Lindauer Zeitung

Neuer Anlauf zum Maghreb

Tunesien, Algerien, Marokko sollen als „sicher“gelten

- Von Petra Sorge

BERLIN (dpa) - Die Regierung möchte die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko sowie Georgien zu „sicheren Herkunftss­taaten“erklären. Ziel ist es, die Asylverfah­ren von Menschen aus diesen Ländern zu beschleuni­gen. Auch kann, wer aus einem so etikettier­ten Staat stammt, leichter abgeschobe­n werden. Das Kabinett verabschie­dete am Mittwoch den Entwurf. 2017 war der Versuch, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftss­taaten zu erklären, im Bundesrat am Widerstand von Landesregi­erungen mit Beteiligun­g von Grünen und Linken gescheiter­t. Innenminis­ter Horst Seehofer sagte: „Für dieses Gesetz braucht man zwei Bundesländ­er mit grüner Beteiligun­g.“Er wolle jetzt die Forderunge­n der Landesregi­erungen abwarten.

BERLIN - Schnellere Entscheidu­ngen, leichtere Abschiebun­gen: Die Bundesregi­erung will die Asylverfah­ren für Schutzsuch­ende aus drei Maghreb-Staaten und Georgien beschleuni­gen. Die vier Länder sollen als „sichere Herkunftss­taaten“eingestuft werden. Von den Grünen kommt Protest. Sie könnten den Gesetzentw­urf im Bundesrat erneut zu Fall bringen. Die Fakten zum Kabinettsb­eschluss vom Mittwoch:

Der Gesetzentw­urf:

Die Bundesregi­erung will die Liste der „sicheren Herkunftss­taaten“auf Tunesien, Marokko, Algerien und Georgien ausweiten. Danach gilt künftig die Vermutung, dass Asylbewerb­er aus diesen Staaten nicht verfolgt werden. Ihre Anträge sollen zügiger bearbeitet werden. Bei einer Ablehnung sollen die Betroffene­n schneller in die Heimat zurückgefü­hrt werden. Als sichere Herkunftss­taaten gelten bislang die Staaten der Europäisch­en Union, Ghana, Senegal, BosnienHer­zegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und Kosovo.

Persönlich­e Anhörung:

Anträge von Schutzsuch­enden aus sicheren Herkunftss­taaten sollen weiterhin individuel­l geprüft werden, erklärt das Bundesinne­nministeri­um. So sollen Bewerber bei ihrer persönlich­en Anhörung im Asylverfah­ren weiterhin Beweise vorlegen können, die ihren Schutzansp­ruch belegen.

Die Begründung:

Das Bundesinne­nministeri­um weist darauf hin, dass „nur ein kleiner Bruchteil“der Asylanträg­e aus den vier Ländern erfolgreic­h war. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) gingen 2017 rund 8700 Asylanträg­e aus diesen Staaten ein, entschiede­n wurden 15 000 Fälle, auch aus den Vorjahren. Die Anerkennun­gsquote für Georgien betrug 0,6 Prozent, für Algerien 2 Prozent, für Tunesien 2,7 Prozent und für Marokko 4,1 Prozent. Nach Einschätzu­ng der Regierung wird in diesen Ländern nicht systematis­ch gefoltert, auch herrscht dort kein Krieg. Die Einstufung soll auch eine Signalwirk­ung in der Heimat der Migrations­willigen entfalten: Sie sollen von einer möglichen Einreise nach Deutschlan­d abgehalten werden.

Ausnahmen:

Der Kabinettsb­eschluss beinhaltet auch eine Stichtagsr­egelung. Asylbewerb­er und Geduldete aus den vier Ländern, die bis zum Mittwoch eine Berufsausb­ildung oder einen Job begonnen hatten, sollen in Deutschlan­d bleiben dürfen. Das gilt auch für diejenigen, die einen gültigen Azubi- oder Arbeitsver­trag vorlegen können.

Hürden im weiteren Gesetzgebu­ngsprozess:

Der Entwurf muss durch Bundestag und Bundesrat. Knackpunkt wird die Länderkamm­er: Dort sind mindestens 35 der 69 Stimmen nötig. Wenn sich alle neun Bundesländ­er mit grüner Regierungs­beteiligun­g enthalten oder gegen den Entwurf votieren, scheitert er. „Für dieses Gesetz braucht man zwei Bundesländ­er mit grüner Beteiligun­g“, erklärte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Länder mit grüner und linker Regierungs­beteiligun­g hatten im Bundesrat bereits 2017 einen Gesetzentw­urf platzen lassen, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftss­taaten zu erklären.

Die Haltung der Grünen:

Von der Bundesspit­ze kommt Widerstand gegen das Vorhaben. „Noch immer gilt, dass in den Maghreb-Staaten Journalist­en, Minderheit­en und Homosexuel­le nicht sicher sind vor Verfolgung und Haft“, erklärte Parteichef Robert Habeck. „Daher sehe ich nicht, dass diese Staaten sicher sind.“Seine Parteikoll­egin Claudia Roth nannte den Kabinettsb­eschluss

einen „Angriff auf das Recht auf Asyl“. Die grün-schwarze Landesregi­erung in Baden-Württember­g hatte allerdings 2016 in ihrem Koalitions­vertrag festgehalt­en, dass man im Bundesrat der Ausweitung der sicheren Herkunftss­taaten auf Algerien, Tunesien und Marokko zustimmen werde, sofern verfassung­srechtlich­e Voraussetz­ungen erfüllt seien.

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