Damit die Türme nicht weiter wandern
Die Basilika St. Lorenz in Kempten wird für 6,5 Millionen Euro auf Vordermann gebracht
KEMPTEN - Es ist ein Gipfelerlebnis der besonderen Art – noch dazu eines, das es frühestens in 50 Jahren wieder geben wird: Die Sanierung der barocken Basilika St. Lorenz in Kempten führt Handwerker und Restauratoren derzeit am Gerüst hinauf bis zu den beiden Turmhelmen in 65 Metern Höhe. Dort warten spektakuläre Ausblicke, aber auch viel Arbeit: Bis 2020 beseitigen Fachleute statische Probleme und Fassadenschäden. „Insgesamt nehmen der Staat sechs Millionen und die Kirche 500 000 Euro in die Hand“, sagt Cornelia Bodenstab, Leiterin des Staatlichen Bauamtes Kempten.
Alles in allem attestiert Bodenstab dem ersten großen barocken Kirchenbau Süddeutschlands einen sehr guten Zustand. Und dennoch zwingt die Basilika die Behörde zum Handeln. Denn im Lauf der Jahre sind die mächtigen Türme um etliche Zentimeter auseinandergedriftet. „Schuld ist der teils labile Baugrund“, sagt Projektleiterin Angela Gehrke. Schließlich besteht der kleine Hügel, auf dem die bis zu zwei Meter starken Kirchenmauern fußen, teils aus dem Schutt des im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Klosters. Auch unterschiedliche Baumaterialien und der gesunkene Grundwasserspiegel beeinflussen die Statik, sodass starker Wind und sogar die läutenden Glocken die Türme leicht in Bewegung bringen.
30 Meter lange Zuganker aus Gewindestahl sollen verhindern, dass die mächtigen Türme des Kemptener Wahrzeichens weiter „wandern“. Das mit Beton ummantelte Metall mit einem Gesamtdurchmesser von etwa zehn Zentimetern wird auf zwei Ebenen verspannt. „Zusätzlich verbinden wir Türme und Langhaus, sodass auch auf dieser Achse keine Bewegung mehr möglich ist“, erläutert Gehrke. Ist das statische Problem beseitigt, folgt die Sanierung der Fassade. „Und natürlich packen wir alles andere an, was für den Erhalt relevant ist“, sagt Bodenstab – von den Traufbalken über die Sandsteinbalustraden bis zu den Turmhauben.
Wobei die Amtsleiterin den Spenglern des Jahres 1900 ein exzellentes Zeugnis ausstellt: „Die Kupferbleche von damals sind noch top in Schuss.“Erst vor gut 100 Jahren hatte die Kirche das oberste Turmgeschoss erhalten, auf das die Fürstäbte aus Geldmangel verzichtet hatten. Für die aktuelle Sanierung gibt es eine klare Kostenteilung: „Der Staat ist für den Substanzerhalt zuständig, die Kirche für Schmuck und Zier.“Dass der Freistaat die Baulast für die Basilika und die angrenze Residenz trägt, ist Folge der Einverleibung des Fürststiftes Kempten ins Königreich Bayern vor gut 200 Jahren. Fader Beigeschmack der Sanierung: Das Gerüst lockt immer wieder Jugendliche an, die nachts waghalsig nach oben klettern und Schäden anrichten.
Jüngst suchten auch Kirchendiebe St. Lorenz heim: Unbekannte stahlen Teile des Papstwappens über dem Portal, das an die Erhebung zur Basilika 1969 erinnert. Die Polizei fahndet – bislang erfolglos.