Lindauer Zeitung

Das Auto als Kollateral­schaden

Der Wagen eines Polizisten wird auf dem Hof einer Polizeiins­pektion demoliert – Er will Schadeners­atz vom Land

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Ein Pflasterst­ein fliegt in den Innenhof einer Polizeiins­pektion und zerschlägt die Scheibe des Privatauto­s eines Beamten. Der fordert daraufhin Schadenser­satz vom Freistaat, was dieser aber ablehnt. Nun kam der Fall vors Verwaltung­sgericht – am Ende steht ein zufriedene­r Kläger.

Dass da irgendetwa­s nicht stimmt, fällt Georg Weber (Name geändert) anfangs gar nicht auf – vielleicht auch, weil dem 48-jährigen Polizisten eine zwölfstünd­ige Nachtschic­ht in den Knochen steckt. Eilig kratzt er an diesem Februarmor­gen den Schnee von den Scheiben seines Autos, das er im Innenhof der niederbaye­rischen Polizeiins­pektion abgestellt hat, so wie immer. Danach setzt sich Weber ins Auto, er will nur noch heim ins Bett – doch da tropft es plötzlich neben ihm auf den Beifahrers­itz.

Linke Chaoten im Verdacht

Das Wasser, das sieht er erst jetzt, ist durch ein Loch in der Frontschei­be ins Wageninner­e gelangt. Als der Polizist aussteigt und das Auto umrundet, um sich den Schaden anzusehen, stolpert er über einen Pflasterst­ein – und nun dämmert ihm, was passiert sein könnte: Jemand hat den handballgr­oßen Brocken offenbar über den Zaun geschleude­rt, der den Innenhof der Dienststel­le umgibt. Und gelandet ist der Stein auf der Frontschei­be von Webers Auto, der den Wagen noch am gleichen Tag zur Reparatur bringt. Kosten: 715,27 Euro.

Wegen dieser Summe sitzt Georg Weber gut zwei Jahre später im Verwaltung­sgericht München. Der 48Jährige mit den kurzgescho­renen Haaren trägt einen Ring im Ohr und im Gesicht meist ein Lächeln – außer, wenn er von jener Februarnac­ht 2016 erzählt. Am nächsten Tag habe man an Häuserwänd­en in der Umgebung allerlei Schmierere­ien entdeckt, „die dem linken Spektrum zuzuordnen sind“, sagt Richter Dietmar Zwerger.

Für Georg Weber ist nun klar, dass auch der Steinwurf kein willkürlic­her Vandalismu­s war, sondern der Polizei galt – weshalb er seinen Dienstherr­n um Schadeners­atz bittet. Doch das Landesamt für Finanzen lehnt das ab, worauf der Polizist klagt. Die Kernfrage sei dabei, sagt der Richter: Wollte der Täter, der nicht ermittelt werden konnte, „den Dienstherr­n als solchen“schaden? „War er sich also bewusst, dass er mit seinem Stein immer einen Repräsenta­nten des Staates trifft, also einen Polizisten?“

Vergleich passt beiden Seiten

Nach Auffassung des Freistaats war das nicht der Fall. Vielmehr habe es sich um „allgemeine­n Vandalismu­s“gehandelt, weshalb der Polizist für den Schaden ebenso selbst aufkommen müsse wie die Besitzer der beschmiert­en Häuser. Dagegen argumentie­ren Georg Weber und sein Anwalt, dass der abgesperrt­e Parkplatz nur für Polizisten reserviert sei. Mithin habe es der Täter also gezielt auf die Polizei abgesehen gehabt.

„Man kann das ganze so oder so sehen“, sagt Richter Zwerger. Er schlägt daher einen Vergleich vor: 500 Euro, also rund zwei Drittel des Schadens, soll der Freistaat übernehmen. Diesem Vorschlag stimmen letztlich beide Seiten zu. Ob er zufrieden damit sei? Ja, sagt Georg Weber, nickt und lächelt. „Ich hatte ja schon überlegt, die Sache ganz fallen zu lassen. Ich bin vor allem zufrieden, weil’s jetzt endlich vorbei ist.“

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FOTO: PATRIK STÄBLER Georg Weber lächelt viel – es sei denn, er erzählt von der Nacht im Februar 2016.

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