ZF lässt Lastwagen ohne Fahrer rangieren
Künftig soll Lade- und Rangierverkehr autonom laufen
FRIEDRICHSHAFEN - Die Vorstellung mutet etwas gespenstisch an: der Hof einer Spedition, Lkw fahren, Container werden beladen und abgeholt, Ware angeliefert. All das ohne einen einzigen Lastwagenfahrer. Genau an diesem Szenerio arbeiten ZFIngenieure – und wollen die Ergebnisse vor Ort in den Werken 1 und 2 in Friedrichshafen ausprobieren.
Transportsysteme ohne Fahrer gibt es in Speditionen, See- und Flughäfen schon lange. Doch bislang bewegen sich die Fahrzeuge auf fixen Strecken und fahren meist nach Plan nur hin und zurück. ZF will einen Schritt weiter gehen. Künftig sollen die Transporter selbstständig überholen und ausweichen und sich – bei einer Sperrung zum Beispiel – eine Ausweichroute suchen. Dafür muss jede Menge Technik an Bord: 360Grad-Kameras, Radar, lasergestütztes Lidar, der mit dem IT-Riesen Nvidia entwickelte Superrechner ZF Pro AI, der in allen Fahrzeugen als Schaltzentrale dient. GPS-Satellitensignale werden natürlich genutzt. Damit die vernetzte Kommunikation auch im GPS-Schatten, hinter Gebäuden etwa, funktioniert, legt ZF ein digitales Netz aus RFID-Tags aus, Sensoren, die die Position der sich autonom bewegenden Fahrzeuge in Sekundenbruchteilen an einen zentralen Rechner melden.
Diesen Prototyp eines autonomen Betriebshofs will der Konzern im September auf der Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover vorstellen. In dieser Woche können rund 160 Journalisten aus aller Welt, die ZF zu den „Technology Days“nach Friedrichshafen eingeladen hat, auf der Teststrecke im Werk 2 bereits einen Blick drauf werfen.
Die Idee des autonomen Betriebshofs verfolgt laut eines ZF-Sprechers mehrere Ziele: „Effizienz, Unfallvermeidung, Prozesssicherheit.“Hinzu komme, dass es immer schwerer werde, gute Lastwagenfahrer zu finden. Die immer weniger werdenden Trucker können sich künftig zumindest die Rangierarbeit beim Warenumschlag sparen.
Zuschlag für Friedrichshafen
Ein Dutzend Entwickler arbeitet derzeit am „Autonomen Betriebshof“, die Basistechnologien, also zum Beispiel Radar oder Lidar, sind ja im Konzern längst verfügbar. Im Zuge der Vereinbarungen zur Standortsicherung im Jahr 2016 hat Friedrichshafen den Zuschlag für das Thema autonomes Fahren im Nutzfahrzeug erhalten. Auch deswegen wird am See Schritt für Schritt die dazugehörige Modellfabrik entstehen, zunächst im Werk 2.
Ilker Sari, Leiter der ZF-Modellfabrik, sagt: „Wir wollen die Kompetenzen des ZF-Konzerns in der Elektromobilität, beim autonomen Fahren sowie in der Nutzfahrzeug- und Industrietechnik zusammenführen. Unsere Pilotprojekte dienen als Schaufenster in die Zukunft.“Dabei hat der Zulieferer, neben einer Verbesserung der eigenen Logistik, zwei potenzielle Kunden im Auge: Autobauer, aber auch Logistikunternehmen, die sich für das Gesamtkonzept des autonomen Betriebshofs made in FN interessieren.
Bei den „Technology Days“zeigen die Ingenieure anhand zweier Fahrzeuge, wie weit sie bereits sind: ein „Terminal Yard Tractor“, der Sattelzug-Auflieger rangieren kann und vollkommen autonom unterwegs ist, und der ZF-Innovation-Truck, der auch auf der IAA zu sehen sein wird. Ein Traxon-Hybrid-Gebtriebe ermöglicht ihm rein elektrisches Fahren auf dem Betriebshof, gelenkt wird elektrohydraulisch mit dem ZFProdukt Reax. Hinzu kommen die ganze Palette an Sensoren und der Rechner ZF Pro AI.
Maximal vier Zentimeter
Die Spezialität des ebenfalls komplett autonom fahrenden InnovationTrucks: Wechselbrückenmanöver, also das Abladen oder Aufladen eines Containers auf Stelzen. Zwei Zentimeter rechts, zwei links, weiter darf das Fahrzeug nicht abweichen. An der Aufgabe scheitert bisher so mancher erfahrene Trucker.