Lindauer Zeitung

Mindestloh­n steigt auf 9,19 Euro

Ein zweiter Schritt zum 1. Januar 2020 bringt Anhebung auf 9,35 Euro

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - 51 Cent mehr in zwei Stufen: Die zuständige Kommission aus Arbeitgebe­rn, Gewerkscha­ften und Wissenscha­ftlern hat am Dienstag eine Anhebung des Mindestloh­ns auf 9,19 Euro zum 1. Januar 2019 und auf 9,35 Euro zwölf Monate später empfohlen. „Ich finde, das ist eine richtige Steigerung“, lobt Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) den Kommission­svorschlag und stellt klar, dass die Bundesregi­erung das Zweistufen­modell umsetzen werde.

Die Lohnunterg­renze wurde am 1. Januar 2015 gegen massiven Widerstand der Arbeitgebe­r eingeführt – zum Start lag sie bei 8,50 Euro. Alle zwei Jahre überprüft die Mindestloh­nkommissio­n die Höhe und orientiert sich dabei an der Entwicklun­g der Tariflöhne. Ihre Empfehlung wird von der Bundesregi­erung per Verordnung umgesetzt. Die erste Anhebung auf 8,84 Euro erfolgte zum 1. Januar 2017. Die Kommission ist unabhängig und hat neben den Tarifabsch­lüssen den Mindestsch­utz von Arbeitnehm­ern, faire Wettbewerb­sbedingung­en und den Erhalt von Jobs im Blick. Mit ihrer Empfehlung, den Mindestloh­n zum 1. Januar 2019 um 35 Cent anzuheben, folgt sie exakt der vom Statistisc­hen Bundesamt ermittelte­n Tariflohne­ntwicklung. Die Anhebung um weitere 16 Cent ein Jahr später ist ein Novum und berücksich­tigt bereits Lohnabschl­üsse aus dem ersten Halbjahr dieses Jahres.

Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r haben sich diesmal ungewöhnli­ch geräuschlo­s auf die Anhebung geeinigt, von der rund 1,4 Millionen Mindestloh­nbezieher profitiere­n werden. Es handele sich „um keinen politische­n Mindestloh­n“, da die selbstgese­tzten Regeln strikt eingehalte­n worden seien, erklärte BDA-Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter. Er rechtferti­gte auch die vorgezogen­e zweite Stufe, diese gebe den Betrieben „Planungssi­cherheit“. Experten sehen das Zweistufen­modell allerdings kritisch, weil dadurch Druck auf die Tarifpartn­er ausgeübt werde, bei Niedriglöh­nen nachzuzieh­en. Sozialverb­ände und Linksparte­i halten die 51 Cent mehr ab dem 1. Januar 2020 für viel zu wenig. Der Mindestloh­n bleibe ein Mangellohn, Erwerbs- und Altersarmu­t würden dadurch zementiert, so Linken-Bundestags­fraktionsv­ize Susanne Ferschl.

Scholz fordert zwölf Euro

Mit einer Forderung von zwölf Euro hatte Olaf Scholz (SPD) im November für Aufsehen gesorgt, bevor er Bundesfina­nzminister wurde. Das Konzept dahinter: Durch die massive Anhebung des Mindestloh­nes würden die Bezieher nicht nur deutlich mehr Geld in der Tasche haben, sondern auch deutlich höhere Beiträge in die Rentenkass­en einzahlen, wodurch sich Altersarmu­t eindämmen ließe. „Wir brauchen einen Mindestloh­n, der über 12 Euro liegt, um Armut wirksam zu bekämpfen“, verlangte etwa die Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK, Verena Bentele, am Dienstag. Die Arbeitgebe­r warnen, eine so deutliche Steigerung würde Jobs kosten und sehen den Mindestloh­n nicht als Instrument der Armutsbekä­mpfung.

Die Umgehung des Mindestloh­ns bleibt ein großes Problem. Die Zahl der Bezieher lag im April 2017 bei 1,4 Millionen, wie das Statistisc­he Bundesamt am Dienstag bekannt gab. 800 000 Beschäftig­te erhielten einen geringeren Lohn, obwohl sie eigentlich unter das Gesetz fallen. Nach Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) werden sogar zwei Millionen Beschäftig­te unterbezah­lt. Bundesfina­nzminister Scholz stockt das Personal beim Zoll, der für die Überwachun­g zuständig ist, in diesem Jahr um 1400 auf, damit häufiger kontrollie­rt werden kann. Das wird von den Arbeitgebe­rn unterstütz­t.

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FOTO: DPA Es ist vollbracht. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD, li.), nimmt von Jan Zilius, dem Vorsitzend­en der Mindestloh­nkommissio­n, den Bericht zum gesetzlich­en Mindestloh­n entgegen.

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