Selbstwertschätzung schützt vor dem Fall
Ex-Junkie erzählt von seinem Leben mit Drogen und davon, wie es ohne geht
LINDAU – Er hat gesoffen, gekifft und fünf Jahre lang jede Droge genommen, die er bekommen konnte. Er hat Drogen verkauft, saß mit 21 Jahren in der Hochsicherheitsjugendhaft und wäre beinahe gestorben. Hatte er zu Beginn seiner Drogenkarriere noch geglaubt, er sei der Allergrößte, musste er am Ende feststellen, ganz unten gelandet zu sein. „Warum? Weil ich süchtig war.“Wie es dazu kam, erzählte Dominik Forster in seinem Vortrag „Klar.Kommen“auf Einladung des Kulturamts, der Gleichstellungsstelle des Landratsamtes, des Jugendamts sowie des Arbeitskreises „Wege aus der Gewalt“im Lindauer Stadttheater.
Eigentlich würde Dominik Forster am liebsten auf einer großen Bühne mit 10 000 Zuschauern stehen und seine Geschichte erzählen. An diesem Abend steht der 29-jährige ExJunkie, der sonst vor allem Schulklassen besucht, zumindest auf der Bühne des Stadttheaters und freut sich über das Publikum, das die Plätze des ersten Drittels des Parketts belegt. Denn wenigstens werden sie seine Botschaften hören. An die Erwachsenen gerichtet sagt er: „Wichtig ist, dass gefragt wird, warum Drogen genommen werden. Denn Drogenkonsum ist immer nur ein Glied in der Kette der Geschichte. Das macht keiner freiwillig, und das muss aufgedeckt werden“. Und zwar schon bevor die Kinder Drogen nähmen und nicht erst, wenn sie schon süchtig seien.
Probleme der Kinder erkennen, Selbstbewusstsein stärken
Es gelte zu erkennen, wenn Kinder Probleme haben. Um dann ihr Selbstbewusstsein zu fördern und dadurch zu verhindern, dass sie Drogen nehmen, um sich stark zu fühlen. Oder, wie Forster es auf seine eigene Lebensgeschichte bezogen ausdrückte: „Man hätte dem Spast sagen müssen, er muss sich besser wertschätzen.“
Er, der kleine, unscheinbare und von seinen Mitschülern gemobbte Spätentwickler hatte sich damals seinen vom Leben gezeichneten Eltern nicht anvertrauen wollen und die vermeintliche Lösung mit 17 in den Drogen gefunden. Bevor es so weit gekommen wäre, hätte er jemanden gebraucht, der sein Leid erkennt. „Warum helfen wir den Leuten erst, wenn es ihnen so richtig schlecht geht? Besser, wir helfen ihnen vorher“, sagte er. Dieser Ansatz müsse, angesichts der immensen Kosten für einen Therapieplatz, auch im Interesse der Gesellschaft sein.
Er hat überlebt – keine Selbstverständlichkeit
Aber nicht nur deshalb will er durch seine Aufklärung etwas verändern. Auch, weil es nicht selbstverständlich ist, dass er überlebt hat. Und auch deshalb, weil er viele Freunde und Weggefährten an die Sucht verloren hat. Nicht nur an die Drogen, auch an den Alkohol. Sein Vater, so erzählt er, habe sich behindert gesoffen und seine Mutter habe sich mit Medikamenten kaputt gemacht. Er selbst wäre nach seinen jahrelangen Drogenexzessen fast gestorben. Und keinen seiner angeblichen Freunde habe dies interessiert. Heute leide er unter psychischen Krankheiten, posttraumatischen Belastungsstörungen, Panikattacken, Paranoia, seine Bauchspeicheldrüse sei kaputt, er habe Asthma und irgendeine Stelle in seinem Körper sei immer entzündet. Aber er hat überlebt. Und deshalb will er den Jugendlichen mit seiner Geschichte sagen, dass es nicht richtig sei, zu glauben, der Sinn des Lebens bestehe darin, Partys zu feiern, „300 Frauen wegzuknallen“, sich mit Drogen in eine unwirkliche Blase zu begeben und mit all dem genau das zu machen, was insbesondere in der Hip-Hop-Musik verherrlichend besungen werde. Vielmehr will er ihnen sagen – und das ist seine Botschaft an die Jugendlichen: „Es gibt kein besseres Gefühl als Freude am Leben zu haben, einen Job, der Spaß macht, eine gute Beziehung, ein paar echte Freunde und Leidenschaft.“
Die eigene Botschaft zu leben funktioniert
Den Job, den er heute macht, nachdem er seit acht Jahren clean, seit fünf Jahren trocken ist und sechs Jahre Therapie hinter sich hat, macht ihm Spaß, und er sieht ihn als eine Berufung. Seit er Schülern nach seinen Vorträgen in die Augen sieht und merkt, dass er ihre Sprache spricht, weiß er: „Ich muss das machen.“
Mittlerweile hat Forster auch zwei Bücher veröffentlicht. Und im September wird er heiraten. Leidenschaft „kann jeder sofort finden“, sagt Forster. Beim Fußball etwa, beim Tanzen, oder wie er, beim Klettern und neuerdings auch beim Boxen. Nach eineinhalb Stunden boxen verspüre er das gleiche Hochgefühl wie damals mit den Drogen. Und, so gibt er zu bedenken, wer am nächsten Tag zum Fußball muss, der säuft sich am Abend vorher nicht voll.“