Als ob man durch einen Strohhalm atmet
Im Memminger Klinikum lernen Kinder, die Asthma haben, mit der Krankheit umzugehen
MEMMINGEN - Wer eine Minute lang mit geschlossener Nase durch einen Strohhalm atmet, spürt am eigenen Leib, wie sich ein Asthma-Anfall anfühlt. Hanna Dlugokinski aus Aitrach braucht dafür keinen Strohhalm. Seit etwa zehn Jahren hat sie die anfallartig auftretende Kurzatmigkeit. Wann sich die Bronchien der Zwölfjährigen das nächste Mal so verengen, dass sie kaum noch Luft bekommt, kann niemand vorhersagen. Deshalb bereitet sich Hanna darauf vor. Etwa mit dem Besuch einer Schulung im Memminger Klinikum. Dort lernen Kinder und Jugendliche, im Notfall richtig zu reagieren, auf Signale zu achten und was sich während einer Atemnot in ihrer Lunge abspielt.
Am Boden vor Hanna liegen vier Kreise aus Karton. Sie stellen die Bronchien im Querschnitt dar. Drei farbige Ringe symbolisieren deren Aufbau: Muskeln (rot), Schleimhäute (rosa) und Schleim (gelb). Die Bronchien transportieren die eingeatmete Luft in die Lunge und wieder hinaus. Die vier laminierten Kreise zeigen, wie sich Bronchien vom Normalzustand in drei Stadien verengen. Das zu wissen, ist für Hanna wichtig. Nur wenn sie selbst weiß, in welchem Stadium sich ihre Bronchien befinden, kann sie richtig reagieren: zum Notfall-Spray greifen, Tabletten schlucken oder den Krankenwagen rufen.
Nicht nur Hanna wird geschult. Ein paar Türen weiter sitzt ihre Mutter Christina. Die 44-Jährige lernt, welche Nebenwirkungen die Medikamente ihrer Tochter haben. Denn in den Sprays ist Cortison, ebenso in den Tabletten. Das macht ihr Angst. Asthmatrainerin Bianca Hefele klärt auf: Das Spray legt sich als Schutz auf Hannas Bronchien. Es wirkt lokal in der Lunge. „Daher hat es nicht die Nebenwirkungen, die man von Tabletten kennt.“Allerdings greifen Rückstände des Sprays Zahnschmelz und Mundhöhle an. Sie rät daher zu einer Einnahme vor dem Zähneputzen.
„Ich weiß jetzt, dass ich das Spray auch länger nehmen muss“, sagt Hanna. Bis vor einem Jahr hatte sie kaum Beschwerden und nahm daher ihr Medikament unregelmäßig, zum Beispiel, wenn sie erkältet war. Das änderte sich mit einer Lungenentzündung: „Sie ist nicht mehr gut auf die Füße gekommen“, erzählt Mutter Christina. Seitdem ist ihr Asthma schlimmer. Beispielsweise hustet sie verstärkt. Vor sechs Wochen kam sie erneut ins Krankenhaus, abermals mit einer Lungenentzündung und einem Infekt. „Hanna hat so viele Fehlzeiten wie Ferien“, sagt Christina Dlugokinski.
Manche Mitschüler beneideten sie, weil sie so oft nicht in die Schule müsse, erzählt Hanna. Für sie ist das schwer zu verstehen: Denn durch Infekte und Krankenhausaufenthalte verpasst sie viel Stoff. Und den muss sie nachholen. Auch in den Ferien. Sobald sie wieder in die Schule geht, muss sie alle Arbeiten nachschreiben. Hustet sie im Klassenzimmer, stört sie laut einigen Lehrern den Unterricht. Am liebsten würde die Realschülerin an solchen Tagen zu Hause bleiben. Denn Hanna hustet auch nachts. Das bedeutet zum einen, dass sie schlecht schläft, und zum anderen, dass sie Schmerzen hat. Hustet sie, verkrampft sich ihr Körper. Das tut weh. Sie geht trotzdem zur Schule: „Ich kann nicht immer fehlen“, sagt sie.
Auf den Notfall vorbereiten
Für Jugendliche wie Hanna ist es wichtig, ihre Krankheit und ihre Kräfte selbst einschätzen zu können. Dazu gehört, auf den Körper zu hö- ren: „Hörst Du ein Brummen oder Pfeifen? Musst Du Dich räuspern?“, sagt Hanna und zählt damit Fragen auf, die sie in der Aeroflott-Asthmaschulung lernt. Dort spielt sie auch alltägliche Situationen durch. „Damit sie weiß, wann sie eine Pause braucht und diese auch einfordert, aber auch, um sich mehr zuzutrauen“, erklärt Kinderkrankenschwes- ter Gabi Rauh. Schlecht Luft zu bekommen, das strengt an. „Nach der Schule bin ich einfach durch“, erzählt Hanna. Es frustriert sie, denn bis vor einem Jahr war sie beim Laufen die Schnellste.
Hanna läuft gerne. Manchmal vergisst sie ihr Asthma. Dann rennt sie los. Bis sich nach wenigen Metern ihre Bronchien zuschnüren.