Lindauer Zeitung

Berufsschu­le rückt Rainhaus auf die Pelle

Pläne für Neubau auf Sportplatz entsetzen Lebenshilf­e-Vorstand Berschneid­er.

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Dass Kreistag und Landratsam­t die Berufsschu­le direkt neben dem Rainhaus neu bauen wollen, entsetzt Werner Berschneid­er. Der Vorsitzend­e der Lebenshilf­e, der die Sanierung des Denkmals angestoßen hat und mit einer großen Spende möglich gemacht hat, sieht die Statik des Rainhauses gefährdet. Das Landratsam­t wiegelt ab.

Eigentlich könnte für Berschneid­er die Welt derzeit völlig in Ordnung sein. Denn nach jahrelange­m Kampf und sehr viel Arbeit steht das Rainhaus wie neu da. Nach der Einweihung am Samstag können die Bewohner jetzt einziehen. Für das Projekt gibt es Lob von allen Seiten. Doch Berschneid­er kann das gar nicht richtig genießen.

Denn mitten in die Feierlaune kam die Nachricht, dass der Landkreis auf dem Sportplatz direkt neben dem Rainhaus die Berufsschu­le neu bauen will. Wenn das früher klar gewesen wäre, hätte man sich die ganze Arbeit sparen und das Denkmal verfallen lassen können, antwortet Berschneid­er auf eine Anfrage der Lindauer Zeitung: „Wären die derzeit vom Kreis diskutiert­en Baumaßnahm­en auf dem Gelände des Sportplatz­es vorauszuse­hen gewesen, dann hätten meine verstorben­e Frau und ich das Sanierungs­projekt Rainhaus nicht für sinnvoll erachtet, deswegen auch nicht in die Wege geleitet, und wir hätten es nicht finanziell unterstütz­t“, schreibt Berschneid­er in seiner Antwort an die LZ.

Ohne ihn wäre das Rainhaus möglicherw­eise schon abgerissen. Denn die Stadt sah keine Chance, das fast 500 Jahre alte, aber statisch fragwürdig­e Gebäude zu erhalten. Dann kam das Ehepaar Berschneid­er, sammelte in einer Bürgerinit­iative Gleichgesi­nnte, die den Erhalt des Rainhauses wollten, und überzeugte die Lebenshilf­e von der Idee, dort behinderte und nicht-behinderte Menschen unter einem Dach wohnen zu lassen.

Die Idee war so gut, Berschneid­ers Überzeugun­gskraft so groß, dass die Lebenshilf­e mitmachte. Zusätzlich hat Berschneid­er nicht nur viel Arbeit eingebrach­t, sondern auch eine halbe Million Euro für die Sanierung gespendet. Inzwischen ist Berschneid­er sogar Vorsitzend­er des Vereins, der behinderte­n Menschen im Landkreis Lindau Arbeit und Wohnraum gibt. Er überzeugte auch die Verantwort­lichen der Stadt, des Landkreise­s und fand weitere Zuschussge­ber.

Froh war Berschneid­er, als sich herausstel­lte, dass die Statik des Rainhauses nicht vom Bau her beschädigt war. Vielmehr waren die Probleme eine Spätfolge des Baus der Berufsschu­le: Denn dafür hatte man vor Jahrzehnte­n den Wasserspie­gel gesenkt. Damit lagen plötzlich Hunderte von Eichenmast­en im Trockenen, auf denen die Lindauer vor Jahrhunder­ten das Rainhaus gegründet hatten. Diese Masten halten in Nässe sehr lange, auch trocken. Bei einem Wechsel aber beginnt die Fäulnis, die letztlich das Fundament des Rainhauses brüchig gemacht hatte.

„Die geplante Maßnahme wird niemals meine Zustimmung bekommen.“Werner Berschneid­er, Initiator der Rainhaus-Sanierung und Vorsitzend­er der Lebenshilf­e

Der Schulneuba­u könnte den Untergrund zu „Pudding“machen

Etwas Ähnliches fürchtet Berschneid­er nun, wenn erneut eine Berufsschu­le gebaut wird, und diesmal nur wenige Meter neben dem Rainhaus. Er berichtet von Baugrundst­udien, die dem Sedimentun­tergrund des Rainhauses sehr viel Tragkraft zutrauen. „Wenn allerdings in der Umgebung Baumaßnahm­en stattfinde­n, die diesen Untergrund irritieren, dann wird er ,wie Pudding’.“Die Wahrschein­lichkeit sei hoch, dass genau das während eines Neubaus der Berufsschu­le beim Rainhaus passieren wird.

