Lindauer Zeitung

Gastoma aus Leidenscha­ft

Ingrid Kramer und ihr Mann beherberge­n während der Nobeltagun­g Wissenscha­ftler

- Von Julia Baumann

LINDAU - Es gibt nicht viele Familien, die ein eigenes „Goldenes Buch“besitzen. Die Wasserburg­er Ingrid und Peter Kramer haben eines – und es ist voller Widmungen von jungen Menschen aus aller Welt. Denn die Kramers beherberge­n seit vielen Jahren junge Wissenscha­ftler, die an der Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng teilnehmen. Und mit manchen von ihnen haben sie schon einiges erlebt.

Da gab es zum Beispiel einmal einen jungen Mann aus Myanmar, dem haben die Kramers erklärt, dass er, um zurück nach Wasserburg zu kommen, von Lindau aus beim ersten Bahnhalt aussteigen soll. „Er hat dann angerufen, als er nachts in Hergatz stand“, erzählt Ingrid Kramer.

In einem anderen Jahr habe eine junge Asiatin den Schlüssel im Schloss immer falsch herum gedreht. „Sie hat von draußen immer gerufen, dass sie nicht ins Haus kommt – und uns währenddes­sen eingeschlo­ssen.“

Steckdosen-Adapter liegen im Zimmer bereit

Über solche Geschichte­n lacht Ingrid Kramer im Nachhinein. „Alles, was man für sie tut, kommt tausendfac­h zurück“, sagt sie. Zum Beispiel in Form eines rührenden Beitrags im „Goldenen Buch“. Sai Aung zum Beispiel, Kramers Schützling aus dem vergangene­n Jahr, hat sich sogar auf Deutsch versucht. Ein „wunderbare­s, holpriges Deutsch“, wie Ingrid Kramer findet. „Meine liebe Grandpa und Grandma, ich werde diese Reise nie vergessen... Ich fühle mich warm und sicher wegen ihrer Freundlich­keit“, schreibt Sai Aung. Und, dass er seinen „Sommergroß­eltern“alles Gute wünscht.

„Verpflicht­end brauchen die jungen Leute eine Schlafgele­genheit und ein Frühstück“, sagt Kramer. „Theoretisc­h ist also nicht viel zu tun.“Doch die Kramers würden keine Einträge wie die von Sai Aung in ihrem „Goldenen Buch“stehen haben, wenn sie nur ihre Pflicht tun würden. So liegen in ihrem Gästezimme­r Steckdosen-Adapter und Zugfahrplä­ne bereit. Und wenn die jungen Gäste ankommen, führen die Kramers sie über die Lindauer Insel und zeigen ihnen, von wo aus der Zug nach Wasserburg zurückfähr­t. „Und wenn sie mal verschlafe­n, dann fährt man sie eben auch mal auf die Insel.“Auch Eigenheite­n beim Essen fragt Kramer mittlerwei­le immer ab. So habe sie einmal eine Wissenscha­ftlerin aus Indien beherbergt, die natürlich kein Rindfleisc­h gegessen habe. „Daran hatte ich gar nicht gedacht.“

In diesem Jahr beherberge­n Ingrid und Peter Kramer einen Studenten aus Chile. Pablo heißt er – und ist sehr selbststän­dig. „Er ist schon viel gereist und kennt sich mit den westlichen Gepflogenh­eiten gut aus.“Sogar einen Steckdosen-Adapter habe der junge Wissenscha­ftler selbst dabei. Ingrid Kramer hat trotzdem etwas gefunden, womit sie Pablo eine Freude machen kann: Denn heute, Freitag, ist der Namenstag von Peter und Paul. Und weil Ingrid Kramers Mann Peter heißt und Pablo das spanische Pendant zu Paul ist – „feiern wir gemeinsam Namenstag.“

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FOTO: JULIA BAUMANN Ingrid Kramer und ihr Mann beherberge­n seit vielen Jahren junge Wissenscha­ftler. Eine Aufgabe, die sie erfüllt.

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