Ungerechte Doppelbelastung
Betriebsrentner sollen weniger Abgaben zahlen – Doch Union und SPD sind sich uneins
BERLIN - Die Koalition will Betriebsrentner, die unter einer doppelten Beitragslast leiden, entlasten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat dazu am Mittwoch vorgeschlagen, die entsprechenden Krankenkassenbeiträge zu halbieren und einen Freibetrag anstelle der Freigrenze einzuführen. Die Unionsseite zeigt sich bisher nur für eine kleinere Lösung des Problems offen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie kam es für viele Betriebsrentner zur bösen Überraschung der Doppelbelastung?
Viele Arbeitnehmer sorgen über eine Direktversicherung ihres Arbeitgebers zusätzlich für das Alter vor. Ein Teil des Lohnes wird dabei in eine Kapitallebensversicherung eingezahlt. Die meisten Sparer wussten nicht, dass bei der späteren Auszahlung Krankenversicherungsbeiträge fällig werden. Für Ärger sorgt vor allem, dass sie nicht nur den Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen, sondern den gesamten Beitrag bezahlen müssen. Derzeit sind das durchschnittlich 15,6 Prozent plus den Beitrag zur Pflegeversicherung. Bei Verträgen, die vor dem Jahr 2004 abgeschlossen wurden, wird der Ärger noch verständlicher. Denn hier zahlen die Arbeitnehmer den Krankenkassenbeitrag zweimal: Einmal auf die Beiträge und dann noch einmal bei der Auszahlung. Insgesamt gibt es vermutlich rund drei Millionen Betroffene.
Wie sind die Aussichten, dass sich an der Regelung bald etwas ändert?
Die SPD will in der Großen Koalition eine Entlastung der Betriebsrentner durchsetzen. Die geltende Regelung sei „gefühlt und rechtstechnisch ungerecht“, sagt deren Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Die Sozialdemokraten wollen die Krankenkassenbeiträge halbieren, sodass die Rentner nur noch den Arbeitnehmeranteil abführen müssen. Bisher sind Versorgungsbezüge von weniger als 152, 25 Euro frei von Abgaben. Bei einem Cent mehr Rente fällt aber gleich die volle Last an. Lauterbach will aus der Freigrenze einen Freibetrag machen. Beiträge müssten dann nur für die Beträge oberhalb dieses Betrages bezahlt werden. Beides zusammen käme einer Entlastung der Betriebsrentner um drei Milliarden Euro im Jahr gleich. Lauterbach zufolge bezahlen Rentner mit 500 Euro Betriebsrente dann rund 40 Euro weniger im Monat.
Wird die SPD ihre Vorstellungen auch durchsetzen?
Auch die Union will das Problem lösen, sperrt sich aber bisher gegen eine Halbierung der Krankenkassenbeiträge. Die CDU will lediglich einen Freibetrag einführen. Die damit verbundene Entlastung beziffert die Union auf 1,2 Milliarden Euro. Welchen Kompromiss die Koalition am Ende finden wird, ist offen. Die gute Entwicklung der Einnahmen in der Krankenversicherung ermöglicht Lauterbach zufolge aber eine großzügige Lösung, ohne dass dafür die Kassenbeiträge für alle Versicherten erhöht werden müssten.
Können die Betriebsrentner sogar auf eine Rückzahlung von Beiträgen hoffen?
Die Hoffnung können die Betroffenen wohl begraben. Gedacht ist an einen Stichtag, etwa den 1. Januar nächsten Jahres, ab dem eine Entlastung greift. Erst ab diesem Zeitpunkt sinken die Abgaben.
Lässt sich die Beitragspflicht umgehen?
Das ist nur in engen Grenzen möglich, wie die Anlageexpertin Sara Zinnecker vom Verbraucherportal finanztip.de erläutert. „Entrinnen kann man den Beiträgen nur, wenn die Versorgungsbezüge 2018 unter 152,25 Euro im Monat bleiben“, sagt sie, „dies sollte man bei der Wahl zwischen einer einmaligen Auszahlung oder einer Verrentung am Ende des Vertrags prüfen“. Es kann also sein, dass man bei einer Einmalzahlung Abgaben bezahlen muss, bei ei- ner Rentenzahlung nicht. Sinnvoll ist es bei einem Arbeitgeberwechsel auch, die Direktversicherung vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer umschreiben zu lassen. Dann werden die Kassenbeiträge nur für die erste Zeit im Betrieb fällig.
Müssen auf die Betriebsrenten auch Steuern bezahlt werden?
Die Betriebsrenten müssen voll versteuert werden. Da das Alterseinkommen in der Regel viel niedriger ist als der letzte Lohn, schlägt die Besteuerung jedoch nicht so stark durch wie in der Erwerbsphase. Das gilt auch für die Direktversicherung, die als eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen wird. Private, vor dem Jahr 2005 abgeschlossene Lebensversicherungen, sind bei der Auszahlung am Ende der Laufzeit dagegen steuerfrei. Erst bei einer Verrentung steht das Finanzamt vor der Tür.