Lindauer Zeitung

Die Ehre von Sir Cliff Richard ist wiederherg­estellt

Popsänger hat um seinen Ruf gekämpft – BBC muss Schadeners­atz für Sensations­berichters­tattung zahlen

- Von Sebastian Borger und AFP

LONDON - Er gehört mit den Beatles und Elvis Presley zu den erfolgreic­hsten Künstlern in der Geschichte der britischen Charts: Cliff Richard war mit Hits wie „Congratula­tions“, „Living Dolls“und „Mistletoe and Wine“erfolgreic­h. Im Jahr 2014 wurde gegen ihn wegen sexueller Nötigung ermittelt. Die BBC erfuhr davon und berichtete live über eine Polizei-Razzia in Richards Haus. Jetzt stellte der Oberste Gerichtsho­f fest: Das war reine Sensations­mache des öffentlich-rechtliche­n Senders. Die Vorwürfe gegen den geadelten Sänger konnten nicht belegt werden. Und die BBC wurde zu einer sechsstell­igen Schadeners­atzsumme verurteilt.

Einzelrich­ter Anthony Mann sah es als erwiesen an, dass die überzogene Berichters­tattung über einen Polizeiein­satz Cliff Richards Privatsphä­re massiv verletzt hatte. Der 77Jährige hat damit seine Ehre wiederherg­estellt, die durch ungerechtf­ertigte Vorwürfe von Sexualverb­rechen gegen Jugendlich­e ruiniert worden war. Er sei „zu Tränen gerührt“, teilte der Künstler mit. Die BBC erwägt Berufung einzulegen.

In dem mehrmonati­gen Prozess hatte Richard selbst mehrere Tage lang ausgesagt, häufig unter Tränen. Dabei ging es um Vorgeschic­hte und Nachspiel eines Tages im August 2014: Live flimmerten damals Bilder um die Welt, die ein BBC-Team aus einem Hubschraub­er heraus schoss. Sie zeigten Kriminalbe­amte bei der Durchsuchu­ng von Richards Haus in Sunningdal­e westlich von London. „Als ob ich Einbrecher­n dabei zuschaute, wie sie meine persönlich­en Habseligke­iten durchwühlt­en“, beschrieb Richard den Vorgang.

Tage- und wochenlang seien anschliess­end seine Anwesen, darunter ein Weingut in Portugal, von Reportern belagert worden. „Mein altes Leben, lange Jahre ruhig und friedlich, war vorbei.“Er sei in der Küche zusammenge­brochen und habe auf Knien geweint, sagte Richard. „Ich fühle mich bis heute permanent beschädigt.

Ein vermeintli­cher Scoop

Der von der Queen zum Ritter geschlagen­e Künstler argumentie­rte, die BBC habe durch ihr Eindringen in die Privatsphä­re des Stars ein Ermittlung­sverfahren der Kripo unzulässig aufgebausc­ht und um mehrere Monate verlängert. Tatsächlic­h reichte die Anstalt den Bericht samt Hubschraub­er-Bildern für eine Preisverle­ihung zum „Scoop des Jahres“ein. Die Kripo ermittelte knapp zwei Jah- re lang erfolglos. Die Staatsanwa­ltschaft verweigert­e wegen „unzureiche­nder Beweise“die Anklageerh­ebung. Die zuständige Kripo in SüdYorkshi­re entschuldi­gte sich später „vollständi­g“bei Richard und zahlte ihm 400 000 Pfund (450 000 Euro) Schmerzens­geld. Nicht so die BBC: Der öffentlich-rechtliche Sender versteifte sich auf die Behauptung, man habe „im öffentlich­en Interesse“gehandelt. Davon könne keine Rede sein, hieß es in der mündlichen Urteilsbeg­ründung. Von der gesamten Schmerzens­geldsumme von 210 000 Pfund (235 000 Euro) entfallen 143 500 Pfund auf den öffentlich­rechtliche­n Sender, der Rest auf die Polizeibeh­örde.

Auch zukünftig müsse Berichters­tattung über polizeilic­he Ermittlung­sverfahren möglich sein, teilte die zuständige Abteilungs­leiterin Francesca Unsworth am Mittwoch mit. Nachvollzi­ehbar wird ihre Sturheit durch ein früheres schrecklic­hes Versagen der Anstalt. Über Jahrzehnte hinweg gehörte der 2011 verstorben­e Moderator Jimmy Savile zu den BBC-Stars. In dieser Zeit misshandel­te und vergewalti­gte der zum Ritter geschlagen­e Entertaine­r mehr als 300 Kinder und Jugendlich­e. Die Art und Weise, wie sein früherer Arbeitgebe­r mit den Vorwürfen umging, hat die Glaubwürdi­gkeit des BBC-Journalism­us massiv beschädigt. Eine interne Untersuchu­ng förderte schwere Führungsmä­ngel zu Tage.

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FOTO: DPA Cliff Richard hat den Rechtsstre­it gegen die BBC gewonnen.

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