Neue Pflegeausbildung löst derzeit keinen Jubel aus
Heimleiter befürchtet noch größeren Mangel an Altenpflegekräften – „Reform löst nicht unsere Probleme“
LINDAU - Für die Bundesregierung ist klar: Mit der Reform der Ausbildung sollen Pflegeberufe attraktiver werden. Damit will Berlin dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenwirken. An der Basis, in Pflegeheimen und ambulanten Diensten, sehen die Verantwortlichen das Vorhaben derzeit eher mit gemischten Gefühlen. „Das Zusammenlegen der Ausbildungsrichtungen macht den Pflegeberuf nicht attraktiver“, ist Clemens Obermaier überzeugt. Heimleiter Klaus Höhne befürchtet sogar, „dass sich damit der Fachkräftemangel in der Altenpflege noch verschärfen wird“.
Wird die Gesetzesänderung das Interesse an Pflegeberufen verstärken? Clemens Obermaier, dessen ambulanter Pflegedienst selbst ausbildet, schüttelt den Kopf: „Eher nein.“Eine weitgehend gemeinsame Ausbildung der verschiedenen Pflegezweige, „das macht den Beruf nicht attraktiver“. Angesichts der Arbeitszeiten der Pflegefachkräfte sei es viel wichtiger, sie gut zu entlohnen: Obermaier zahlt nach eigenen Worten beispielsweise 14 Monatsgehälter und führt es auch darauf zurück, dass er in seinem Pflegeteam am See rund 90 Prozent Fachkräftequote vorweisen kann. „Gute Qualität kostet eben“, ist der Leiter des ambulanten Pflegedienstes überzeugt – doch in Deutschland sei es leider wichtig, „dass alles günstig ist“, bedauert Obermaier.
Der ambulante Pflegedienst der „Pflege-Insel“bildet ebenfalls Altenpflegefachkräfte aus. Sabine Schönherr sieht den Beschluss aus Berlin noch entspannt, „wir müssen erst mal abwarten, was sich da ändert“. Doch ob die neue einheitliche Ausbildung letztlich mehr Interesse an diesem Beruf weckt, da setzt Schönherr derzeit noch ein Fragezeichen.
Zu den Ausbildern in der Pflege gehört auch die Lindauer Sozialstation: Sie bildet Altenpflegehelfer aus, die ein Jahr lang Theorie und Praxis ihres Berufs lernen. Oftmals seien es etwas ältere Mitarbeiter, denen die Sozialstation diese einjährige Ausbildung schmackhaft mache, schildert Geschäftsführer Gerhard Fehrer. Er befürchtet, dass die Reform der Pflegeausbildung künftig „stärker verschult“wird. Dass die Betriebe mit der neuen Pflegeausbildung ab 2020 ganz gezielt auch Praxisanleiter beschäftigen müssen, betrachtet Fehrer mit Skepsis, wenn erst noch Mitarbeiter dafür geschult werden müssen. Die Sozialstation will aber die Chance nutzen, künftig sogenannte Pflegeassistenten auszubilden, die dann eine zweijährige Ausbildungszeit absolvieren.
Nicht mehr Fachkräfte, sondern anders verteilt
Ausgesprochen skeptisch sieht der Heimleiter von Hospital und Altersheim Reutin, Klaus Höhne, die in Berlin beschlossene neue Pflegeausbildung: „Das wird die Situation in der Altenpflege noch verschärfen.“Der Lindauer befürchtet, dass künftig viele Azubis eher die generalistische Pflegeausbildung absolvieren und dann in den Kliniken bleiben. Denn dort fehle auch Personal, nicht nur in der Altenpflege. Schon jetzt „umgarnen“nach Höhnes Worten Kliniken jene Mitarbeiter aus Pflegeheimen, die nach der Fachausbildung in ihrem Heimatland hier in Deutschland noch ein Anerkennungsjahr leisten müssen: Höhne wird eine seiner drei im Ausland angeworbenen Fachkräfte an ein Krankenhaus verlieren.
„Diese Reform löst nicht unsere Probleme“, ist sich der Wasserburger Seniorenheimleiter Christoph Brinz mit seinen Kollegen einig. Er verstehe zwar die Ansätze der Politik. „Aber uns bringt das nichts.“Ab Herbst werden voraussichtlich vier Azubis in Hege den Beruf des Altenpflegers erlernen. Dass der Beschluss in Berlin zu mehr Pflegefachkräften führt, bezweifelt Brinz: „Es wird sich anders verteilen – aber es werden nicht mehr werden.“Die Reform der Pflegeausbildung werde vermutlich nur eines bewirken: „Es wird komplizierter.“