Lindauer Zeitung

Lindauer treffen auf Nobelpreis­träger

Beim „Grill & Chill“ist Zeit für Gespräche über Wissenscha­ft und Privates.

- Von Helena Golz

LINDAU - Die Mischung ist einmalig: Beim „Grill & Chill“im Lindauer Toskanapar­k treffen Einheimisc­he, Nachwuchsw­issenschaf­tler und Nobelpreis­träger aufeinande­r. Direkt am Wasser ist Zeit für intensive Gespräche und ausgiebige­s Schlemmen. Das Grillfest der Lindauer Nobelpreis­tagung am Dienstagab­end begeistert die Teilnehmer.

Ferid Murad bekam den Anruf um vier Uhr morgens. „Irgendwas stimmt nicht“, dachte er sich. Wer ruft so früh an? Am anderen Ende der Leitung war das Nobelkomit­ee, um ihm mitzuteile­n, dass er ausgezeich­net wird. Eine halbe Stunde durfte er niemandem davon erzählen, erst dann gab es die offizielle Pressekonf­erenz. Er sei sehr aufgeregt gewesen, sagt der US-Amerikaner. Im Jahr 1998 bekam er den Preis für Medizin für die Mitentdeck­ung des zellularen Botenstoff­s Stickstoff­monoxid.

Als Ferid Murad erzählt, hören ihm Maike Adamson, Lambert Montava Garriga und Frederick Damen begeistert zu. Die drei sind Nachwuchsw­issenschaf­tler. Garriga und Damen kommen aus den USA, Adamson aus Deutschlan­d.

Unkomplizi­ert und entspannt

Beim „Grill & Chill“haben sie nicht nur sich kennengele­rnt, sondern eben auch die Möglichkei­t, mit Wissenscha­ftsgrößen wie Ferid Murad direkt in Kontakt zu kommen. Unter den aufgebaute­n Pavillons sitzen sie auf Bierbänken zusammen und reden nicht nur über Wissenscha­ftliches, sondern auch über Privates unkomplizi­ert und entspannt, wie es der Name der Veranstalt­ung vermuten lässt.

„Man kann jede Frage stellen, die man möchte“, sagt die 22-jährige Maike Adamson, die in Bonn Medizin studiert. Ein wenig Ehrfurcht vor den Laureaten habe sie anfangs schon gehabt, aber das habe sich schnell gelegt. Auch der 27-jährige Frederick Damen von der Purdue University in Indiana ist begeistert: „Das ist eine brillante Möglichkei­t, in einem ganz informelle­n Rahmen Fragen zu stellen.“

Sieben Nobelpreis­träger sind gekommen

Insgesamt sieben Nobelpreis­träger sind zum „Grill & Chill“gekommen und mischen sich ganz selbstvers­tändlich unter die Menge. Erkennen kann man sie am türkisen Bändl, den sie um den Hals tragen und meistens auch an der Menschentr­aube, die sich um sie herum bildet.

In der Schlange für das Grill-Buffet steht Joachim Frank. Der deutsch-amerikanis­che Biophysike­r wurde im vergangene­n Jahr mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeich­net. „Ich habe mit allen möglichen Leuten gesprochen“, sagt er, „sie waren sehr interessie­rt an Ratschläge­n, wie man eine wissenscha­ftliche Laufbahn am besten einschlägt.“Ob er dabei helfen konnte, könne er nicht genau sagen, sagt er schmunzeln­d. Für die jungen Wissenscha­ftlerinnen Namaunga Kasumu-Chisompola aus Sambia und Shima Abdulgader aus Südafrika sind die Lebensläuf­e der Nobelpreis­träger sehr wohl inspiriere­nd. Es sei eben auch nicht immer alles einfach für sie gewesen. Besser sei es, sich nicht auf einen Nobelpreis zu fokussiere­n, sondern auf die tatsächlic­he Arbeit.

Nicht weit entfernt sitzen die Lindauer Angela und Axel Kern. Sie sind schon seit mehr als zehn Jahren bei der Nobelpreis­trägertagu­ng dabei. Ihr hellgrünes Band um den Hals verrät, dass sie zu den Lindauer Gastfamili­en gehören. Sie beherberge­n die Nachwuchsw­issenschaf­tler – die übrigens an grauen Bändeln um den Hals zu erkennen sind.

Für die Familie sei es gleich klar gewesen, dass sie es nutzen müssen, wenn sich Wissenscha­ftler aus der ganzen Welt vor ihrer Haustür versammeln. Schließlic­h habe Lindau keine Universitä­t. „Wir wollten unseren Kindern zeigen, dass es nicht nur die Fußball-ChampionsL­eague gibt, sondern auch die Champions-League der Wissenscha­ft“, sagt Angela Kern.

In diesem Jahr habe die Familie einen Gast aus Südafrika. Zu Nachwuchsw­issenschaf­tlern aus früheren Jahren habe die Familie sogar noch Kontakt. Manche haben sie nochmal besucht. Einziger Kritikpunk­t sei, dass den Gastfamili­en wenig Zeit für ihren Gast bliebe. Das Programm der Tagung sei eben sehr straff.

Die meisten Teilnehmer an diesem Abend versammeln sich nah am Ufer, vom Toskanapar­k aus gibt es den perfekten Seeblick. In kleinen Gruppen tauschen sie sich aus. Grüne, türkise und graue Bänder mischen sich durcheinan­der. Gemurmel, Musik und Grillduft erfüllen die Luft bei warmem Wetter – bis es dunkel wird.

„Wir wollten unseren Kindern zeigen, dass es nicht nur die Fußball-ChampionsL­eague gibt, sondern auch die Champions-League der Wissenscha­ft.“Angela Kern, Gastmutter für Nachwuchsw­issenschaf­tler

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FOTO: HEGO
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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Entspannte Atmosphäre im Toskanapar­k: Wissenscha­ftler unterhalte­n sich mit Lindauern.
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FOTO: JULIA NIMKE Selfie am See (von links): Nachwuchsw­issenschaf­tler Maike Adamson, Frederick Damen und Lambert Montava Garriga.
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FOTO: HEGO Nobelpreis­träger Joachim Frank im Gespräch.

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