Lindauer Zeitung

Fremder Mann lockt Kind: Eltern warnen

Ein Paar berichtet von einem Vorfall in Wangen – Polizei hat derzeit keine Erkenntnis­se

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN/REGION - Den Fronleichn­amsnachmit­tag werden die Eltern eines sechsjähri­gen Mädchens aus der Region so schnell nicht vergessen – und die Tochter wohl auch nicht. An diesem Tag hat ein Unbekannte­r an einer Wangener Tankstelle versucht, die Kleine aus dem Auto zu locken. Jetzt wollen sie vor vergleichb­aren Fällen warnen. Im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung schildern sie den Vorfall.

Es herrscht bestes Badewetter, und das wollen Vater und Tochter nutzen. Ihr Ziel ist das Freibad Stefanshöh­e – in der Erwartung vergnüglic­her Stunden. Die beiden setzen sich gegen 13.30 oder 14 Uhr ins Auto und machen sich auf den Weg. An einer Tankstelle im Wangener Stadtzentr­um hält der Vater noch kurz, er steigt aus und will drinnen ein paar Kleinigkei­ten besorgen.

Die Sechsjähri­ge bleibt auf der Beifahrers­eite sitzen. Da kommt ein Mann auf den Wagen zu und schaut durch die halb herunter gelassene Scheibe auf der Fahrerseit­e ins Innere. „Dann hat er sie angesproch­en“, berichtet der Vater. „Komm mit raus, wir gehen ein Stück“, soll er in etwa gesagt und mehrfach wiederholt haben. Das Mädchen weigert sich.

Den genauen Wortlaut hat die Sechsjähri­ge nicht verstanden. Denn der Unbekannte hatte einen schwäbisch­en Akzent, und die Eltern der Sechsjähri­gen stammen gebürtig nicht aus der hiesigen Region. Später sagt sie zu Vater und Mutter: Er hat so geredet wie die Leute hier.

Ungeachtet dessen sind dem Mädchen Sinn und Zweck der Worte aber sehr wohl deutlich geworden. Denn als der Vater wenige Minuten später aus dem Inneren der Tankstelle zurückkehr­t, ist der Unbekannte zwar nicht mehr am Auto, hält sich aber noch auf dem Tankstelle­ngelände auf – und die Kleine wirkt verändert. Sie schweigt zunächst. Als der Vater anfahren will, zeigt sie plötzlich auf den Unbekannte­n.

Dann sprudelt das eben Erlebte aus ihr heraus. „Bist du wirklich sicher?“, fragt der Vater. Das Kind bestätigt. Daraufhin spricht er den Unbekannte­n an, wie er der Schwäbisch­en Zeitung erzählt: „Kennen Sie mich oder meine Tochter?“Der Mann verneint. „Da hat es mir gereicht, da habe ich ihn angeschrie­n“, berichtet der Vater weiter – und habe entgegnet bekommen: „Das war alles nur Spaß.“

Der Vater begreift die Situation immer mehr, sucht im Wagen nach seinem Handy, um ein Foto des Mannes zu machen. Allerdings findet er es nicht. Da verliert er den Unbekannte­n aus den Augen. Diese Chance habe der Mann genutzt, um zu verschwind­en, sagt er. Wohin? Das weiß er nicht: „Der war so schnell weg.“

Spätestens ab diesem Zeitpunkt war der Nachmittag für Vater und Tochter gelaufen. Zwar fahren sie noch ins Freibad, aber nur kurz. Wenige Stunden später gehen beide zusammen mit der Mutter zum Wangener Polizeirev­ier. Sie erstatten Anzeige.

Auch Tage später steht die Familie unter dem Eindruck des Fronleichn­amsnachmit­tags. Die Eltern sind jetzt viel vorsichtig­er geworden, was das Umfeld ihrer Tochter angeht. „Wir haben ihre Bewegungsf­reiheit eingeschrä­nkt“, sagt die Mutter. Sei es, wenn Besuche von Freunden des Kindes anstehen oder bei der Teilnahme an Sportkurse­n. Allein im AuPerson, to lassen sie das Mädchen auch nicht mehr sitzen – und sei es noch so kurz.

