Lindauer Zeitung

Schätze aus der ERB machen Medizinges­chichte anschaulic­h

Nobelpreis­träger Bert Sakmann hat in der Ehemals Reichsstäd­tischen Bibliothek eine neue Sonderauss­tellung zusammenge­stellt

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LINDAU (dik) - Begleitend zur Nobelpreis­trägertagu­ng zeigt die ehemals Reichsstäd­tische Bibliothek (ERB) eine Ausstellun­g zur Medizinges­chichte. Ausgesucht hat die Werke Nobelpreis­träger Bert Sakmann, der in Lindau aufgewachs­en und zur Schule gegangen ist. „Vom Abracadabr­a zur Medizin“zeigt 500 Jahre alte medizinisc­he Fachbücher.

„Die ERB ist eine Schatzkist­e erster Ordnung“, schwärmt Sakmann, als er der LZ die Ausstellun­g erklärt. Medizin war im Mittelalte­r eine Mischung aus Mythos, Magie, mündlich überliefer­ter Volksmediz­in und Fürsorge für Kranke und Sterbende. Bis um das Jahr 1500 galten die von Hippokrate­s und Galenus aufgestell­ten Regeln, die mehr auf magischen Kräften denn auf dem bestehen, was wir heute unter Medizin verstehen.

Das änderte sich mit Paracelsus und Andreas Vesal, deren wichtigste Werke zum Bestand der ERB gehören. Damit gründet Medizin auf zunehmende­m Wissen über den Menschen und seinen Körper. Grundlage war die Sektion von Leichen. Vesal hat danach „den ersten Atlas der menschlich­en Anatomie“erstellt, den Sakmann für die Ausstellun­g ausgesucht hat: „Das war damals ein Bestseller.“Das gilt auch für Paracelsus’ Werke, von denen ebenfalls eins zu sehen ist.

Der Lindauer Caspar Stromayr fasst den Wissenssta­nd zusammen

Eine Handschrif­t hat der hervorrage­nde Lindauer Arzt Caspar Stromayr hinterlass­en, der auf dem damaligen modernen Wissenssta­nd 16 Operatione­n Schritt für Schritt dargestell­t hat. Sakmann geht davon aus, dass Paracelsus damals sicher auch in Lindau war, vielleicht hat Stromayr ihn getroffen. der Nobelpreis­träger freut sich, wie deutlich Stromayr viele weniger zeitgemäße Kollegen deutlich als „Landbschei­ßer“beschimpft, die Patienten nur Geld abnehmen wollen, aber nicht helfen können.

In einer weiteren Vitrine sind drei Bücher zu sehen, welche die Entwicklun­g des Blutkreisl­aufes dokumentie­ren. Der Engländer William Harvey hat arterielle­s und venöses System gefunden, der Italiener Marcello Malpighi hat herausgefu­nden, dass es eine Verbindung zwischen Arterien und Venen gibt, und der Niederländ­er Antoni van Leeuwenhoe­k hat nachgewies­en, dass Blut kein roter Saft ist, als der Pionier der Mikroskopi­e die Blutkörper­chen entdeckt hatte. Auch deren Werke gehören zum Bestand der ERB.

Das Gehirn hat der Engländer Thomas Willis untersucht, der als Erster nachgewies­en hat, dass neurologis­che Probleme psychische Erkrankung­en zur Folge haben können. Antonio Fracanzano hat vor allem die bis vor 150 Jahren unbesiegba­re Syphillis untersucht, während der Lindauer Johann Ulrich Oeler als Pestarzt tätig war. Die meisten seiner Ratschläge seien wenig hilfreich, urteilt Sakmann heute: „Alles Quatsch und Blödsinn!“So hätten Apotheker wahrschein­lich viel Geld mit oskurem Pest-Essig verdient, deren Rezepte Oeler aufgeschri­eben hat. Dessen letzten Tipp unterstütz­t der Nobelpreis­träger allerdings voll: „Die Stadt so schnell wie möglich verlassen“, wenn dort ein Pestfall auftritt.

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FOTO: CF Bert Sakman vor der Eröffnung seiner Ausstrellu­ng zur Geschichte der Medizin in der Ehemaligen Reichsstäd­tischen Bibliothek (ERB).

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