Lindauer Zeitung

Der Unruhestif­ter

Horst Seehofer ist ein Machtkämpf­er aus Überzeugun­g – Jetzt wollte er es noch einmal wissen

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Rücktritt. Horst Seehofer hat ihn zumindest angeboten, so viel steht fest. Müde sah er da aus, wie ein abgekämpft­er Krieger. Viele dachten, dies sei sei die letzte große Politiksch­lacht des CSU-Chefs. Doch kurz nach 22 Uhr kommt Seehofer aus den Verhandlun­gen mit der CDU und Angela Merkel und verkündet: „Es lohnt sich, für eine Überzeugun­g zu kämpfen.“Die Einigung sei da.

69 Jahre alt wird er in der nächsten Woche, und er hat schon einige Schlachten geschlagen in seinem politische­n Leben. 47 Jahre in der CSU, 28 Jahre lang im Bundestag, drei Jahre Staatssekr­etär, zehn Jahre Bundesmini­ster, zehn Jahre bayerische­r Ministerpr­äsident.

Schon oft hat Seehofer über sich und die Politik nachgedach­t. Etwa 2002 nach einer Herzmuskel­entzündung, nach der er kürzer treten sollte. Oder 2015, als er vage seinen Rückzug als Ministerpr­äsident ankündigte. Doch als es so weit war, als er sein Amt an Markus Söder übergeben musste, da blieb er selbst Parteichef und rettete seine Karriere, indem er als Innenminis­ter nach Berlin ging.

Das Strahlende verloren

Seitdem aber wirkt er angeschlag­en. Das Unbefangen­e, das er selbst in Krisenzeit­en immer ausstrahlt­e, ist im Berliner Betrieb verloren gegangen. Horst Seehofer war Meister darin, die Lufthoheit über den Stammtisch­en zu erobern. Eine seismograp­hische Begabung sprechen ihm jene zu, die ihm wohlwollen. So ist es kein Wunder, dass man von Kiel bis Konstanz auch heute immer wieder hört: Der Seehofer hat doch recht.

Vor allem aber ist der Innenminis­ter unerbittli­ch, wenn er seinen Kurs durchsetze­n will. Seit 2015 ist Seehofer überzeugt, es gehe um die Existenz der Unionspart­eien, wenn die Asylpoliti­k nicht korrigiert werde. Die Asylpoliti­k wurde längst korrigiert, doch der gebürtige Ingolstädt­er kämpft weiter.

Der Anlass, der Streit um Punkt 27 c seines Masterplan­s, ist so minimal, dass viele Politiker überzeugt sind, dass es nicht alleine diese Asylfrage ist, die Seehofer in den offenen Kampf gegen Merkel geführt hat. Es gibt viele alte Verletzung­en, und zur Vorgeschic­hte gehört auch der Streit um die Kopfpausch­ale im Gesundheit­swesen. Dieser neoliberal­en Idee von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), nach der jeder den gleichen Kassenbeit­rag zahlen soll, trat er damals entschiede­n entgegen. Er verlor den Kampf, CDU und CSU stellten sich hinter Merkels Konzept und Seehofer trat als Gesundheit­sexperte der Fraktion zurück.

Am Ende aber gewann er den Kampf in der Sache: Die Kopfpausch­ale wurde nie eingeführt. Das erzählte Seehofer vor drei Jahren auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise immer wieder gerne. Keine Frage, er behält auch sehr gerne recht. Dann lacht er herzlich und zischend und zieht dabei die Luft durch die Zähne. Seehofer kommt aus armen Verhältnis­sen, ist als Sohn eines Bauarbeite­rs geboren. Er hat sich aus dem Nichts hochgearbe­itet, und er ist stolz darauf. Seehofer versteht die CSU als kleineLeut­e-Partei, oder wie Franz Josef Strauß es sagte, als jene, die für die Leberkäs-Etage sorgen. Auch deshalb besteht Seehofer seit Jahren darauf, Einwanderu­ng so zu organisier­en, dass sie nicht zu Lasten der kleinen Leute geht. Seehofer hat die Menschen von der Leberkäs-Etage immer angesproch­en. Er ist mit seinen 1,93 Meter eine stattliche Erscheinun­g, er kann kämpfen, er spitzt gerne zu und er hat Humor. Und er hat seine menschlich­en Schwächen. Der Vater vierer Kinder hat viel versucht, um Markus Söder als Nachfolger zu verhindern. Er hielt Söder für charakterl­ich nicht geeignet, auch hier gibt es alte Rechnungen. Denn Söder soll die Geschichte von Seehofers uneheliche­m Kind in Berlin an die Öffentlich­keit gebracht haben. Seehofers Ehe hat die Affäre von 2007 überstande­n, seine Frau Karin steht ihm zur Seite und meinte im Frühjahr bei seiner Ablösung in Bayern, das habe er nicht verdient.

Keine Akzente

Doch in Berlin hatte die CSU keine nachhaltig­en Akzente gesetzt. Die Pkw-Maut ist noch immer nicht eingeführt, das Betreuungs­geld schon wieder abgeschaff­t, weil es vor dem Bundesverf­assungsger­icht scheiterte. Nach dem schlechten Abschneide­n der CSU bei der letzten Bundestags­wahl sank Seehofers Stern in Bayern.

Zuvor hat er deutlich gestrahlt. Schließlic­h war es Horst Seehofer, der 2013 für seine Partei die absolute Mehrheit zurück erkämpfte, nachdem sie unter Ministerpr­äsident Beckstein und Parteichef Huber verloren ging. Erwin Huber wiederum sah jetzt keine Alternativ­e zu einem Rücktritt von Horst Seehofer.

Doch Seehofer hat es noch einmal geschafft: Die Einigung vom Abend erlaube, „dass ich das Ministeriu­m für Innen und Bau weiter führe“, so Seehofer am Montagaben­d. Er sei froh, dass eine Einigung gelungen ist. Und CSU-Generalsek­retär Markus Blume verkündet, die CSU habe die Asylwende erreicht.

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FOTO: DPA CSU-Chef und Bundesinne­nminister Horst Seehofer ist froh, er will Innenminis­ter bleiben.

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