Das Kind selbst hat den Tag offenbar ebenfalls noch nicht verwunden. Sie rede häufig darüber, sagt die Mutter. Und: „Sie erzählt immer das Gleiche.“Eine Bestätigun­g, dass das Erlebte stimme und sie psychisch damit zu kämpfen habe. Der Kinderarzt hat jetzt den Gang zum Therapeute­n empfohlen.

Die Mutter spricht von Angstgefüh­len, die sie selbst seither plagen. Diese, vor allem aber ähnliche Situatione­n wie die von der Tochter erlebte, will sie anderen ersparen. Daher warnt sie im Kindergart­en, deshalb wenden sich die Eltern an die Schwäbisch­e Zeitung. Namen, Wohnort und sonstige Angaben zur eigenen Person nennen sie der Redaktion, wollen sie im Bericht aber nicht lesen – vor allem zum Schutz der Tochter. Ihr Ziel: Die Öffentlich­keit soll von dem Vorfall erfahren, die Leute sollen ihre Augen offen halten.

Schnell an die Polizei wenden

Auch weil sie wissen: Der Unbekannte von der Tankstelle ist bislang noch nicht ausgemacht worden. Das erklärt die Polizei am Dienstag. „Es gibt keine weiteren Erkenntnis­se“, sagt ein Sprecher. Denn in der Folge der Geschehnis­se habe es bis jetzt an weiteren Hinweisen gefehlt.

Wohl aber halten die Beamten die Schilderun­gen des Mädchens und seiner Eltern für wahr: „Es gibt keinen Grund, dem Kind nicht zu glauben“, sagt der Sprecher. Und: Sie hätten richtig gehandelt, sich schnell ans örtliche Revier zu wenden.

Das rät die Polizei allen, die Vergleichb­ares erleben – lieber einmal zu oft als einmal zu wenig. Dabei komme es auf möglichst genaue Schilderun­gen an: vom Aussehen der von möglichen körperlich­en Auffälligk­eiten, eventuelle­n Fahrzeugen oder Begleitper­sonen. Nur so könne die Polizei (schnell) handeln oder Zeugenaufr­ufe starten.

Dabei ist es den Beamten gleichgült­ig, ob tatsächlic­h eine Straftat begangen wurde oder aber, ob es sich „nur“um einen Verdacht handelt, so der Sprecher. Ihnen komme es darauf an, den Betreffend­en ausfindig zu machen. Nur dann könnten sie Hintergrün­de der Vorfälle und mögliche Vorgeschic­hten der Personen durchleuch­ten.

Im günstigen Fall können sich dabei banale Dinge herausstel­len: etwa – wie laut Polizei auch schon geschehen –, dass der Großvater seiner Enkelin das Pausenbrot zur Schule nachbringt. Oder aber, die Beamten machen durch derlei Ermittlung­en tatsächlic­h einen Verdächtig­en mit Vorgeschic­hte aus: zum Beispiel wenn es einschlägi­ge Bewährungs­strafen oder Auflagen gibt. „Dann ist das ganz anders zu bewerten“, sagt der Polizeispr­echer. Und ergänzt: „Es gibt genug Pädophile.“

Vater und Tochter haben den Mann, der das Kind an Fronleichn­am angesproch­en haben soll, der Polizei und der Schwäbisch­en Zeitung beschriebe­n: Er ist demnach 60 bis 65 Jahre alt, etwa 1,80 bis 1,85 Meter groß, spricht schwäbisch­e Mundart, hat eine schlanke Statur und kurzes, volles sowie graues Haar. Bekleidet war er vermutlich mit einem karierten Hemd und einer normalen Stoffhose. Der Vater spricht aber von „verratzten Schuhen“. Außerdem soll er „außergewöh­nliche Zähne“haben, vermutlich Goldzähne.

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SYMBOLFOTO: LANGE/DPA Ein Elternpaar berichtet von einem Vorfall, bei dem die sechsjähri­ge Tochter in Wangen von einem Unbekannte­n angesproch­en wird. Sie wollen warnen.

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