Fremder Mann lockt Kind: Eltern warnen
Ein Paar berichtet von einem Vorfall in Wangen – Polizei hat derzeit keine Erkenntnisse
WANGEN/REGION - Den Fronleichnamsnachmittag werden die Eltern eines sechsjährigen Mädchens aus der Region so schnell nicht vergessen – und die Tochter wohl auch nicht. An diesem Tag hat ein Unbekannter an einer Wangener Tankstelle versucht, die Kleine aus dem Auto zu locken. Jetzt wollen sie vor vergleichbaren Fällen warnen. Im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung schildern sie den Vorfall.
Es herrscht bestes Badewetter, und das wollen Vater und Tochter nutzen. Ihr Ziel ist das Freibad Stefanshöhe – in der Erwartung vergnüglicher Stunden. Die beiden setzen sich gegen 13.30 oder 14 Uhr ins Auto und machen sich auf den Weg. An einer Tankstelle im Wangener Stadtzentrum hält der Vater noch kurz, er steigt aus und will drinnen ein paar Kleinigkeiten besorgen.
Die Sechsjährige bleibt auf der Beifahrerseite sitzen. Da kommt ein Mann auf den Wagen zu und schaut durch die halb herunter gelassene Scheibe auf der Fahrerseite ins Innere. „Dann hat er sie angesprochen“, berichtet der Vater. „Komm mit raus, wir gehen ein Stück“, soll er in etwa gesagt und mehrfach wiederholt haben. Das Mädchen weigert sich.
Den genauen Wortlaut hat die Sechsjährige nicht verstanden. Denn der Unbekannte hatte einen schwäbischen Akzent, und die Eltern der Sechsjährigen stammen gebürtig nicht aus der hiesigen Region. Später sagt sie zu Vater und Mutter: Er hat so geredet wie die Leute hier.
Ungeachtet dessen sind dem Mädchen Sinn und Zweck der Worte aber sehr wohl deutlich geworden. Denn als der Vater wenige Minuten später aus dem Inneren der Tankstelle zurückkehrt, ist der Unbekannte zwar nicht mehr am Auto, hält sich aber noch auf dem Tankstellengelände auf – und die Kleine wirkt verändert. Sie schweigt zunächst. Als der Vater anfahren will, zeigt sie plötzlich auf den Unbekannten.
Dann sprudelt das eben Erlebte aus ihr heraus. „Bist du wirklich sicher?“, fragt der Vater. Das Kind bestätigt. Daraufhin spricht er den Unbekannten an, wie er der Schwäbischen Zeitung erzählt: „Kennen Sie mich oder meine Tochter?“Der Mann verneint. „Da hat es mir gereicht, da habe ich ihn angeschrien“, berichtet der Vater weiter – und habe entgegnet bekommen: „Das war alles nur Spaß.“
Der Vater begreift die Situation immer mehr, sucht im Wagen nach seinem Handy, um ein Foto des Mannes zu machen. Allerdings findet er es nicht. Da verliert er den Unbekannten aus den Augen. Diese Chance habe der Mann genutzt, um zu verschwinden, sagt er. Wohin? Das weiß er nicht: „Der war so schnell weg.“
Spätestens ab diesem Zeitpunkt war der Nachmittag für Vater und Tochter gelaufen. Zwar fahren sie noch ins Freibad, aber nur kurz. Wenige Stunden später gehen beide zusammen mit der Mutter zum Wangener Polizeirevier. Sie erstatten Anzeige.
Auch Tage später steht die Familie unter dem Eindruck des Fronleichnamsnachmittags. Die Eltern sind jetzt viel vorsichtiger geworden, was das Umfeld ihrer Tochter angeht. „Wir haben ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt“, sagt die Mutter. Sei es, wenn Besuche von Freunden des Kindes anstehen oder bei der Teilnahme an Sportkursen. Allein im AuPerson, to lassen sie das Mädchen auch nicht mehr sitzen – und sei es noch so kurz.
Das Kind selbst hat den Tag offenbar ebenfalls noch nicht verwunden. Sie rede häufig darüber, sagt die Mutter. Und: „Sie erzählt immer das Gleiche.“Eine Bestätigung, dass das Erlebte stimme und sie psychisch damit zu kämpfen habe. Der Kinderarzt hat jetzt den Gang zum Therapeuten empfohlen.
Die Mutter spricht von Angstgefühlen, die sie selbst seither plagen. Diese, vor allem aber ähnliche Situationen wie die von der Tochter erlebte, will sie anderen ersparen. Daher warnt sie im Kindergarten, deshalb wenden sich die Eltern an die Schwäbische Zeitung. Namen, Wohnort und sonstige Angaben zur eigenen Person nennen sie der Redaktion, wollen sie im Bericht aber nicht lesen – vor allem zum Schutz der Tochter. Ihr Ziel: Die Öffentlichkeit soll von dem Vorfall erfahren, die Leute sollen ihre Augen offen halten.
Schnell an die Polizei wenden
Auch weil sie wissen: Der Unbekannte von der Tankstelle ist bislang noch nicht ausgemacht worden. Das erklärt die Polizei am Dienstag. „Es gibt keine weiteren Erkenntnisse“, sagt ein Sprecher. Denn in der Folge der Geschehnisse habe es bis jetzt an weiteren Hinweisen gefehlt.
Wohl aber halten die Beamten die Schilderungen des Mädchens und seiner Eltern für wahr: „Es gibt keinen Grund, dem Kind nicht zu glauben“, sagt der Sprecher. Und: Sie hätten richtig gehandelt, sich schnell ans örtliche Revier zu wenden.
Das rät die Polizei allen, die Vergleichbares erleben – lieber einmal zu oft als einmal zu wenig. Dabei komme es auf möglichst genaue Schilderungen an: vom Aussehen der von möglichen körperlichen Auffälligkeiten, eventuellen Fahrzeugen oder Begleitpersonen. Nur so könne die Polizei (schnell) handeln oder Zeugenaufrufe starten.
Dabei ist es den Beamten gleichgültig, ob tatsächlich eine Straftat begangen wurde oder aber, ob es sich „nur“um einen Verdacht handelt, so der Sprecher. Ihnen komme es darauf an, den Betreffenden ausfindig zu machen. Nur dann könnten sie Hintergründe der Vorfälle und mögliche Vorgeschichten der Personen durchleuchten.
Im günstigen Fall können sich dabei banale Dinge herausstellen: etwa – wie laut Polizei auch schon geschehen –, dass der Großvater seiner Enkelin das Pausenbrot zur Schule nachbringt. Oder aber, die Beamten machen durch derlei Ermittlungen tatsächlich einen Verdächtigen mit Vorgeschichte aus: zum Beispiel wenn es einschlägige Bewährungsstrafen oder Auflagen gibt. „Dann ist das ganz anders zu bewerten“, sagt der Polizeisprecher. Und ergänzt: „Es gibt genug Pädophile.“
Vater und Tochter haben den Mann, der das Kind an Fronleichnam angesprochen haben soll, der Polizei und der Schwäbischen Zeitung beschrieben: Er ist demnach 60 bis 65 Jahre alt, etwa 1,80 bis 1,85 Meter groß, spricht schwäbische Mundart, hat eine schlanke Statur und kurzes, volles sowie graues Haar. Bekleidet war er vermutlich mit einem karierten Hemd und einer normalen Stoffhose. Der Vater spricht aber von „verratzten Schuhen“. Außerdem soll er „außergewöhnliche Zähne“haben, vermutlich Goldzähne.