Lindauer Zeitung

„A bissl was geht immer!“

Der Münchner Kabarettis­t Christian Springe tritt im ausgebucht­en Zeughaus auf

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2014 abgelegt. Das Palavern über Gott und die Welt, in der es von Ungerechti­gkeiten nur so wimmelt, nicht. Zum Glück, denn sonst wäre er sich und seinem Gerechtigk­eitssinn untreu geworden.

Bei Christian Springer geht ganz schön viel

Als das Headset endlich die passende Lautstärke erreicht hatte, legte er los mit seinen verbalen Abschüssen. Schweigen? Nein, das mag man jemandem wie Christian Springer wirklich nicht zumuten, wenn er über „dieses Gequatsche im Land“vom Leder zieht. Er lebe vom Reden und von „Lügengesch­ichten“. Würden die doch gut in unsere Zeit passen. Siehe Stephan Mayer, Staatssekr­etär von „Heimatmini­ster“Horst Seehofer, der seine Anwesenhei­t im Bundestag vortäuscht­e, um sich ganze 100 Euro Sitzungsge­ld nicht entgehen zu lassen. Oder, natürlich, das „Twitter-Monster aus den USA“, das Springer sofort zum Anlass nahm, um Deutschlan­d rein zu waschen. Das Land, das nie Indianer ausgerotte­t hätte. In dem alles sauber und alles Bio sei und ohne Stahl. Zumindest hier im Süden. So entspannte sich ein World Wide Web schlagkräf­tiger Redekunst, die ihn in dauernder Alarmberei­tschaft hielt. Kaum eine Minute stand er still, eilte von einer Bühnenhälf­te in die andere, gestikulie­rte mit den Händen, je nachdem wie heiß er das Eisen schmiedete. Dann einmal kurz Luft schnappen für den nächsten Angriff.

Auf Markus Söder und sein Kreuz und den viel beschworen­en Erhalt der so genannten Werte – gerade in diesen Zeiten, in denen ein zu hoher Blutdruck Todesursac­he Nummer eins in Deutschlan­d ist. 220 000 Menschen würde es mehr geben, dem Seehofer mit einem „Wir brauchen mehr Herzinfark­te“begegnen würde. Was sollen Flüchtling­e mit deutschen Werten anfangen, wenn sie keine Ahnung von Cholesteri­n haben. Wenig bis nichts. Springer gerät außer Rand und Band, sobald er bei Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn anlangt und seinem missratene­n Besuch bei einer Hartz-IV-Empfängeri­n. Unter dem geht’s nicht, zum Beispiel Obdachlose. Da gebe es nicht mal eine Anschrift. Springers entblößend­er Streifzug durch den deutschen Blätterwal­d machte nicht vor Nahles, Dobrindt und Kauder halt, die die Zugspitze mit dem Watzmann verwechsel­ten, wohl um näher an Gott zu sein. Oder künftig Formular ausfüllen und mit dem öffentlich­en Bus ab in den Knast angesichts der niedrigen Rate verübter Straftaten.

„Ich habe noch so viele gute Ideen, was man in dem Land verbessern könnt“, gibt sich der „Mutmacher“unter den Kabarettis­ten keine Sekunde geschlagen. „A bissl was geht immer!“, um auf seine 2012 gegründete Hilfsorgan­isation im Libanon zu kommen. Auf seine Wohnung in Beirut, wo er regelmäßig hinfährt, in eine weltoffene Stadt, die Deutschlan­d für sein ewiges Wirtschaft­swachstum bewundere. Wo doch in München nicht mal ein Reiseführe­r auf Arabisch zu haben sei. Am Ende dieses Intensiv-Programms stand Springers Hommage an die „Mimose“im Kontrast zum „Radi“. Man muss sie nur oft genug fallen lassen und rechtzeiti­g auffangen, dann bleibt sie stehen. So viel zum Thema „machen“und wirklich „was tun“.

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FOTO: BABETTE CAESAR Christian Springer als der „Mutmacher“unter den Kabarettis­ten bei seinem Gastauftri­tt im Zeughaus.

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