Hier ist die Welt nicht in Ordnung
„Landrauschen“– Ein Neo-Heimatfilm mit einer erfrischenden Hauptdarstellerin
Bubenhausen statt Berlin. Nach aufregenden, aber auch prekären Jahren in der deutschen Hauptstadt, sitzt die Endzwanzigerin Toni plötzlich wieder im spießbürgerlichen Elternhaus ihres Heimatdorfes irgendwo an der bayerischschwäbischen Peripherie. Bis es mit ihrer Karriere wieder aufwärts geht, muss Toni zwangsläufig mit ihren Eltern unter einem Dach wohnen. Dabei kracht es schon in den ersten Tagen: Toni ist längst nicht mehr die kleine Tochter, was ihre konservativen Eltern aber anders sehen.
Mit ihren zwei Hochschulabschlüssen und allerlei Expertisen in zeitgenössischer Soziologie wird sie nun Praktikantin der Heimatzeitung. Nach wenig erfreulichen Begegnungen mit ehemaligen Schulkameraden bringt zumindest die lebenslustige Rosa frischen Wind in ihr kriselndes Leben. Auf diese Weise mutiert auch der satirisch überhöhte und zumeist mit Laien besetzte Neo-Heimatfilm „Landrauschen“von Lisa Miller in eine queere Selbstfindungsgeschichte zweier Frauen, die in dieser Lebenswelt eigentlich nur etwas mehr Respekt und Zuneigung suchen.
Dass „Landrauschen“eine mit grotesken Elementen gespickte Aufbruchs- und Ausbruchsgeschichte wurde, liegt in erster Linie an der erfrischender Performance der Hauptdarstellerin Kathi Wolf. Für das Drehbuch hat die 1986 in Krumbach geborene Autodidaktin Lisa Miller ei- gene Lebensstationen verarbeitet. Im Ganzen ist ihr Filmdebüt, das auf dem Max Ophüls Festival gleich drei Preise erhielt, authentischer im Tonfall als die bayerischen Filme von Marcus H. Rosenmüller und weniger rührselig als Adolf Winkelmanns jüngste Ruhrpott-Hommage „Junges Licht“(2016). Allerdings besitzt die mitunter hanebüchene Dramaturgie keineswegs die gesellschaftspolitische Sprengkraft von Rainer Werner Fassbinders „Katzelmacher“(1969). Und eine zarte Poetik, wie sie Valeska Grisebach in „Sehnsucht“(2006) als Markenzeichen etabliert hat, schimmert nur gelegentlich, dafür aber in wunderbar stimmigen Tanzszenen durch. (KNA)