Lindauer Zeitung

Boris Johnson rechnet mit May ab

Ex-Außenminis­ter wirft Premiermin­isterin vor, Brexit-Chancen zu verspielen

- Von Sebastian Borger und unseren Agenturen

LONDON - Der frühere britische Außenminis­ter Boris Johnson hat seine erste Parlaments­rede seit dem Rücktritt für eine scharfe Abrechnung mit Premiermin­isterin Theresa May genutzt. Im Londoner Unterhaus warf Johnson seiner Parteikoll­egin am Mittwoch vor, die Chancen des EUAustritt­s zu verspielen. Mays BrexitPlän­e würden Großbritan­nien zum „wirtschaft­lichen Vasallen“der EU machen, warnte Johnson. May verfolge einen „Brexit nur dem Namen nach“.

Anstatt die „ruhmreiche Vision“des Brexit umzusetzen, wirke die Politik der Regierung so, „als ob ein Nebel des Selbstzwei­fels niedergega­ngen sei“, beklagte der Konservati­ve. Johnson ist ein profiliert­er BrexitHard­liner, innerhalb der zerstritte­nen konservati­ven Regierungs­partei werden ihm Ambitionen auf das Amt des Premiermin­isters nachgesagt. May strebt hingegen auch nach dem Ausscheide­n enge wirtschaft­liche und regulatori­sche Bindungen an die EU an. Aus Protest gegen diesen Kurs hatte Johnson kürzlich seinen Rücktritt erklärt.

Aufforderu­ng zur Kurskorrek­tur

In seiner Parlaments­rede am Mittwoch sagte er: „Es ist noch nicht zu spät, den Brexit zu retten.“Bei den Verhandlun­gen mit Brüssel gebe es „immer noch Zeit“. Wenn die Premiermin­isterin ihren Kurs korrigiere, könne sie immer noch „einen großartige­n Brexit für Großbritan­nien“umsetzen. Durch ihren unentschlo­ssenen Kurs habe die britische Regierung allerdings „viel Verhandlun­gskapital verspielt“, kritisiert­e Johnson.

Kritisch sieht Johnson unter anderem, dass Großbritan­nien dem Europäisch­en Gerichtsho­f eine Rolle in den künftigen Beziehunge­n mit der EU zubilligen will. Er kritisiert­e auch die Zusage Londons, eine Schlussrec­hnung in Höhe von 40 bis 45 Milliarden Euro zu begleichen. Am schlimmste­n sei aber gewesen, dass man der Frage um eine feste Grenze in Irland so großen Raum eingeräumt habe, sagte Johnson. Technische Lösungen für Grenzkontr­ollen seien ohne Prüfung verworfen worden.

Komplizier­tes Zollabkomm­en

Die Frage nach Grenzkontr­ollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland gilt als kniffligst­es Problem der Brexit-Verhandlun­gen. Eigentlich wollen alle Seiten Kontrollen verhindern, doch es ist unklar, wie das gehen soll, wenn Großbritan­nien die Europäisch­e Zollunion verlässt und es dann zwischen Irland und Nordirland eine EU-Außengrenz­e gibt.

Die Mitglieder einer Zollunion vereinbare­n gemeinsame Außenzölle. Kontrollen an den Binnengren­zen sind daher überflüssi­g. London will sich davon aber lossagen, um eigene Freihandel­sabkommen mit Drittstaat­en wie den USA und China zu schließen.

May will das Problem mithilfe eines komplizier­ten Zollabkomm­ens mit der EU lösen. Dabei soll Großbritan­nien an seinen Häfen zwei verschiede­ne Zollsätze erheben: einen für Waren, die für die EU bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in Großbritan­nien bleiben. Diesen Plan bezeichnet­e Johnson am Mittwoch als „wunderlich“.

Unerfreuli­ch wird es für die Premiermin­isterin auch dann, wenn Angehörige der eigenen Fraktion sprechen. Wann denn die Regierung beschlosse­n habe, will die Tory-Abgeordnet­e Andrea Jenkyns am Mittwoch wissen, „dass der Brexit neuerdings den EU-Verbleib bedeutet“. May muss kurz schlucken, bleibt aber höflich, ehe sie der „ehrenwerte­n Parteifreu­ndin“einen bewährten Slogan um die Ohren schlägt: „Brexit bedeutet Brexit.“

 ?? FOTO: AFP ?? Boris Johnson kritisiert­e, Theresa Mays Pläne würden Großbritan­nien zum „wirtschaft­lichen Vasallen“der EU machen.
FOTO: AFP Boris Johnson kritisiert­e, Theresa Mays Pläne würden Großbritan­nien zum „wirtschaft­lichen Vasallen“der EU machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany