Lindauer Zeitung

ZF lässt Lastwagen ohne Fahrer rangieren

Künftig soll Lade- und Rangierver­kehr autonom laufen

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Vorstellun­g mutet etwas gespenstis­ch an: der Hof einer Spedition, Lkw fahren, Container werden beladen und abgeholt, Ware angeliefer­t. All das ohne einen einzigen Lastwagenf­ahrer. Genau an diesem Szenerio arbeiten ZFIngenieu­re – und wollen die Ergebnisse vor Ort in den Werken 1 und 2 in Friedrichs­hafen ausprobier­en.

Transports­ysteme ohne Fahrer gibt es in Speditione­n, See- und Flughäfen schon lange. Doch bislang bewegen sich die Fahrzeuge auf fixen Strecken und fahren meist nach Plan nur hin und zurück. ZF will einen Schritt weiter gehen. Künftig sollen die Transporte­r selbststän­dig überholen und ausweichen und sich – bei einer Sperrung zum Beispiel – eine Ausweichro­ute suchen. Dafür muss jede Menge Technik an Bord: 360Grad-Kameras, Radar, lasergestü­tztes Lidar, der mit dem IT-Riesen Nvidia entwickelt­e Superrechn­er ZF Pro AI, der in allen Fahrzeugen als Schaltzent­rale dient. GPS-Satelliten­signale werden natürlich genutzt. Damit die vernetzte Kommunikat­ion auch im GPS-Schatten, hinter Gebäuden etwa, funktionie­rt, legt ZF ein digitales Netz aus RFID-Tags aus, Sensoren, die die Position der sich autonom bewegenden Fahrzeuge in Sekundenbr­uchteilen an einen zentralen Rechner melden.

Diesen Prototyp eines autonomen Betriebsho­fs will der Konzern im September auf der Nutzfahrze­ugmesse IAA in Hannover vorstellen. In dieser Woche können rund 160 Journalist­en aus aller Welt, die ZF zu den „Technology Days“nach Friedrichs­hafen eingeladen hat, auf der Teststreck­e im Werk 2 bereits einen Blick drauf werfen.

Die Idee des autonomen Betriebsho­fs verfolgt laut eines ZF-Sprechers mehrere Ziele: „Effizienz, Unfallverm­eidung, Prozesssic­herheit.“Hinzu komme, dass es immer schwerer werde, gute Lastwagenf­ahrer zu finden. Die immer weniger werdenden Trucker können sich künftig zumindest die Rangierarb­eit beim Warenumsch­lag sparen.

Zuschlag für Friedrichs­hafen

Ein Dutzend Entwickler arbeitet derzeit am „Autonomen Betriebsho­f“, die Basistechn­ologien, also zum Beispiel Radar oder Lidar, sind ja im Konzern längst verfügbar. Im Zuge der Vereinbaru­ngen zur Standortsi­cherung im Jahr 2016 hat Friedrichs­hafen den Zuschlag für das Thema autonomes Fahren im Nutzfahrze­ug erhalten. Auch deswegen wird am See Schritt für Schritt die dazugehöri­ge Modellfabr­ik entstehen, zunächst im Werk 2.

Ilker Sari, Leiter der ZF-Modellfabr­ik, sagt: „Wir wollen die Kompetenze­n des ZF-Konzerns in der Elektromob­ilität, beim autonomen Fahren sowie in der Nutzfahrze­ug- und Industriet­echnik zusammenfü­hren. Unsere Pilotproje­kte dienen als Schaufenst­er in die Zukunft.“Dabei hat der Zulieferer, neben einer Verbesseru­ng der eigenen Logistik, zwei potenziell­e Kunden im Auge: Autobauer, aber auch Logistikun­ternehmen, die sich für das Gesamtkonz­ept des autonomen Betriebsho­fs made in FN interessie­ren.

Bei den „Technology Days“zeigen die Ingenieure anhand zweier Fahrzeuge, wie weit sie bereits sind: ein „Terminal Yard Tractor“, der Sattelzug-Auflieger rangieren kann und vollkommen autonom unterwegs ist, und der ZF-Innovation-Truck, der auch auf der IAA zu sehen sein wird. Ein Traxon-Hybrid-Gebtriebe ermöglicht ihm rein elektrisch­es Fahren auf dem Betriebsho­f, gelenkt wird elektrohyd­raulisch mit dem ZFProdukt Reax. Hinzu kommen die ganze Palette an Sensoren und der Rechner ZF Pro AI.

Maximal vier Zentimeter

Die Spezialitä­t des ebenfalls komplett autonom fahrenden Innovation­Trucks: Wechselbrü­ckenmanöve­r, also das Abladen oder Aufladen eines Containers auf Stelzen. Zwei Zentimeter rechts, zwei links, weiter darf das Fahrzeug nicht abweichen. An der Aufgabe scheitert bisher so mancher erfahrene Trucker.

 ?? FOTO: ZF ?? Fährt komplett autonom: ein „Terminal Yard Tractor“.
FOTO: ZF Fährt komplett autonom: ein „Terminal Yard Tractor“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany