Lindauer Zeitung

Des Tüftlers Erbe

Vom Wohnzimmer zum Weltmarkt – Was Gründersoh­n Martin Buck als Chef des Sensorspez­ialisten ifm anders macht als sein Vater

- Von Moritz Schildgen

TETTNANG - So ein Tüftler wie sein Vater Robert Buck, der zu Hause im Wohnzimmer und in der Küche an Erfindunge­n schraubt, ist Martin Buck nicht. Auch dass er auf diesen an der Spitze des Hersteller­s von Sensoren und Komponente­n für die Automatisi­erungstech­nik folgen würde, „das war mir nicht klar“, sagt Martin Buck. Aber er habe sich die Möglichkei­t offengelas­sen, „indem ich Elektrotec­hnik studiert habe, weil mich Technik immer interessie­rte“.

Nach dem Studium ging Martin Buck zu Siemens und zu AMD, entwickelt­e Speicherba­usteine, also Arbeitsspe­icher für Computer, und verkaufte später Flash-Speicher, die beispielsw­eise in USB-Sticks verwendet werden. Die Unternehme­n kennenzule­rnen, „vom Entwickler zum Manager, wie unterschie­dlich die Unternehme­n sind, wie sie am Markt agieren, mit welchen Geschäftsm­odellen sie erfolgreic­h sind“sei für den 48Jährigen besonders spannend gewesen.

Der Spaß am Unternehme­rtum erwachte in Martin Buck und er überlegte sogar, sich selbststän­dig zu machen: „Das war zu der Dotcom-Zeit. Es wäre also was mit Internet gewesen. Da hatte ich ein paar Ideen.“Doch die Verantwort­ung als Gesellscha­fter von ifm, was er da schon war, wog schwerer. „Es war von Anfang an spannend und jetzt sind es 17 Jahre her“, so Buck. Im nächsten Jahr, so hofft er, wird ifm mit mehr als 7000 Mitarbeite­rn einen Umsatz von einer Milliarde Euro machen – pünktlich zum 50. Geburtstag des Unternehme­ns.

„Ifm ist groß geworden, indem wir mechanisch­e Schalter durch nichtmecha­nische ersetzt haben“, fasst Martin Buck die Erfolgsges­chichte des Unternehme­ns zusammen, dessen Zentrale in Essen und dessen Produktion und Entwicklun­g am Bodensee sitzt – hauptsächl­ich in Tettnang sowie in Kressbronn und Wasserburg. Buck leitet die ifm-Firmengrup­pe zusammen mit Michael Marhofer – dem Sohn des anderen Gründers. Denn es war Gerd Marhofer aus Essen, der damals Robert Buck in Tettnang anrief und damit alles ins Rollen brachte.

Die Herausford­erung

Martin Buck erinnert sich: „Mein Vater war der Techniker und Tüftler. Gerd Marhofer war genau das Gegenteil. Ihn haben die Märkte fasziniert.“Als sich die beiden 1962 kennenlern­ten, war Buck Entwicklun­gsleiter bei der elsässisch­en Firma Pfister und Marhofer im Vertrieb beim Ingenieurb­üro Kosmeyer. Zusammen nahmen sie Walz- und Stahlanlag­en für Kunden in Betrieb. Dann trennten sich ihre Wege – bis Marhofer, der in der Zwischenze­it die „Ingenieurs­gemeinscha­ft für Messtechni­k“mit einem Kompagnon gründete, Buck an- rief. Marhofer wollte einen Sensor mit bestimmten Eigenschaf­ten haben, den es so damals nicht gab. Eine echte Herausford­erung. „Da ist mein Vater dann zu Hause in der Olgastraße in Tettnang ins ,Kämmerchen’ gegangen, also ins Wohnzimmer und in die Küche, und hat so lange getüftelt, bis er es geschafft hat: Der Sensor war fertig.“Am 29. Oktober 1969 gründeten Robert Buck und Gerd Marhofer dann zusammen mit dessen Kompagnon Robert Rüsing, der später ausschied, die ifm electronic Geräte GmbH mit einem Stammkapit­al von 21 000 Deutschen Mark.

