Ortega setzt auf Krieg
Nicaraguas autoritärer Herrscher Daniel Ortega hat sich endgültig gegen Kompromisse mit der Opposition und für Krieg gegen das eigene Volk entschieden. Seit gut zehn Tagen geht er mit Gewalt und rücksichtsloser Härte gegen seine Gegner vor, die an verschiedenen Orten des zentralamerikanischen Landes Barrikaden und Straßensperren errichtet haben, um die Regierung herauszufordern. Ortega hat die Offensive gegen die Opposition „Operación Limpieza“(„Operation Säuberung“) getauft. Stück für Stück will er so Orte zurückerobern, die sich in Händen von Studenten und Widerständlern befinden.
Nicaragua rutscht somit drei Monate nach Beginn der Proteste gegen den ehemals linken Präsidenten immer tiefer in einen offenen Bürger- krieg. Rund 300 Tote sind seit Beginn der Proteste gegen die Regierung am 18. April zu beklagen. Am Dienstag gab es einen neuen Zusammenstoß zwischen Regierungskräften und Demonstranten mit drei Toten. Nach Ansicht von Beobachtern will Ortega vor Donnerstag, dem 39. Jahrestag der Sandinistischen Revolution, die Opposition überall besiegt haben.
Die Proteste folgten einem „terroristischen umstürzlerischen Plan“, sagte Rosario Murillo, Ehefrau von Ortega . „Aber sie werden keinen Erfolg haben“. Amnesty International spricht von einem „ungeheuerlichen Niveau staatlicher Repression“. UNGeneralsekretär Antonio Guterres, 13 lateinamerikanische Staaten und die USA fordern ein sofortiges Ende der Gewalt. „Die Zahl der Toten ist völlig inakzeptabel“, sagte Guterrres. Es sei klar, dass ein Großteil der Gewalt von regierungstreuen paramilitärischen Gruppen ausgehe. Es war das erste Mal, dass sich der UN-Generalsekretär so deutlich zu den Protesten äußerte. Die Europäische Union hatte bereits ein Ende der Auseinandersetzungen verlangt. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte eine „friedliche und demokratische Lösung im Rahmen eines nationalen Dialogs".
Vorwurf der Korruption
Auslöser der Proteste war eine geplante Reform der Sozialkassen, die Rentner zu einer fünfprozentigen Kürzung ihrer Pensionen genötigt und Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu drastisch erhöhten Abgaben verpflichtet hätte. Kritiker werfen der Regierung vor, die Rentenkassen geplündert und das Geld für fragwürdige Projekte abgezweigt zu haben. Zwar nahm Ortega die Reform zurück, doch der soziale Protest weitete sich zu einem landesweiten Aufstand gegen den unbeliebten Präsidenten und seine Frau aus, denen die Nicaraguaner korrupte Amtsführung sowie die Errichtung einer Familiendynastie vorwerfen. Die Menschen wollen die Familie Ortega loswerden.
In einem mittlerweile suspendierten Dialog unter Vermittlung der Katholischen Kirche und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sollte sich der Präsident auf vorgezogene Wahlen einlassen, was er aber kategorisch ablehnt. Er will bis zum Ende seiner Amtszeit bis 2021 weiterregieren. Die Regeln setze das Volk durch die Verfassung, sie könnten „nicht einfach von einer Handvoll Putschisten über Nacht geändert werden“, erklärte Ortega, der in einer zweiten Amtszeit eines der ärmsten Länder Lateinamerikas seit 2007 regiert und seither alles getan hat, um die Macht nicht wieder abzugeben.