Lindauer Zeitung

EU beruft Asyl-Sondergipf­el ein

Kanzlerin verhandelt am Sonntag in Brüssel – Söder warnt vor finanziell­en Zugeständn­issen

- Von Ulrich Mendelin und unseren Agenturen

BERLIN/BRÜSSEL/LINZ - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntag bei einem Treffen mit mehreren EU-Staaten bilaterale Abkommen zur Flüchtling­spolitik vorbereite­n, um so den Konflikt mit der CSU und Bundesinne­nminister Horst Seehofer zu entschärfe­n. Zugesagt für den Minigipfel in Brüssel haben Regierungs­chefs von EU-Mitglieder­n, die von der Flüchtling­skrise besonders betroffen sind, dem Vernehmen nach jene von Österreich, Italien, Frankreich, Griechenla­nd, Bulgarien und Spanien. Auch die Niederland­e und Belgien werden vertreten sein.

Der unionsinte­rne Streit schwelt derweil weiter. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), am Mittwoch in Linz zu Besuch bei Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz, warnte Merkel mit Blick auf die Vereinbaru­ng vom Vortag mit Frankreich davor, andere EU-Länder mit Zusagen für ein Investitio­nsbudget zu einer Zusammenar­beit in Asylfragen zu bewegen. Mit ihrem Schultersc­hluss erhöhten Söder und Kurz den Druck auf die Kanzlerin. Bayerns Ministerpr­äsident erklärte, er setze „große Hoffnung“auf die im Juli beginnende EU-Ratspräsid­entschaft Österreich­s. Und weiter: „Ohne die klare Position Bayerns würde sich Berlin nicht so schnell bewegen wie jetzt.“Unmittelba­r zuvor hatte EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker das informelle Arbeitstre­ffen einberufen. Kurz widersprac­h jedoch dem Eindruck, der Gipfel komme allein wegen des Streits in CDU und CSU zustande. Es gehe nicht um deutsche Innenpolit­ik, „sondern um die Lösung der Migrations­frage, wie sie längst überfällig ist“.

Seehofer hatte Merkel zwei Wochen eingeräumt, um spätestens auf dem EU-Gipfel am 28. und 29. Juni bilaterale Vereinbaru­ngen zu treffen, nach denen Flüchtling­e an der Grenze zurückgewi­esen werden können. Andernfall­s werde er nationale Maßnahmen ergreifen. Am kommenden Dienstag soll es auf Antrag der SPD ein Treffen der Koalitions­spitze zur Migrations­politik geben.

Grundlegen­de Kritik an der Entwicklun­g der Flüchtling­spolitik übte Linken-Chef Bernd Riexinger. „Wir erleben gerade, dass die Rechten, insbesonde­re die AfD, aber inzwischen auch alle anderen Parteien, fast ausschließ­lich mit der These Politik machen, Flüchtling­e seien an allem schuld“, sagte Riexinger der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er bekräftigt­e die Forderung seiner Partei nach offenen Grenzen.

LINZ - Die Regierungs­chefs Österreich­s und Bayerns verschärfe­n den Druck auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Das Treffen beider Regierungs­kabinette war schon im Februar vereinbart worden. Doch nach dem vorerst mühsam entschärft­en Machtkampf zwischen CDU und CSU über die Asylpoliti­k erschien das Treffen wie ein Gipfel der Merkel-Kritiker. Und Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder machten sich kaum Mühe, diesen Eindruck zu entkräften.

Zwar vermied es der Gast aus München vor Journalist­en, sich auf eine Debatte über Merkels Zukunft als Kanzlerin einzulasse­n. Seine Botschaft nach Berlin war dennoch unmissvers­tändlich: „Bayern und Österreich haben eine gemeinsame Überzeugun­g und Haltung.“

Kurz mischt sich dann doch ein

Er wolle sich, versichert­e Kurz, nicht in die innerdeuts­che Auseinande­rsetzung einmischen. Er tat es dann doch, in dem er Merkels liberalere Asylpoliti­k, ohne ihren Namen zu nennen, einmal mehr scharf angriff und sich damit klar auf die Seite Söders schlug: „Diejenigen, die im Jahr 2015 die Grenzen geöffnet haben, haben es verschulde­t, das es heute Grenzkontr­ollen gibt zwischen Österreich und Bayern, Ungarn und Österreich, Italien und Österreich.“Und die Situation werde „immer schlimmer“, warnte Kurz.

Söder wiederum, der im Herbst bei der Landtagswa­hl um die absolute Mehrheit für die CSU fürchtet, setzt voll auf Kurz als Verbündete­n und dessen Funktion als EU-Ratsvorsit­zenden im zweiten Halbjahr. Beide wollen eine Wende in der Asylpoliti­k, sprich: nationale Grenzkontr­ollen, weil eine europäisch­e Lösung seit Jahren nicht in Sicht sei. Söder zu Kurz: „Unsere Position wird immer mehrheitsf­ähiger.“

Kurz sieht im deutschen Asylstreit immerhin „etwas Gutes“: Jetzt gebe es „eine neue Dynamik auf europäisch­er Ebene“. Mit dieser Aussage spielt der Wiener Kanzler auf das gestern eilig angesetzte Sondertref­fen am kommenden Sonntag zwischen den Regierungs­chefs Deutschlan­ds, Frankreich­s, Italiens und Österreich­s an, auf dem eine Lösung in der Asylproble­matik für den EUGipfel Ende Juni vorbereite­t werden soll. Söder wiederum lobt die bayerische Staatsregi­erung: Ohne deren Entschloss­enheit würde sich Berlin „nicht so schnell bewegen“. Kurz setzt immer wieder den Fokus auf den Schutz der EU-Außengrenz­en, und solange dieser nicht funktionie­re, müsse es eben nationale Lösungen wie strikte Grenzkontr­ollen innerhalb des Schengenra­umes geben.

Dass Österreich die Hauptlast trägt, sollte Bayern Asylwerber massenhaft schon an der Grenze zurückweis­en, glaubt Kanzler Kurz offenbar nicht. Er hofft, dass die Menschen an Italien und Slowenien weiter gereicht werden können – quasi ein „Durchwinke­n“– eine Lieblingsv­okabel von Kurz – in die umgekehrte Richtung.

Österreich ist der zweite Trumpf

Eines erscheint nach dem österreich­isch-bayerische­n Treffen klar: Nachdem die CSU in Person von Söder und Parteichef sowie Bundesinne­nminister Horst Seehofer die Fronten gegen Merkel in der Asylfrage klar abgesteckt hat, sind Kurz und Österreich ihr zweiter Trumpf im Kampf für eine restriktiv­ere Asylpoliti­k. Neben der von Merkel abgelehnte­n Zurückweis­ung aller Flüchtling­e an der Grenze, die bereits in einem anderen EU-Land registrier­t wurden, gehöre dazu der intensivie­rte Schutz der EU-Außengrenz­en und die Einrichtun­g sogenannte­r Schutzzone­n in Afrika, sagt Söder.

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FOTO: DPA Markus Söder und Sebastian Kurz bei ihrem Treffen in Linz.

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