Neuer Anlauf zum Maghreb
Tunesien, Algerien, Marokko sollen als „sicher“gelten
BERLIN (dpa) - Die Regierung möchte die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko sowie Georgien zu „sicheren Herkunftsstaaten“erklären. Ziel ist es, die Asylverfahren von Menschen aus diesen Ländern zu beschleunigen. Auch kann, wer aus einem so etikettierten Staat stammt, leichter abgeschoben werden. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch den Entwurf. 2017 war der Versuch, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, im Bundesrat am Widerstand von Landesregierungen mit Beteiligung von Grünen und Linken gescheitert. Innenminister Horst Seehofer sagte: „Für dieses Gesetz braucht man zwei Bundesländer mit grüner Beteiligung.“Er wolle jetzt die Forderungen der Landesregierungen abwarten.
BERLIN - Schnellere Entscheidungen, leichtere Abschiebungen: Die Bundesregierung will die Asylverfahren für Schutzsuchende aus drei Maghreb-Staaten und Georgien beschleunigen. Die vier Länder sollen als „sichere Herkunftsstaaten“eingestuft werden. Von den Grünen kommt Protest. Sie könnten den Gesetzentwurf im Bundesrat erneut zu Fall bringen. Die Fakten zum Kabinettsbeschluss vom Mittwoch:
Der Gesetzentwurf:
Die Bundesregierung will die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“auf Tunesien, Marokko, Algerien und Georgien ausweiten. Danach gilt künftig die Vermutung, dass Asylbewerber aus diesen Staaten nicht verfolgt werden. Ihre Anträge sollen zügiger bearbeitet werden. Bei einer Ablehnung sollen die Betroffenen schneller in die Heimat zurückgeführt werden. Als sichere Herkunftsstaaten gelten bislang die Staaten der Europäischen Union, Ghana, Senegal, BosnienHerzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und Kosovo.
Persönliche Anhörung:
Anträge von Schutzsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten sollen weiterhin individuell geprüft werden, erklärt das Bundesinnenministerium. So sollen Bewerber bei ihrer persönlichen Anhörung im Asylverfahren weiterhin Beweise vorlegen können, die ihren Schutzanspruch belegen.
Die Begründung:
Das Bundesinnenministerium weist darauf hin, dass „nur ein kleiner Bruchteil“der Asylanträge aus den vier Ländern erfolgreich war. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gingen 2017 rund 8700 Asylanträge aus diesen Staaten ein, entschieden wurden 15 000 Fälle, auch aus den Vorjahren. Die Anerkennungsquote für Georgien betrug 0,6 Prozent, für Algerien 2 Prozent, für Tunesien 2,7 Prozent und für Marokko 4,1 Prozent. Nach Einschätzung der Regierung wird in diesen Ländern nicht systematisch gefoltert, auch herrscht dort kein Krieg. Die Einstufung soll auch eine Signalwirkung in der Heimat der Migrationswilligen entfalten: Sie sollen von einer möglichen Einreise nach Deutschland abgehalten werden.
Ausnahmen:
Der Kabinettsbeschluss beinhaltet auch eine Stichtagsregelung. Asylbewerber und Geduldete aus den vier Ländern, die bis zum Mittwoch eine Berufsausbildung oder einen Job begonnen hatten, sollen in Deutschland bleiben dürfen. Das gilt auch für diejenigen, die einen gültigen Azubi- oder Arbeitsvertrag vorlegen können.
Hürden im weiteren Gesetzgebungsprozess:
Der Entwurf muss durch Bundestag und Bundesrat. Knackpunkt wird die Länderkammer: Dort sind mindestens 35 der 69 Stimmen nötig. Wenn sich alle neun Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung enthalten oder gegen den Entwurf votieren, scheitert er. „Für dieses Gesetz braucht man zwei Bundesländer mit grüner Beteiligung“, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Länder mit grüner und linker Regierungsbeteiligung hatten im Bundesrat bereits 2017 einen Gesetzentwurf platzen lassen, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären.
Die Haltung der Grünen:
Von der Bundesspitze kommt Widerstand gegen das Vorhaben. „Noch immer gilt, dass in den Maghreb-Staaten Journalisten, Minderheiten und Homosexuelle nicht sicher sind vor Verfolgung und Haft“, erklärte Parteichef Robert Habeck. „Daher sehe ich nicht, dass diese Staaten sicher sind.“Seine Parteikollegin Claudia Roth nannte den Kabinettsbeschluss
einen „Angriff auf das Recht auf Asyl“. Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg hatte allerdings 2016 in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass man im Bundesrat der Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Algerien, Tunesien und Marokko zustimmen werde, sofern verfassungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt seien.