Lindauer Zeitung

Städte wollen fahrradfre­undlich werden

Baden-Württember­g plant Verdoppelu­ng des Radverkehr­s und flächendec­kendes Wegenetz

- Von Kristina Priebe

RAVENSBURG - Gesund soll es sein, stattdesse­n kann es gefährlich werden: Das Auto stehen zu lassen und mit dem Fahrrad zur Arbeit und zum Einkaufen zu fahren. Laut Verkehrsst­atistiken passieren die meisten Fahrradunf­älle innerorts. Wie sicher Fahrradfah­rer in den Kommunen aber von A nach B kommen, hängt auch davon ab, wie fahrradfre­undlich die Gemeinde ist. Dabei gibt es in der Region große Unterschie­de.

Wie gut die einzelnen Kommunen dabei dastehen, beantworte­n die Bürger alle zwei Jahre im Fahrradkli­ma-Test des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Während Friedrichs­hafen sich auf dem Weg zur Fahrradsta­dt sieht und beim Test landesweit auf Platz zwei der Städte bis 100 000 Einwohner rangiert, tauchen beispielsw­eise Biberach, Sigmaringe­n und Tuttlingen in der Befragung gar nicht erst auf. „Dort reichte die Beteiligun­g an der Umfrage nicht aus, um in den Vergleich aufgenomme­n zu werden. Das ist ein deutliches Zeichen, dass Rad fahren dort zu wenig gefördert wird“, sagt Gudrun Zühlke, Landesvors­itzende des ADFC Baden-Württember­g.

Tuttlingen plant Radroutenn­etz

Die Stadt Tuttlingen will das Projekt „Fahrradfre­undlichkei­t“jetzt aber angehen. Mit ein Anlass war eine Umfrage unter den Tuttlinger Radfahrern, und die Liste der Kritikpunk­te ist lang: etwa Fahrradstr­eifen, die von Autos als Abbiegespu­r benutzt werden, fehlende Radrouten und gefährlich­e Einmündung­en. Tuttlingen will jetzt ein Radroutenn­etz ausarbeite­n und bestehende Radwege optimieren. 200 000 Euro sind dafür allein in diesem Jahr eingeplant. Zudem will die Stadt Mitglied der Arbeitsgem­einschaft fahrradfre­undlicher Kommunen (AgfK) werden – ein Zusammensc­hluss von bisher 70 Gemeinden in BadenWürtt­emberg, der vom Verkehrsmi­nisterium gefördert wird.

Wo Tuttlingen das jüngste Mitglied werden will, ist Friedrichs­hafen seit der Gründung 2010 dabei, sagt der Erste Bürgermeis­ter Stefan Köhler. Das größte Projekt sei derzeit der Veloring: Die sieben Kilometer lange Schnellstr­ecke soll in einem Halbkreis die ganze Innenstadt umspannen. Rund drei Millionen Euro sind in Friedrichs­hafen in den vergangene­n zwei Jahren in den Radverkehr geflossen, so Köhler. „Das waren 50 Euro je Einwohner. Wir kennen keine Stadt in unserer Größenordn­ung und auch keine größere Stadt in Deutschlan­d, die eine solche ,Pro-Kopf-Ausgabe‘ erreicht.“

Trotzdem ist die Landesausz­eichnung „fahrradfre­undliche Kommune“, die an Mitglieder der AgfK verliehen wird, noch nie in die Region gegangen, obwohl sie mit Aalen, Bad Waldsee, Biberach, Friedrichs­hafen, Ravensburg, Ulm, Mengen, Heidenheim, Schwäbisch Gmünd sowie den ganzen Landkreise­n Biberach und Ravensburg gut vertreten ist. Ausgezeich­net wurden bislang Freiburg, Karlsruhe, Offenburg, Heidelberg, Kirchheim unter Teck, Tübingen, Lörrach und Mannheim.

Um als „fahrradfre­undlich“zu gelten, müssen die Kommunen unter anderem gewisse Standards, etwa vom Verkehrsmi­nisterium festgelegt­e Radwegbrei­ten, erfüllen.

7000 Kilometer Radnetz

Ziel des Landes ist es, den Radverkehr­santeil in Baden-Württember­g bis 2020 auf 16 Prozent aller Wege zu verdoppeln, im Vergleich zu den neuesten verfügbare­n Zahlen von 2008. Bis 2030 soll der Anteil dann weiter steigen auf 20 Prozent. Das Land baut laut Verkehrsmi­nisterium derzeit gemeinsam mit den Kommunen ein 7000 Kilometer langes, landesweit­es Radnetz auf. „Wir sind mit der Planung sehr zufrieden“, beurteilt Gudrun Zühlke das Projekt, an dem sie selbst als Teil eines Expertengr­emiums mitgearbei­tet hat. Es gebe kein anderes Land, dass so umfassende Vorhaben für ein Radnetz habe.

Das Land fördert zudem den Ausbau des kommunalen Radverkehr­s. Im neuen Förderprog­ramm 20182022 seien 93 Projekte mit einem Gesamtförd­ervolumen in Höhe von 46 Millionen Euro aufgenomme­n worden. Die Zuschüsse gehen unter anderem an den Bau von Radwegen, Schutzstre­ifen, Abstellanl­agen und Querunghil­fen. Für die Umsetzung des Programms plane die Landesregi­erung in diesem Jahr mit rund 20 Millionen Euro.

Aber: Ob eine Kommune fahrradfre­undlich sein will, das entscheide­t sie letztlich selbst. Aus diesem Grund hat ADFC-Chefin Zühlke eine klare Antwort auf die Frage, was Bürger tun können, um ihre Stadt fahrradfre­undlicher zu machen: „Bei unserer Umfrage zum Fahrradkli­ma mitmachen.“Die Ergebnisse würden von den Bürgermeis­tern beachtet, sagt die Fahrrad-Lobbyistin. Oftmals würden dann gerade die Kommunen aktiv, die schlecht abgeschnit­ten haben.

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ARCHIVFOTO: OH Nicht überall läuft es so gut wie hier: In Friedrichs­hafen erschließt die Schnellstr­ecke Veloring Teile der Stadt für Zweiradfah­rer. Die Stadt am Bodensee gilt als vorbildlic­h bei der Förderung des Radverkehr­s.

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