„Die Begründungslast ist umgekehrt“
RAVENSBURG - Dominik Keicher (32, Foto: oh), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staatsrecht, Völkerrecht, Verfassungslehre und Menschenrechte der Universität Tübingen, erläutert im Gespräch mit Ulrich Mendelin, welche rechtlichen Folgen es hat, wenn ein Herkunftsstaat als sicher erklärt wird.
Wie wirkt es sich für einen Asylbewerber aus, wenn sein Herkunftsland als sicher erklärt wird?
Grundsätzlich ist es so, dass Menschen, die Asyl beantragen, ihre Verfolgungsgeschichte darlegen – die Gründe der Flucht, und warum sie Angst vor Verfolgung haben. Bei einer Ablehnung muss das Bamf darlegen, warum es dennoch davon ausgeht, dass der Antragsteller im Heimatland ausreichend geschützt ist. In Fällen von sicheren Herkunftsländern wird grundsätzlich vermutet, dass dem Antragsteller keine konkrete Gefahr droht. In diesem Fall muss der Antragsteller darlegen, warum diese Sicherheit für ihn, also ausnahmsweise, eben nicht besteht. Das heißt, im Fall von sicheren Herkunftsländern ist die Begründungslast umgekehrt.
Welche Unterschiede gibt es noch zwischen Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten und anderen?
Gerade bei Asylanträgen von Personen aus sicheren Herkunftsstaaten besteht die Möglichkeit, dass diese als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden können. Ein solches Urteil kann besondere Einreise- und Aufenthaltsverbote zur Folge haben. Die Wirkung tritt sofort ein. Damit wird ausgeschlossen, dass diese Personen sich, wie es heißt, im Aufenthalt verfestigen. Sie können dann auch auf anderen Wegen keinen Aufenthaltstitel mehr erhalten. Des Weiteren besteht für Personen aus sicheren Herkunfts- ländern grundsätzlich ein absolutes Arbeitsverbot. Selbst geduldete Personen, wenn sie aus sicheren Herkunftsländern kommen, können keine Arbeitserlaubnis erlangen, im Gegensatz zu Personen aus anderen Herkunftsstaaten.
Drohen durch die Ausweisung von sicheren Herkunftsländern berechtige Antragsteller durchs Raster zu fallen?
Diese Gefahr sehe ich. Mit der generellen Vermutung, diese Länder seien sicher für alle Personen, die hier Schutz beantragen, entsteht eine Signalwirkung – auch für die Entscheider im Bamf. Und es droht eine Stigmatisierung der Menschen aus diesen Staaten; sie kommen unter einen Generalverdacht, dass ihr Asylantrag von vornherein missbräuchlich wäre. Außerdem sieht die Genfer Flüchtlingskonvention vor, dass jeder Geflüchtete individuell zu beurteilen ist. Eine Unterscheidung nach dem Herkunftsland selbst darf dabei eigentlich keine Rolle spielen.