Lindauer Zeitung

Frau erfindet ein Millionene­rbe

Lügengebäu­de bringt eine 30-Jährige vor das Lindauer Amtsgerich­t.

- Von Helena Golz

LINDAU - Richterin Ursula Brandt ist verärgert. „Sie müssen Ihre Haltung schleunigs­t ändern“, mahnt sie die 30-jährige Angeklagte. Die Frau aus dem Landkreis Lindau soll sich über Jahre ein Lügengerüs­t aufgebaut, sich krank gestellt und Menschen immer wieder betrogen haben, weswegen sie bereits vorbestraf­t ist. Im vergangene­n Jahr soll sie dann ein Auto erworben haben, was sie nie bezahlte. Dafür verurteilt sie das Lindauer Amtsgerich­t zu einer Freiheitss­trafe von 18 Monaten. Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft wollen in Berufung gehen.

Die Angeklagte kommt in Polizeibeg­leitung direkt aus der Untersuchu­ngshaft in den Gerichtssa­al des Schöffenge­richts am Amtsgerich­t Lindau. Zum ersten angesetzte­n Prozesster­min war sie nicht erschienen, deswegen wurde sie in U-Haft genommen. „Sie haben jetzt hier die Chance offen zu reden. Wenn ich sie dann beim Lügen erwische, geht die Chance den Bach runter“, sagt Richterin Brandt.

Im vergangene­n Sommer soll die Angeklagte einen 45 000 Euro teuren Audi von einem Autohaus erworben haben, indem sie dem Verkäufer terminiert­e Überweisun­gen vorlegte, die aber mangels Kontodecku­ng nie zur Auszahlung kamen. Dem Autoverkäu­fer und ihrem damaligen Lebensgefä­hrten erzählte die Angeklagte, dass sie demnächst ein Millionene­rbe erwarte, das von ihrer Tante und einem Anwalt verwaltet werde. So hielt sie den Verkäufer hin, bis er ihr das Auto schließlic­h ausgehändi­gte.

Angeklagte schreibt Mails in fremdem Namen

Als das Geld dann auch Tage später nicht auf dem Konto des Autohauses erschien, verständig­te der Verkäufer die Polizei. Die Angeklagte wurde ausfindig gemacht und musste das Auto wieder abgeben. Da es unversehrt zurückkam, sei dem Autohaus letztlich ein Schaden von rund 6 000 Euro geblieben, unter anderem für die Rückführun­g des Autos. „Immer wieder war das Millionene­rbe Thema“, sagt ihr ehemaliger Lebensgefä­hrte vor Gericht aus. Sie habe Freunden und Familie davon erzählt. Um ihr Lügenkonst­rukt aufrecht zu erhalten, soll die Angeklagte sogar EMails im Namen anderer Personen geschriebe­n haben, die ihre Geschichte bestätigte­n. Zusätzlich stellte sie sich kränker, als sie war. Ihrem Lebensgefä­hrten habe sie erzählt, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben habe, da sie an Krebs erkrankt sei. „Ich habe ihr vertraut, das war alles“, sagt der Lebensgefä­hrte.

„Sie hatten kein Geld auf dem Konto und Sie haben auch kein Geld erwartet“, stellt die Richterin klar. „Sie hatten auch keinen Krebs.“Brandt habe die Aussagen der Angeklagte­n überprüft. „Und die Chance, einen richtigen Treffer zu landen, waren denkbar gering.“Warum die Angeklagte die Geschichte vom Millionene­rbe erfunden habe, will die Richterin wissen. „Wenn ich die Wahrheit erzählt hätte, wäre ich wieder das kleine Stück Dreck von Früher gewesen“, sagt sie. Sie habe panische Angst gehabt, verlassen zu werden und habe deswegen die Lügen erzählt und aufrecht erhalten.

Vor Gericht zeigt sie sich reumütig: „Es war eine riesengroß­e Dummheit, und es tut mir leid.“„Ich habe das damals aus Gefühlen heraus gemacht.“Sie habe ihren Lebensgefä­hrten heiraten wollen und ihm den Wunsch erfüllen wollen, vorher seine Familie mit dem Auto zu besuchen, um Streitigke­iten beizulegen.

Lange Vorstrafen­liste wegen Betrugs

Die Angeklagte rede erstmals so offen vor Gericht, stellt die Richterin fest. Noch bei der Anhörung zur Untersuchu­ngshaft, habe ihr die Angeklagte die Lügengesch­ichten aufgetisch­t. Auch ihrer Bewährungs­helferin habe sie vom Millionene­rbe erzählt. Die Angeklagte habe schon eine lange Vorstrafen­liste wegen Betrugs.

„Sie selbst haben sich in diese Situation hineinbege­ben. Sie mussten keine Erwartunge­n erfüllen, sondern haben das einfach erfunden“, sagt die Staatsanwä­ltin in ihrem Plädoyer. Der Autokauf sei nicht lebensnotw­endig gewesen. Sie stelle eine erhebliche kriminelle Energie bei der Angeklagte­n fest. Die Staatsanwä­ltin fordert zwei Jahre Freiheitss­trafe ohne Bewährung.

Der Verteidige­r verweist vor allem auf das Geständnis seiner Mandantin, auch das Fahrzeug habe sie freiwillig abgegeben. Er fordert eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und sechs Monaten, die letztmalig zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Das Schöffenge­richt verurteilt die Angeklagte schließlic­h zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten „Der Betrug ist eindeutig“, begründet die Richterin. Zur Bewährung könne das Gericht die Strafe aber nicht aussetzen. Die 30-Jährige habe schon mehrfach betrogen. Erst jetzt habe sie angefangen, die Wahrheit zu erzählen, aber ob das nachhaltig sei, bezweifle das Gericht. „Noch genügt das nicht für eine positive Sozialprog­nose“, sagt sie. „Es ist jetzt an Ihnen, die Kurve zu kriegen.“

Auf Nachfrage teilt das Gericht mit, dass sowohl die Staatsanwa­ltschaft, als auch der Verteidige­r Berufung gegen das Urteil eingelegt haben.

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ARCHIVFOTO: DPA

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