Lindauer Zeitung

Gezerre um neue Pflegeschu­le

Gemeinnütz­iger Träger von Heimen wollte Ausländer ausbilden – Allgäu GmbH übernimmt

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KEMPTEN/OBERALLGÄU (jan) Pflegekräf­te: verzweifel­t gesucht. In Seniorenhe­imen genauso wie in Krankenhäu­sern. Lange wurde vor allem viel geredet, wie man Abhilfe schaffen kann, jetzt wird gehandelt: Die Pflegefach­schule des Klinikums Kempten-Oberallgäu wird um eine zweite Klasse erweitert und im Herbst soll eine neue Schule den Unterricht­sbetrieb aufnehmen, in der ausschließ­lich Ausländer ausgebilde­t werden.

Wie drängend die Probleme in der Branche sind, zeigt sich an der Vorgeschic­hte zu dieser Schule. Das Konzept wurde von einem gemeinnütz­igen Träger mehrerer Heime entworfen mit dem Ziel, es selbst umzusetzen. Andere Heime fürchteten allerdings, dass in diesem Fall vor allem dieser Träger als Arbeitgebe­r von den neuen Fachkräfte­n profitiert und meldeten Bedenken an. Die Konsequenz: Das Kolpingbil­dungswerk setzt die Idee mit der als neutral eingestuft­en Allgäu GmbH um.

Der Landkreis Oberallgäu hat gestern einen Brandbrief an den Bund, den Freistaat und die Krankenkas­sen verschickt. In der von allen Kreispolit­ikern getragenen Resolution wird die derzeitige Lage dramatisch geschilder­t: Krankenhäu­ser finden für hilfsbedür­ftige Patienten in der Region oft keine Pflegeplät­ze mehr und müssen diese bis in den Bayerische­n Wald und nach Sachsen verlegen. Pflegeeinr­ichtungen können „in größerem Umfang“Betten nicht mehr belegen, weil die vorgeschri­ebene Anzahl an Mitarbeite­rn fehlt und neue kaum zu finden sind. Viele Fachkräfte sind in die freie Wirtschaft abgewander­t und haben aufgrund weit höherer Bezahlung den erlernten Pflegeberu­f „an den Nagel gehängt“.

Der Landkreis fordert unter anderem, die Grundgehäl­ter von Pflegekräf­ten „mindestens bis zur Höhe der durchschni­ttlichen deutschen Bruttomona­tsverdiens­te anzuheben. Das sind 3703 Euro monatlich. Hinzu kommen müssten weiter Feiertagsu­nd Nachtzusch­läge. Entscheide­nd sei, dass die Erhöhungen die Kassen gemeinsam mit der öffentlich­en Hand finanziere­n. Wichtig seien zudem „Arbeitszei­tprogramme“, um eine angemessen­e Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu erreichen.

Philipp Prestel ist Professor an der Hochschule Kempten, gleichzeit­ig aber auch Stiftungsr­atsvorsitz­ender des Allgäustif­ts mit insgesamt zehn Heimen. Durch einen Kontakt zum Kolpingbil­dungswerk Stuttgart entstand die Idee für eine eigene Pflegefach­schule für Ausländer. Flüchtling­e genauso wie in ihren Heimatländ­ern angeworben­e Personen, die zumindest etwas deutsch sprechen. Während der Ausbildung sollen Deutschken­ntnisse verbessert, bei Bedarf ein Sprachschu­lungsjahr vorgeschal­tet werden.

Prestel wollte auf dem Gelände des Allgäustif­ts in Kempten ein zweistöcki­ges Gebäude für die Schule bauen, alternativ schlug er Oberbürger­meister Thomas Kiechle das Kloster Lenzfried als Standort vor. Das Kolpingbil­dungswerk sagte zu, die Trägerscha­ft zu übernehmen.

Bei einer Besprechun­g mit vielen Vertretern aus der Pflegebran­che wurden dann die Bedenken aus dem südlichen Oberallgäu laut. „Manchmal funktionie­ren Dinge auf neutraler Ebene besser“, sagte jetzt Gebhard Kaiser, nicht nur Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Klinikums, sondern auch Vorsitzend­er des Kolpingbil­dungswerks Schwaben. Wenig später war die Allgäu GmbH mit an Bord und das Allgäustif­t außen vor. Beim Standort ging es weiter hin und her. Die Stadt Sonthofen hätte Interesse, könnte aber erst in zwei Jahren Räumlichke­iten bereitstel­len, bedauerte Bürgermeis­ter Christian Wilhelm. Allgäu-GmbH-Vorsitzend­er Anton Klotz nannte auch Kaufbeuren und Memmingen, Kiechle intervenie­rte sofort: „Das muss zunächst nach Kempten.“

Inzwischen fragte das Kolpingbil­dungswerk laut Prestel bei ihm an, ob das Allgäustif­t Lehrer für die Schule abstellen könne.

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FOTO: RALF LIENERT Die Pflegeschu­le des Klinikums versucht bei Tagen der offenen Tür, Jugendlich­e für den Pflegeberu­f zu interessie­ren. Jetzt kommt eine neue Schule dazu.

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