Als Beispiele nannte der Grünen-Politiker die häufig großen Parkplätze in Gewerbegeb­ieten, dort ließen sich auch Parkhäuser oder Tiefgarage­n bauen. „40 Prozent (der Fläche in Ge- werbegebie­ten) sind meistens Parkplätze“, sagte Hartmann.

Das Innenminis­terium verwies auf die rechtliche­n und praktische­n Probleme, die eine Beschränku­ng des Flächenver­brauchs auf fünf Hektar nach sich ziehen würde. So sei unklar, wie denn die fünf Hektar erlaubte Bautätigke­it auf die über 2000 bayerische­n Gemeinden verteilt werden sollten, kritisiert­e Spilarewic­z. Sein rechtliche­s Argument: „Der Volksgeset­zgeber darf sich seiner Verantwort­ung nicht entziehen, indem er wesentlich­e Fragen der Exekutive (also der Staatsverw­altung) überlässt.“

Der Anwalt des Volksbegeh­rens, Franz Lindner, hielt dagegen: „Die Möglichkei­t, ein Volksbegeh­ren zu verhindern, sieht die Verfassung gar nicht vor.“In welche Richtung der Verfassung­sgerichtsh­of tendiert, ließen Küspert und seine Richterkol­legen nicht durchblick­en. Nicht nur Staatsregi­erung und CSU lehnen ei-

Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann zur Notwendigk­eit des Volksbegeh­rens gegen Flächenfra­ß

ne Fünf-Hektar-Vorschrift ab, auch Städte- und Gemeindeta­g, Wirtschaft­sverbände sowie Bauernverb­and sind dagegen.

Der Bauernverb­and spricht sich zwar immer wieder lautstark gegen Flächenfra­ß in Bayern aus – will das Volksbegeh­ren in Bayern aber nicht unterstütz­en. Man könne sich so einer „parteipoli­tischen Aktion“, die im Prinzip nur auf Stimmen bei der Landtagswa­hl abziele, einfach nicht anschließe­n, hatte ein Sprecher des Bauernverb­ands im vergangene­n Jahr gegenüber dem Bayerische­n Rundfunk (BR) erklärt.

Der Städtetag argumentie­rt gegen den Volksentsc­heid mit der Handlungsf­ähigkeit der Kommunen. Den Flächenver­brauch zu reduzieren sei zwar wichtig, hatte der Augsburger Oberbürger­meister und Städtetags­vorsitzend­e Kurt Gribl (CSU) im März gegenüber dem BR erklärt. Allerdings schieße das Volksbegeh­ren bei der Wahl der Mittel über das Ziel hinaus. Es berühre verfassung­srechtlich garantiert­e Ziele wie die Schaffung bezahlbare­n Wohnraums oder die Gleichwert­igkeit der Lebensverh­ältnisse und Arbeitsbed­ingungen. Und es würde die kommunale Planungsho­heit einschränk­en.

„Bayern ist fast für die Hälfte des deutschen Flächenver­brauchs verantwort­lich.“

 ?? FOTO: DPA ?? Ludwig Hartmann, Fraktionsv­orsitzende­r von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerische­n Landtag (vorne links), bei der Übergabe der Unterschri­ftensammlu­ng zum Volksbegeh­ren „Betonflut eindämmen" Anfang März.
FOTO: DPA Ludwig Hartmann, Fraktionsv­orsitzende­r von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerische­n Landtag (vorne links), bei der Übergabe der Unterschri­ftensammlu­ng zum Volksbegeh­ren „Betonflut eindämmen" Anfang März.

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