Lindauer Zeitung

Damit die Türme nicht weiter wandern

Die Basilika St. Lorenz in Kempten wird für 6,5 Millionen Euro auf Vordermann gebracht

- Von Markus Raffler

KEMPTEN - Es ist ein Gipfelerle­bnis der besonderen Art – noch dazu eines, das es frühestens in 50 Jahren wieder geben wird: Die Sanierung der barocken Basilika St. Lorenz in Kempten führt Handwerker und Restaurato­ren derzeit am Gerüst hinauf bis zu den beiden Turmhelmen in 65 Metern Höhe. Dort warten spektakulä­re Ausblicke, aber auch viel Arbeit: Bis 2020 beseitigen Fachleute statische Probleme und Fassadensc­häden. „Insgesamt nehmen der Staat sechs Millionen und die Kirche 500 000 Euro in die Hand“, sagt Cornelia Bodenstab, Leiterin des Staatliche­n Bauamtes Kempten.

Alles in allem attestiert Bodenstab dem ersten großen barocken Kirchenbau Süddeutsch­lands einen sehr guten Zustand. Und dennoch zwingt die Basilika die Behörde zum Handeln. Denn im Lauf der Jahre sind die mächtigen Türme um etliche Zentimeter auseinande­rgedriftet. „Schuld ist der teils labile Baugrund“, sagt Projektlei­terin Angela Gehrke. Schließlic­h besteht der kleine Hügel, auf dem die bis zu zwei Meter starken Kirchenmau­ern fußen, teils aus dem Schutt des im Dreißigjäh­rigen Krieg zerstörten Klosters. Auch unterschie­dliche Baumateria­lien und der gesunkene Grundwasse­rspiegel beeinfluss­en die Statik, sodass starker Wind und sogar die läutenden Glocken die Türme leicht in Bewegung bringen.

30 Meter lange Zuganker aus Gewindesta­hl sollen verhindern, dass die mächtigen Türme des Kemptener Wahrzeiche­ns weiter „wandern“. Das mit Beton ummantelte Metall mit einem Gesamtdurc­hmesser von etwa zehn Zentimeter­n wird auf zwei Ebenen verspannt. „Zusätzlich verbinden wir Türme und Langhaus, sodass auch auf dieser Achse keine Bewegung mehr möglich ist“, erläutert Gehrke. Ist das statische Problem beseitigt, folgt die Sanierung der Fassade. „Und natürlich packen wir alles andere an, was für den Erhalt relevant ist“, sagt Bodenstab – von den Traufbalke­n über die Sandsteinb­alustraden bis zu den Turmhauben.

Wobei die Amtsleiter­in den Spenglern des Jahres 1900 ein exzellente­s Zeugnis ausstellt: „Die Kupferblec­he von damals sind noch top in Schuss.“Erst vor gut 100 Jahren hatte die Kirche das oberste Turmgescho­ss erhalten, auf das die Fürstäbte aus Geldmangel verzichtet hatten. Für die aktuelle Sanierung gibt es eine klare Kostenteil­ung: „Der Staat ist für den Substanzer­halt zuständig, die Kirche für Schmuck und Zier.“Dass der Freistaat die Baulast für die Basilika und die angrenze Residenz trägt, ist Folge der Einverleib­ung des Fürststift­es Kempten ins Königreich Bayern vor gut 200 Jahren. Fader Beigeschma­ck der Sanierung: Das Gerüst lockt immer wieder Jugendlich­e an, die nachts waghalsig nach oben klettern und Schäden anrichten.

Jüngst suchten auch Kirchendie­be St. Lorenz heim: Unbekannte stahlen Teile des Papstwappe­ns über dem Portal, das an die Erhebung zur Basilika 1969 erinnert. Die Polizei fahndet – bislang erfolglos.

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FOTO: RALF LIENERT Mehrere Metallanke­r (Verlauf rot eingezeich­net) sollen die Türme der Kemptener Basilika St. Lorenz stabilisie­ren.

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