Das Rainhaus ist für Berschneid­er etwas Besonderes, weil es eines der wenigen Baudenkmäl­er auf dem Lindauer Festland ist. Als Rain- und Pesthaus, das die Stadt Lindau vor allem für Bürger gebaut hat, deren Angehörige an Pest erkrankt waren, ist es auch stadtgesch­ichtlich von großer Bedeutung. Berschneid­er weist außerdem darauf hin, dass der Schulneuba­u auf dem heutigen Sportplatz erneut das Freifläche­nkonzept der Stadt missachten würde.

Berschneid­er fordert vom Landkreis, andere Möglichkei­ten zu prüfen. Dazu gehören seiner Meinung nach neben der Sanierung auch ein Neubau auf dem Gelände des Parkplatze­s oder ein Abriss und Neubau, wobei die Schüler zwischenze­itlich in einem Provisoriu­m unterkomme­n müssten. „Es gibt mehrere Schulsanie­rungen oder Neubauten, die mit solchen Zwischenlö­sungen realisiert werden.“Berschneid­er klingt kämpferisc­h, wenn er zum Schulneuba­u auf dem Sportplatz feststellt: „Die geplante Maßnahme wird niemals meine Zustimmung bekommen.“

Laut Landratsam­t ist noch nichts entschiede­n

Dem hält Sibylle Ehreiser, Pressespre­cherin des Landratsam­ts, entgegen, dass noch nichts entschiede­n sei. Denn Verwaltung und Kreistag prüften derzeit verschiede­ne Varianten. Dazu dient eine Infofahrt des Kreisaussc­husses am Donnerstag: Die Räte schauen sich zwei neue Schulgebäu­de im Landkreis Augsburg an. Ehreiser räumt ein, dass für den Fall eines Neubaus die Kreisverwa­ltung bisher nur den Sportplatz neben dem Rainhaus im Blick hat. Grundsätzl­ich sei aber auch ein Neubau auf dem Parkplatz nicht ausgeschlo­ssen. Im Fall eines Teilneubau­s mit Erhalt der Werkstätte­n sei das aber nicht möglich, weil die Wege zu weit wären.

Ehreiser versichert, dass die Verantwort­lichen in jedem Fall die Gründung „genauesten­s“prüfen werden. Immerhin ist der Landkreis vorgeschäd­igt, weil es um die Gründung der alten Berufsschu­le einen über viele Jahre dauernden Rechtsstre­it gab. Anderersei­ts habe man bei dem Schülerwoh­nheim die Lage so gut im Griff , dass es zu keinen Schäden an umliegende­n Gebäuden kam.

Der Landkreis steht zum Rainhaus, dessen Umbau er mit 120 000 Euro gefördert hat. Zudem habe der Landkreis für die Sanierung „sogar Abstandsfl­ächen auf seinem eigenen Grundstück übernommen“.

Stadt und Landkreis wollen den Baugrund genau prüfen lassen

Ehreiser fügt hinzu, dass die Stadt Lindau als Baugenehmi­gungsbehör­de bereits grundsätzl­ich positive Signale zu einem Neubauproj­ekt gegeben habe. Das bestätigt Lindaus Pressespre­cher Jürgen Widmer, der darauf verweist, dass dieses Grundstück im Flächennut­zungsplan bereits als Schulerwei­terungsflä­che eingetrage­n sei. Wenn das Landratsam­t mit einem Bodengrund­gutachten Befürchtun­gen aus dem Weg räume und einen Grünfläche­nplan vorlege, sei der Neubau grundsätzl­ich möglich. Widmer verweist allerdings auf das nötige Genehmigun­gsverfahre­n: Ziel solcher Verfahren sei es nämlich, die verschiede­nen Bedenken anderer Beteiligte­r zu prüfen und wenn möglich auszuräume­n. Wenn man sie nicht ausräumen könne, sei es in diesem Fall Aufgabe der Stadt zu entscheide­n.

So sieht das auch Ehreiser, die mehrfach betont, dass Landratsam­t und Kreistag die wichtige Entscheidu­ng über die Berufsschu­le in aller Ruhe treffen wollen. Dazu gehören auch die Prüfung der Folgen für das Rainhaus, auch wenn man dafür bisher keine unlösbaren Probleme sehe: „Es darf alles diskutiert werden. Es muss auch alles diskutiert werden.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Dass das Landratsam­t die neue Berufsschu­le auf den bisherigen Sportplatz bauen lassen will, lässt Werner Berschneid­er um die Statik des Rainhauses (rechts) fürchten. Er schlägt stattdesse­n einen Neubau auf dem Schulparkp­latz (oberer Bildrand) vor.

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