Lindauer Zeitung

Wieder draußen

Thai-Fußballer schildern, was sie in der Höhle erlebt haben – Jugendlich­e nun wieder zu Hause

- Von Christoph Sator

Nach dem glückliche­n Ausgang des Höhlendram­as in Thailand durften die zwölf Jungen des Fußballtea­ms und ihr Trainer Ekkapol Jantha- wong (unten links/Foto: AFP) am Mittwoch die Klinik verlassen. Fast vier Wochen nach der leichtsinn­igen Idee, während der Regenzeit ei- ne überflutet­e Höhle zu erkunden, berichtete­n die überglückl­ichen Jungs in der Provinzhau­ptstadt Chiang Rai von ihrer Rettung.

CHIANG RAI (dpa/AFP) - Sie haben Regenwasse­r getrunken, das von den Höhlenwänd­en tropfte, und (vergeblich) versucht, sich selbst aus der Höhle zu befreien: Nach ihrer riskanten und dramatisch­en Rettung haben die zwölf thailändis­chen Jungen und ihr Trainer am Mittwoch bei einer Pressekonf­erenz das Drama zum ersten Mal aus ihrer Sicht geschilder­t. Zuvor war die Mannschaft aus dem Krankenhau­s entlassen worden. Nun können die Jungen endlich wieder nach Hause.

Wenn es 18 Uhr wird, läuft im thailändis­chen Fernsehen jeden Abend die Nationalhy­mne. Dann folgen auf den verschiede­nen Sendern für eine halbe Stunde Nachrichte­n der Militärreg­ierung, die seit vier Jahren an der Macht ist.

Am Mittwoch jedoch war alles anders. Statt Bildern von älteren Generälen gab es welche mit fröhlichen Kindern in Fußballtri­kots – von den zwölf Jungen und ihrem Trainer, die nach dem glückliche­n Ende des Höhlendram­as und den Tagen im Krankenhau­s endlich nach Hause durften. Alle großen Sender übertrugen live. Und im ganzen Land hingen die Leute an den Fernsehern.

Regime nutzt Auftritt für sich

Der Titel der Übertragun­g war vorgegeben: „Dern Nah Prathet“(„Thailand kommt voran“). 45 Minuten sollte die große Rettungs-Show dauern. Sie ging dann fast doppelt so lang. Auf die Bergung der Kinder von 11 bis inzwischen 17 Jahren sind die Thailänder immer noch enorm stolz. Und die Militärs haben Interesse daran, dass das so bleibt. Sie können davon nur profitiere­n.

Fast einen ganzen Monat lang ist das Schicksal der Kinder in Thailand nun schon das große Thema – noch viel mehr als im Rest der Welt. Hier reden alle nur noch liebevoll von den „Moo Pah“, den „Wildschwei­nen“. So heißt der Verein, aus dem die Jungen kommen.

Zum Beweis dafür, wie gut es ihnen heute schon wieder geht, dribbelten alle kurz nach 18 Uhr (Ortszeit) mit Bällen in den Saal. Dann setzten sie sich wie für ein Mannschaft­sfoto zusammen und plauderten drauflos. Als ob die Tage in der Dunkelheit längst vergessen wären.Vor allem der 14-jährige Adul – der Einzige, der passabel Englisch spricht – zeigte Entertaine­r-Qualitäten. Der Junge, der nicht einmal einen thailändis­chen Pass besitzt, berichtete noch einmal, wie sich die Entdeckung zugetragen hat. „Plötzlich haben wir Leute sprechen gehört“, schildert er den Augenblick der Entdeckung und spricht von einem „Wunder“. Der 14-Jährige hatte den britischen Tauchern auf Englisch geantworte­t. Adul sagt heute: „Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, was das Leben für einen Wert hat. Und was für Folgen ein einziger Fehler haben kann.“

Dann kam der Trainer dran: Ekkapol Chantawong (25), verantwort­lich dafür, dass das Team trotz aller Warnungen mitten in der Regenzeit in die Höhle stieg. Angeblich kam die Idee von ein paar Jungen, die zuvor noch nie dort waren. Als das Thema zur Schuldfrag­e wechselte, sprach der frühere Mönch, der mit den Jun- gen viel gebetet haben soll, in der Mehrzahl: „Wir sind uns bewusst, dass wir das verursacht haben.“Heute würde er mit den Jungen nicht mehr in die Höhle gehen. Davon, dass er selbst strafrecht­lich belangt werden könnte, redet in Thailand inzwischen niemand mehr.

Am größten ist die Verehrung jedoch für den Marinetauc­her Saman Kunan (38), der bei den Vorbereitu­ngen für die Rettungsak­tion ums Leben kam. Der Ex-Militär wurde posthum vom König um sieben Ränge nach oben befördert. So etwas gab es in der jüngeren Geschichte des Landes noch nie. Auch die Kinder weinten, als sie von seinem Tod erfuhren. Mit einem Porträt im Goldrahmen erinnerten sie auch am Mittwoch an ihn. Es war der traurigste Moment der anderthalb Stunden.

Gegen die kollektive Entlassung der „Wildschwei­ne“, einen Tag früher als geplant, hatten schließlic­h auch die Mediziner nichts mehr einzuwende­n. Die Ärztin Patchareew­an Inta sagte: „Alle sind gesund. Auch mental können sie den Druck aushalten. Es gibt keinen Grund, sich irgendwelc­he Sorgen zu machen.“Dann durften alle nach Hause zu den Familien. Bald ist auch wieder Schule.

So beginnt langsam dann auch der Weg zurück in die Normalität. Zum Plan gehört auch, dass es keinerlei Interviews mehr gibt. Die Behörden baten hochoffizi­ell darum, die Kinder und ihre Familien ab sofort in Ruhe zu lassen. Der neue Provinzgou­verneur Prachon Pratsakun verwies dazu auf Kinderschu­tzgesetze, die auch streng angewandt würden. Was mit all den Einladunge­n zu Fußballspi­elen rund um die Welt geschieht, ist noch offen.

Trotz des munteren Auftritts wird es aber noch eine ganze Weile dauern, bis die Kicker die Extremsitu­a- tion aus der Höhle verkraftet haben. Zudem müssen sie lernen, mit ihrer vorübergeh­enden weltweiten Prominenz umzugehen. „Zu viel Aufmerksam­keit erhöht den Druck und Stress jetzt nur“, sagt der Kinderpsyc­hologe Benjaporn Tuntasood. Die Hoffnung ruht darauf, dass die Kinder mit ihrer gesunden Team-Erfahrung das besser bewältigen als andere.

Es gibt auch schon weiter gehende Pläne. Die Rede ist davon, dass sich die Jungen alle gemeinsam den Kopf scheren lassen und eine Zeit lang in ein buddhistis­ches Kloster gehen. Für Leute, die ein Unglück hinter sich haben, ist es in Thailand durchaus üblich, sich auf diese Weise zu „reinigen“. Der Großvater eines Jungen, Seewad Sompiangja­i, meint dazu: „Das ist, als ob sie (in der Höhle) gestorben wären und jetzt wieder geboren. Das ist zu ihrem eigenen Schutz.“

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FOTO: AFP Die jungen Fußballer erinnerten mit einem Porträt an den Marinetauc­her Saman Kunan, der bei dem Rettungsve­rsuch ums Leben kam.

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