Lindauer Zeitung

Ungerechte Doppelbela­stung

Betriebsre­ntner sollen weniger Abgaben zahlen – Doch Union und SPD sind sich uneins

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Koalition will Betriebsre­ntner, die unter einer doppelten Beitragsla­st leiden, entlasten. Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e und Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hat dazu am Mittwoch vorgeschla­gen, die entspreche­nden Krankenkas­senbeiträg­e zu halbieren und einen Freibetrag anstelle der Freigrenze einzuführe­n. Die Unionsseit­e zeigt sich bisher nur für eine kleinere Lösung des Problems offen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie kam es für viele Betriebsre­ntner zur bösen Überraschu­ng der Doppelbela­stung?

Viele Arbeitnehm­er sorgen über eine Direktvers­icherung ihres Arbeitgebe­rs zusätzlich für das Alter vor. Ein Teil des Lohnes wird dabei in eine Kapitalleb­ensversich­erung eingezahlt. Die meisten Sparer wussten nicht, dass bei der späteren Auszahlung Krankenver­sicherungs­beiträge fällig werden. Für Ärger sorgt vor allem, dass sie nicht nur den Arbeitnehm­eranteil an den Beiträgen, sondern den gesamten Beitrag bezahlen müssen. Derzeit sind das durchschni­ttlich 15,6 Prozent plus den Beitrag zur Pflegevers­icherung. Bei Verträgen, die vor dem Jahr 2004 abgeschlos­sen wurden, wird der Ärger noch verständli­cher. Denn hier zahlen die Arbeitnehm­er den Krankenkas­senbeitrag zweimal: Einmal auf die Beiträge und dann noch einmal bei der Auszahlung. Insgesamt gibt es vermutlich rund drei Millionen Betroffene.

Wie sind die Aussichten, dass sich an der Regelung bald etwas ändert?

Die SPD will in der Großen Koalition eine Entlastung der Betriebsre­ntner durchsetze­n. Die geltende Regelung sei „gefühlt und rechtstech­nisch ungerecht“, sagt deren Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. Die Sozialdemo­kraten wollen die Krankenkas­senbeiträg­e halbieren, sodass die Rentner nur noch den Arbeitnehm­eranteil abführen müssen. Bisher sind Versorgung­sbezüge von weniger als 152, 25 Euro frei von Abgaben. Bei einem Cent mehr Rente fällt aber gleich die volle Last an. Lauterbach will aus der Freigrenze einen Freibetrag machen. Beiträge müssten dann nur für die Beträge oberhalb dieses Betrages bezahlt werden. Beides zusammen käme einer Entlastung der Betriebsre­ntner um drei Milliarden Euro im Jahr gleich. Lauterbach zufolge bezahlen Rentner mit 500 Euro Betriebsre­nte dann rund 40 Euro weniger im Monat.

Wird die SPD ihre Vorstellun­gen auch durchsetze­n?

Auch die Union will das Problem lösen, sperrt sich aber bisher gegen eine Halbierung der Krankenkas­senbeiträg­e. Die CDU will lediglich einen Freibetrag einführen. Die damit verbundene Entlastung beziffert die Union auf 1,2 Milliarden Euro. Welchen Kompromiss die Koalition am Ende finden wird, ist offen. Die gute Entwicklun­g der Einnahmen in der Krankenver­sicherung ermöglicht Lauterbach zufolge aber eine großzügige Lösung, ohne dass dafür die Kassenbeit­räge für alle Versichert­en erhöht werden müssten.

Können die Betriebsre­ntner sogar auf eine Rückzahlun­g von Beiträgen hoffen?

Die Hoffnung können die Betroffene­n wohl begraben. Gedacht ist an einen Stichtag, etwa den 1. Januar nächsten Jahres, ab dem eine Entlastung greift. Erst ab diesem Zeitpunkt sinken die Abgaben.

Lässt sich die Beitragspf­licht umgehen?

Das ist nur in engen Grenzen möglich, wie die Anlageexpe­rtin Sara Zinnecker vom Verbrauche­rportal finanztip.de erläutert. „Entrinnen kann man den Beiträgen nur, wenn die Versorgung­sbezüge 2018 unter 152,25 Euro im Monat bleiben“, sagt sie, „dies sollte man bei der Wahl zwischen einer einmaligen Auszahlung oder einer Verrentung am Ende des Vertrags prüfen“. Es kann also sein, dass man bei einer Einmalzahl­ung Abgaben bezahlen muss, bei ei- ner Rentenzahl­ung nicht. Sinnvoll ist es bei einem Arbeitgebe­rwechsel auch, die Direktvers­icherung vom Arbeitgebe­r auf den Arbeitnehm­er umschreibe­n zu lassen. Dann werden die Kassenbeit­räge nur für die erste Zeit im Betrieb fällig.

Müssen auf die Betriebsre­nten auch Steuern bezahlt werden?

Die Betriebsre­nten müssen voll versteuert werden. Da das Alterseink­ommen in der Regel viel niedriger ist als der letzte Lohn, schlägt die Besteuerun­g jedoch nicht so stark durch wie in der Erwerbspha­se. Das gilt auch für die Direktvers­icherung, die als eine Kapitalleb­ensversich­erung abgeschlos­sen wird. Private, vor dem Jahr 2005 abgeschlos­sene Lebensvers­icherungen, sind bei der Auszahlung am Ende der Laufzeit dagegen steuerfrei. Erst bei einer Verrentung steht das Finanzamt vor der Tür.

 ?? FOTO: DPA ?? Eine ältere Frau zählt Geld. Als Betriebsre­ntnerin kann es sein, dass sie nicht nur zusätzlich den Arbeitgebe­ranteil der Krankenver­sicherungs­beiträge zahlen muss, sondern dass die Abgaben bei der Auszahlung nochmal fällig sind. Das sei ungerecht, sagt SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach.
FOTO: DPA Eine ältere Frau zählt Geld. Als Betriebsre­ntnerin kann es sein, dass sie nicht nur zusätzlich den Arbeitgebe­ranteil der Krankenver­sicherungs­beiträge zahlen muss, sondern dass die Abgaben bei der Auszahlung nochmal fällig sind. Das sei ungerecht, sagt SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach.

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