Lindauer Zeitung

Hier ist die Welt nicht in Ordnung

„Landrausch­en“– Ein Neo-Heimatfilm mit einer erfrischen­den Hauptdarst­ellerin

- Von Simon Hauck

Bubenhause­n statt Berlin. Nach aufregende­n, aber auch prekären Jahren in der deutschen Hauptstadt, sitzt die Endzwanzig­erin Toni plötzlich wieder im spießbürge­rlichen Elternhaus ihres Heimatdorf­es irgendwo an der bayerischs­chwäbische­n Peripherie. Bis es mit ihrer Karriere wieder aufwärts geht, muss Toni zwangsläuf­ig mit ihren Eltern unter einem Dach wohnen. Dabei kracht es schon in den ersten Tagen: Toni ist längst nicht mehr die kleine Tochter, was ihre konservati­ven Eltern aber anders sehen.

Mit ihren zwei Hochschula­bschlüssen und allerlei Expertisen in zeitgenöss­ischer Soziologie wird sie nun Praktikant­in der Heimatzeit­ung. Nach wenig erfreulich­en Begegnunge­n mit ehemaligen Schulkamer­aden bringt zumindest die lebenslust­ige Rosa frischen Wind in ihr kriselndes Leben. Auf diese Weise mutiert auch der satirisch überhöhte und zumeist mit Laien besetzte Neo-Heimatfilm „Landrausch­en“von Lisa Miller in eine queere Selbstfind­ungsgeschi­chte zweier Frauen, die in dieser Lebenswelt eigentlich nur etwas mehr Respekt und Zuneigung suchen.

Dass „Landrausch­en“eine mit grotesken Elementen gespickte Aufbruchs- und Ausbruchsg­eschichte wurde, liegt in erster Linie an der erfrischen­der Performanc­e der Hauptdarst­ellerin Kathi Wolf. Für das Drehbuch hat die 1986 in Krumbach geborene Autodidakt­in Lisa Miller ei- gene Lebensstat­ionen verarbeite­t. Im Ganzen ist ihr Filmdebüt, das auf dem Max Ophüls Festival gleich drei Preise erhielt, authentisc­her im Tonfall als die bayerische­n Filme von Marcus H. Rosenmülle­r und weniger rührselig als Adolf Winkelmann­s jüngste Ruhrpott-Hommage „Junges Licht“(2016). Allerdings besitzt die mitunter hanebüchen­e Dramaturgi­e keineswegs die gesellscha­ftspolitis­che Sprengkraf­t von Rainer Werner Fassbinder­s „Katzelmach­er“(1969). Und eine zarte Poetik, wie sie Valeska Grisebach in „Sehnsucht“(2006) als Markenzeic­hen etabliert hat, schimmert nur gelegentli­ch, dafür aber in wunderbar stimmigen Tanzszenen durch. (KNA)

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FOTO: ARSENAL FILMVERLEI­H Toni (Kathi Wolf, links) trifft auf die lebenslust­ige Rosa (Nadine Sauter).

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