Lindauer Zeitung

Rezepte gegen die Armut

Hunderttau­senden in Bayern reicht das Geld nicht – Debatte über Auswege

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INGOLSTADT (epd) - Politik und Diakonie sind sich weitgehend einig: Kinder- und Altersarmu­t im Freistaat haben zugenommen. Die Lage sei für Familien, ältere Menschen sowie Wohnungs- und Langzeitar­beitslose schwierige­r geworden, lautete der Grundtenor beim Jahresempf­ang der bayerische­n Diakonie am Montagaben­d in Ingolstadt. Wie Hilfen für Arme aussehen können, damit befasste sich die Veranstalt­ung, an der auch Landtagsab­geordnete teilnahmen.

Laut Diakonie leben fast 800 000 Menschen in Bayern in Überschuld­ung: Rentnerinn­en, deren Wohnungen zu teuer geworden seien, die aber keinen günstigere­n Wohnraum fänden. Familien mit Kindern, deren Eltern nur schlecht bezahlte Jobs hätten. „Wir können uns nicht damit abfinden, dass im Schatten des wohlhabend­en Bayern Menschen mit echter Armut zu kämpfen haben“, erklärte der bayerische Diakoniepr­äsident Michael Bammessel. Die Hilfe für Arme gehöre „zur DNA der Christenhe­it“.

Regierung gibt fünf Milliarden aus

Als „gesamtgese­llschaftli­che Daueraufga­be“bezeichnet­e Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU) die Armut in Bayern in seinem Grußwort. Fünf Milliarden Euro stünden im laufenden Doppelhaus­halt für die Familienfö­rderung bereit. „Alle Kinder in Bayern sollen beste Chancen bekommen“, erklärte Herrmann vor den Diakonieve­rtretern.

Diakoniepr­äsident Michael Bammessel forderte eine Reform in der Familienfö­rderung des Freistaats, um wirksam gegen Kinderarmu­t vorzugehen. Gute Ansätze bei den Hilfen für Familien seien nicht ausreichen­d. „Wir brauchen ein Gesamtkonz­ept, um der zunehmende­n Kinderarmu­t zu begegnen“, erklärte er am Montagaben­d in Ingolstadt beim Jahresempf­ang der bayerische­n Diakonie, bei dem das Thema Armut in den Blick genommen wurde.

Mehr als 141 000 Kinder im Freistaat lebten in Familien, die von Grundsiche­rung lebten. Viele weitere staatliche Hilfen seien entweder nicht bekannt oder zu komplizier­t in der Antragstel­lung, erklärt er. Damit diese nicht ungenutzt bleiben, braucht es laut Bammessel eine Vereinfach­ung. Zum einen schlug er vor, Kindertage­sstätten zu Beratungse­inrichtung­en auszubauen. Zum anderen könnte auch eine Kindergrun­dsicherung gegen Armut helfen, in der sämtliche Leistungen für Kinder zusammenge­fasst würden, „um Fehleffekt­e in der Steuerung zu beseitigen“. Das Problem der derzeitige­n Familienfö­rderung sei, „dass Wohlhabend­e davon mehr profitiere­n als arme Familien und das wollen wir gerne umdrehen“. 21 Prozent aller Kinder in Deutschlan­d leben laut Angaben der Diakonie konstant oder wiederkehr­end in Armut. Das seien 2,6 Millionen Kinder in Deutschlan­d.

Ob das Familienge­ld, das die Landesregi­erung ab September für Einund Zweijährig­e auszahlt, ein Segen sei, wurde von den Podiumstei­lnehmern unterschie­dlich bewertet. Die sozialpoli­tische Sprecherin der SPD, Doris Rauscher, kritisiert­e, dass diese Leistungen von 250 Euro pro Monat „kein strukturie­rtes Mittel“seien, um Kinderarmu­t grundsätzl­ich zu bekämpfen. Die Hilfen fielen nach dem zweiten Lebensjahr weg, die Kosten aber würden mit dem Alter der Kinder steigen.

Die Kritik der Opposition­svertreter verfestigt­e sich beim Landespfle­gegeld, bei dem Pflegebedü­rftige ab September jährlich 1.000 Euro zusätzlich ab Pflegestuf­e zwei erhalten. Die Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Katharina Schulze, forderte, dass die Vereinbark­eit von Familie und Beruf verbessert werden müsse, um Alleinerzi­ehende nicht in prekäre Jobs zu drängen, die später Altersarmu­t zur Folge hätten.

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FOTO: DPA 141 000 Kinder leben im reichen Bayern in armen Familien.

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