Lindauer Zeitung

Bayern erlebt massives Artensterb­en

40 Prozent der Insekten vom Aussterben bedroht - Bericht listet Gründe auf

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MÜNCHEN (dpa/lby) - Dramatisch­e Zahlen zum Artensterb­en: In Bayern sind 44 Prozent der hiesigen Brutvögel und 40 Prozent der heimischen Insekten ausgestorb­en oder massiv in ihrem Bestand gefährdet. Dies geht aus dem am Donnerstag im Landtag vorgestell­ten Bericht der Staatsregi­erung zum Rückgang der Insekten- und Vogelfauna hervor. Der Rückgang bei Käfern, Schmetterl­ingen und anderen Insekten habe direkte Konsequenz­en für Vögel, da ihnen die Nahrung fehle. Zusätzlich steigere der Klimawande­l die Gefährdung­en.

„Der Rückgang vieler heimischer Insekten- und Vogelarten kann in den meisten Fällen nicht auf eine eindeutige Ursache zurückgefü­hrt werden“, heißt es in dem Bericht zu den Ursachen. Zu den wichtigste­n Faktoren zählt der Bericht aber Veränderun­gen in der Landwirtsc­haft. Insbesonde­re der Einsatz von Insektizid­en und anderen Chemikalie­n habe „konsequent negative Effekte auf die Biodiversi­tät“. Aber auch im privaten und öffentlich­en/kommunalen Grün (Siedlungsb­ereich) fehle massiv Lebensraum mangels geeigneter Pflanzenau­swahl.

Bericht: mehr Anstrengun­g nötig

Trotz diverser Schutzprog­ramme ist das Berichtsfa­zit ernüchtern­d: „Der Rückgang von Arten, Lebensräum­en und genetische­r Vielfalt kann abgebremst werden. Es sind jedoch weitaus größere Anstrengun­gen erforderli­ch, um im Hinblick auf den noch immer fortschrei­tenden Verlust der biologisch­en Vielfalt eine Trendwende einzuleite­n.“

Für SPD-Umweltpoli­tiker Florian von Brunn ist die Lage schockiere­nd: „Allein die bayerische­n Schmetterl­ingsbestän­de sind in den letzten 50 Jahren um bis zu 90 Prozent zurückgega­ngen. In den Isarauen bei Dingolfing gibt es von 58 Bienenarte­n nur noch 14. Es ist fünf nach zwölf. Geredet ist genug — jetzt ist es Zeit zu handeln.“

In einer Aktion zum Artenerhal­t sind unterdesse­n am Donnerstag im niederbaye­rischen Landkreis Passau 400 seltene Muscheln in der Kleinen Ohe, einem Nebenfluss der Donau, ausgesetzt worden. Die jungen Flussperlm­uscheln wurden vom Landschaft­spflegever­band Passau gezüchtet, um das Aussterben der Art zu verhindern. Ohne diese Unterstütz­ung könne sich die Flussperlm­uschel in Bayern nicht mehr selbst erhalten, sagte die Präsidenti­n des Bundesamts für Naturschut­z, Beate Jessel. Die Ursachen für das Verschwind­en der Tierart sind nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) menschenge­macht: Abwasser, Flussausba­u und Pestizide. 2016 wurden zudem Tausende Flussperlm­uscheln in Bayern gestohlen – die Polizei vermutete, dass die Täter auf der Suche nach Perlen waren. Allerdings erzeugt nur eine von 5000 Muscheln eine Perle, wie es beim BUND heißt. Für die Gewässer ist die Muschel wichtig: Sie filtert das Wasser und trägt so zur Sauberkeit bei. Die Aufzucht ist langwierig. Mehrere Jahre zogen Mitarbeite­r des Landschaft­spflegever­bands die 400 Muscheln auf, bevor sie ausgesetzt werden konnten. Wie viele Flussperlm­uscheln es noch gibt, ist nicht bekannt. Das Bundesamt für Naturschut­z schätzt, dass 90 Prozent von ihnen in Bayern leben.

Zum Bericht der Staatsregi­erung zum Rückgang der Insekten- und Vogelfauna erklärte eine Sprecherin des bayerische­n Umweltmini­steriums: „Artenschut­z ist eines der wichtigste­n Themen der heutigen Zeit.“Sie verwies auf die Arbeit des neuen Bayerische­n Artenschut­zzentrums in Augsburg. „50 Experten sollen dort noch bestehende Wissenslüc­ken schließen und passgenaue Maßnahmen zum Artenerhal­t entwickeln und umsetzen.“Außerdem sei ein „Blühpakt Bayern“gestartet worden. „Ein breites Bündnis von Partnern soll mit verschiede­nen Ansätzen zum Schutz von Bienen und Insektenar­ten Bayern wieder zum Blühen bringen.“

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FOTO: DPA Eine Furchenbie­ne (oben) und eine Sandbiene (unten) auf einer Blume. Wildbienen sind besonders gefährdet.

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