Lindauer Zeitung

Regierungs­krise in Berlin verschärft sich

CSU-Chef Seehofer widerspric­ht der Kanzlerin – Merkel: „Sehr ernste Situation“

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BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Die CSU hat die Konfrontat­ion mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Asylstreit nochmals verschärft. Parteichef Horst Seehofer bewertete deren Verhandlun­gsergebnis­se beim EU-Gipfel sehr kritisch. Sie seien nicht wirkungsgl­eich mit den von der CSU verlangten Zurückweis­ungen an der deutschen Grenze, sagte der Bundesinne­nminister – wie aus Teilnehmer­kreisen verlautete – am Sonntag in einer Vorstandss­itzung in München. Das CDU-Präsidium stellte sich dagegen geschlosse­n hinter Merkels Pläne. Bis 22 Uhr blieb ungewiss, was die erneute Eskalation für den Bestand der Koalition bedeuten könnte. De facto hat sich die Regierungs­krise, entgegen des Eindrucks vom Freitag, nun weiter verschärft.

Seehofer nannte die EU-Beschlüsse kein „wirkungsgl­eiches Surrogat“, also keinen gleichwert­igen Ersatz, zu den nationalen Maßnahmen. Er widersprac­h Merkel damit direkt. Die Kanzlerin hatte am Sonntagnac­hmittag im ZDF zur Frage, ob die Forderunge­n der CSU erfüllt seien, gesagt: „In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlosse­n haben, ist das wirkungsgl­eich.“

Beim Gipfel in Brüssel hatte sich die EU auf weitere Verschärfu­ngen der Migrations­politik verständig­t. So sollen Bootsflüch­tlinge in zentralen Sammellage­rn in der EU untergebra­cht werden. Merkel erhielt nach eigenen Angaben zudem Zusagen mehrerer Länder, über schnellere Rückführun­gen von Migranten zu verhandeln. Dies dementiert­en jedoch am Wochenende Ungarn, Tschechien und Polen.

Außerdem wurden am Samstag zusätzlich­e Asyl-Vorschläge Merkels bekannt. Einen davon lehnte Seehofer offenbar postwenden­d ab. Merkel hatte angeregt, anderswo in der EU registrier­te Flüchtling­e in den geplanten „Ankerzentr­en“in Deutschlan­d unterzubri­ngen. „Es ist noch viel zu tun“, betonte Seehofer. Er hatte noch am Samstagabe­nd mit Merkel unter vier Augen gesprochen, das Gespräch bezeichnet­e er angeblich als „wirkungslo­s“. Merkel sprach von einer „sehr ernsten Situation“.

Im ZDF ging die Kanzlerin nicht auf die Frage ein, ob sie Seehofer notfalls als Minister entlassen würde. Für heute ist eine Sitzung der Unionsfrak­tion im Bundestag geplant.

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