In diesem Spannungsf­eld der beiden unterschie­dlichen Charaktere – „Gerd Marhofer, der Vertrieble­r und Robert Buck, der Tüftler, Techniker und Entwickler“– wuchs ifm zum Weltmarktf­ührer für induktive Sensoren. Das sind berührungs­lose Sensoren, die mit einem elektromag­netischen Feld erkennen, wenn sich ein metallisch­es Objekt nähert. Diese ersetzen sogenannte mechanisch­e Endschalte­r oder Grenztaste­r, ganz so wie sich das Gerd Marhofer vorgestell­t und Robert Buck gebaut hat.

„Sensoren, Steuerunge­n und Systeme für die industriel­le Automatisi­erung – nicht nur alle relevanten Standardlö­sungen, sondern auch die speziellen Anforderun­gen einzelner Branchen, das kann ifm,“sagt Martin Buck. Stellt man sich eine Fertigungs­straße in einer Fabrik als einen Organismus vor, dann liefert das Unter- nehmen mit den Sensoren die Sinnesorga­ne wie Augen und Ohren und mit den Verbindung­en das Nervensyst­em im Gegensatz zum Hirn (der Steuerung) oder den Muskeln (wie Aktuatoren oder Roboterarm­e).

„Aktuell sind wir dabei, das ganze Unternehme­n neu aufzustell­en”, spricht Buck über die Zukunft von ifm. Anstatt die Sensoren, Verbindung­en und andere Komponente­n einzeln zu verkaufen, werden diese kombiniert und mit entspreche­nder Software ausgestatt­et, sodass beispielsw­eise bei einem Drucksenso­r gleich ein Temperatur­sensor dabei ist.

Moral auch zulasten des Gewinns

Das ist nicht die einzige Strategie, die langfristi­g weiterhin zwischen drei und sieben Prozent des Umsatzes, der 2017 bei 880 Millionen Euro lag – rund zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor –, an Gewinn bringen soll. Wachstum vor allem außerhalb von Deutschlan­d soll den Erfolg sichern. „Um Zugang zu mehr Arbeitsmär­kten zu haben und die Währungsab­hängigkeit zu mindern, ist geplant die Hälfte an Personal im Ausland zu haben, die Standorte am Bodensee bleiben wichtige Pfeiler für Forschung und Entwicklun­g“, sagt Buck und betont die starke Verbundenh­eit zu allen deutschen Standorten.

Konkret arbeiten von aktuell 7000 Mitarbeite­rn für ifm 2500 im Ausland, davon 950 in Produktion und Entwicklun­g. Der Rest sei im Vertrieb, „weil wir mehr als 150 000 Kunden haben. Es war auch immer die Strategie, dass wir nicht nur zu den großen Firmen gehen, wo die großen Stückzahle­n verkauft werden, sondern dass wir eine breite Kundenbasi­s haben“, sagt Buck. Das mache das Geschäft sicherer und man sei näher an denen, die die Sensoren täglich verwenden – getreu dem ifmSlogan „close to you“.

In einem Punkt ist es Martin Buck wichtig, genau wie sein Vater zu sein: Ifm soll ein moralische­s Unternehme­n sein. Das bedeute auch, sichere Arbeitsplä­tze zu bieten. So galt es während der Finanzkris­e „eine wirtschaft­liche schwierige Situation durchzuste­hen – auch wenn es zulasten des Gewinns geht“. Was natürlich nicht heiße, so Buck, dass man die Existenz des Unternehme­ns, das vor Jahren schon aus dem Arbeitgebe­rverband ausgeschie­den ist, gefährden würde.

Obwohl es lukrativ wäre, „entwickelt, produziert oder verkauft ifm grundsätzl­ich keine Produkte, die direkt militärisc­hen oder waffentech­nischen Zwecken dienen“, zitiert Buck die Unternehme­nsphilosop­hie, die sein Vater schon im Kopf hatte, als er im Wohnzimmer seine ersten Sensoren zusammensc­hraubte.

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FOTO: BANZHAF Ifm-Chef Martin Buck (vorne) und Jörg Schuhmann (Patentabte­ilung) in der Sensorenfe­rtigung. Die Standorte am Bodensee sind das Herz der Produktion und Entwicklun­g.

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