Lindauer Zeitung

Wissenscha­ftselite feiert bei Bier und Blasmusik

Zum bayerische­n Abend der Nobelpreis­trägertagu­ng kommen die Teilnehmer in landestypi­scher Tracht

- Von Helena Golz

LINDAU - Der bayerische Abend der 68. Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng steht unter einem weiß-blauen Stern. Bei Brezeln, Bier und Blasmusik kommen die Tagungstei­lnehmer zusammen. Gleichzeit­ig könnte der Abend nicht internatio­naler sein. Denn neben Dirndl und Lederhose sieht man auch indische, chinesisch­e oder afrikanisc­he Trachten. Kulturaust­ausch ist vorprogram­miert.

Als die Tänzer der Hinterberg­er Musikanten die Bühne der Inselhalle stürmen und einen Sterntanz aufführen, staunen die Gäste. „So was kenne ich nur aus dem Fernsehen“, sagt Qiaoshi Lian, Student des Shanghai Institute of Biochemist­ry und Cell Biology. Sofort zückt er sein Handy und filmt die Szene für die Kommiliton­en daheim. Als die Tänzer dann den Schuhplatt­ler aufs Parkett bringen, ist er völlig baff. „Ich liebe die Musik und die Outfits“, ruft er.

Anand Vaidya sitzt am Tisch nebenan. Er studiert an der Yale University in den USA, kommt aber aus Indien. Der Tanz sei schon ein wenig komisch, sagt er lachend, „aber auf der anderen Seite: Wir haben Bollywood“. Das wirke bestimmt auch verrückt auf Außenstehe­nde. Die Lindauer Inselhalle platzt an diesem Abend beinah aus allen Nähten. An langen Tischen sitzen Nachwuchsw­issenschaf­tler neben Nobelpreis­trägern und Gastfamili­en.

Kulinarisc­h ist es natürlich bayerisch gehalten. Fleischkäs­e und Semmelknöd­el sind am begehrtest­en, genauso wie das Helle. Insgesamt 400 Liter davon haben die Wirte verplant. Dazu kommen nochmal 300 Liter Weißbier.

Mittendrin im Trubel: Kultusmini­ster Bernd Sibler, nicht in Tracht, dafür aber mit Dialekt. Er sei sehr stolz, dass er Menschen aus der ganzen Welt in Lindau begrüßen dürfe, sagt er in seiner Ansprache. Bayern sei einer der führenden Wissenscha­ftsstandor­te Europas. Dass die großen Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts jetzt in Lindau debattiert würden, freue ihn sehr.

Harald zur Hausen, deutscher Nobelpreis­träger aus dem Jahr 2008, trägt ebenfalls keine Tracht. Bei der Kleiderwah­l habe er seine Frau konsultier­t. Als beide sich ihn in Lederhose vorgestell­t haben, sei erst seine Frau skeptisch geworden, dann er. Also habe er sich auf ein blau-weißes Hemd beschränkt. Nobelpreis­träger Tim Hunt nimmt es bei der Kleiderwah­l ganz gelassen. Der Brite trägt Hawaii-Hemd zu Segelschuh­en. Was anderes hatte er nicht zur Auswahl: „Ich habe meinen Koffer verloren“, sagt er. In der Hand hält er eine Tüte, darin sind gerade noch neu gekaufte Socken. „Die werden mich immer an Lindau erinnern“, scherzt er.

Tim Schilling, Student an der Universitä­t Tübingen, ist hingegen in kariertem Hemd und Lederhose gekommen. Er habe schon auf einigen Fotos posieren müssen, sagt er. Gleichzeit­ig sei es natürlich auch spannend zu sehen, was die anderen traditione­ll in ihrer Heimat tragen. Nicht nur wegen der Kleidung kommen die Wissenscha­ftler schnell ins Gespräch, sondern auch wegen der Bändl, die um ihren Hals hängen und sie als Teilnehmer der Tagung verraten: „Die Leute sind schon vom ersten Tag an sehr herzlich“, sagt Tim Schilling. „Wenn man durch die Stadt geht mit seinem Bändl, wird man gleich begrüßt.“

Insgesamt merkt man, dass die Stimmung an diesem vorletzten Tag der Tagung sehr gelassen ist. Die Wissenscha­ftler haben schon fast eine ganze Woche zusammen verbracht. Richtige Freundscha­ften scheinen entstanden und Kulturgren­zen übersprung­en zu sein.

Maude Giroud aus Frankreich zum Beispiel schnappt sich einen Tanzpartne­r und tanzt im Dirndl fröhlich zur Musik der Hinterberg­er Musikanten. „Das ist die unterhalte­ndste Musik überhaupt“, ruft sie danach. Nebenbei sagt sie scherzhaft: „Hier schaut ihr auf die nächste Nobelpreis­trägerin.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Mit Dirndl und Sari aufs Foto: Die Erinnerung an den bayerische­n Abend halten die Teilnehmer auf Gruppenbil­dern fest.

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