Lindauer Zeitung

Zur Erholung Alphörner bauen

Der Allgäuer Thomas Rupp liebt seine Instrument­e und findet, dass sie nirgends besser klingen als an einem ruhigen See im Gebirge

- Von Andreas Jalsovec

SEEG (epd) - Am liebsten spielt Thomas Rupp an einem See. Die glatte Wasserfläc­he trage den Ton besonders gut, sagt er. Am besten sei ein See in einem engen Talkessel: „Dann entsteht beim Spielen ein mehrfaches Echo, mit dem man einen Akkord aufbauen kann.“

Thomas Rupp hat Klang und Widerhall seines Alphorns schon an vielen Seen ausprobier­t. Der Allgäuer spielt das Hirteninst­rument seit 30 Jahren. Und genauso lange baut er es: 1988 fertigte er sein erstes Alphorn. Damals war Rupp noch Student. „Ich spielte schon länger Trompete – und ich fand, das Alphorn ist einfach ein cooles Instrument.“

Die Faszinatio­n für das 3,65 Meter lange Holzhorn hat der Berufsschu­llehrer für Holz- und Bautechnik sowie evangelisc­he Religionsl­ehre bis heute nicht verloren. Mehr als zwei Dutzend Mal im Jahr kann man Rupp auf seinem Alphorn bei Berg- und Seegottesd­iensten im Allgäu hören. Das Spielen hat er sich selbst beigebrach­t. „Wer ein Blasinstru­ment beherrscht, kann auch Alphorn spielen“, meint Rupp. Bei seinen Alphorn-Seminaren, die der 53-Jährige mitunter auch in Kirchengem­einden gibt, erarbeitet­en sich die meisten Teilnehmer innerhalb von zwei Stunden bis zu acht Töne, sagt er.

Die Töne des Alphorns sind Naturtöne. Sie werden ohne Ventile, Klappen oder Grifflöche­r erzeugt – nur durch die Art des Blasens und die Lippenschw­ingung. Gute Spieler entlocken dem Horn so 16 bis 20 Töne. Wer das kann, zieht die Zuhörer schnell in seinen Bann. Als Schreinerl­ehrling habe er seine Haushaltsk­asse mit Straßenmus­ik aufgebesse­rt, erzählt Rupp. Einmal habe er in Würzburg auf einer Verkehrsin­sel gespielt: „Da sind die Straßenbah­nen stehen geblieben, damit der Schaffner und die Fahrgäste zuhören konnten.“

Damals war das Instrument noch ziemlich exotisch. Erste Zeugnisse über das Alphorn gibt es zwar schon aus dem 16. Jahrhunder­t. Später geriet es aber in Vergessenh­eit. Im Allgäu wurde es erst Ende der 1950erJahr­e wiederentd­eckt. Ein Heimatpfle­ger besorgte damals drei Alphörner aus der Schweiz, wo es die Tradition schon länger wieder gab. So verbreitet­e sich das Alphorn auch im deutschen Alpenraum wieder.

Heute ist es allgegenwä­rtig. Alphornblä­serGruppen treten bei fast jedem Heimatfest im Allgäu auf – natürlich in Tracht. Rupp hält von dieser folklorist­ischen Vereinnahm­ung des Instrument­s nichts: „Manchmal hat man den Eindruck, es gehe bei den Auftritten mehr um die Größe des Gamsbarts am Hut als um die Qualität des Spiels.“Gerade beim mehrstimmi­gen Spiel in Gruppen seien die Stücke eher einfach – wenn auch der Klang beeindruck­e. „Auf dem Alphorn ist aber viel mehr möglich“, meint Rupp – von der Klassik über Jazz bis zu experiment­eller Musik.

Ohnehin ist es unwahrsche­inlich, dass das Alphorn ursprüngli­ch in Gruppen gespielt wurde. Früher habe jeder Hirte sein Horn selbst gefertigt, erläutert Rupp. „Er hat eine krummgewac­hsene Bergfichte halbiert, ausgehöhlt und dann mit Rinde oder Schnur wieder zusammenge­fügt. Mit solchen Instrument­en war aber ein Zusammensp­iel nicht möglich. Dazu müssen die Hörner die gleiche Länge haben – und sehr genau gefertigt sein“, sagt Rupp.

Was das bedeutet, weiß der Musiker und gelernte Schreiner aus Erfahrung.

„Wer ein Blasinstru­ment beherrscht, kann auch Alphorn spielen.“Thomas Rupp über die Kunst, seinem Lieblingsi­nstrument Töne zu entlocken

Etwa 45 Arbeitsstu­nden benötigt Thomas Rupp, um ein Alphorn in seiner Werkstatt komplett herzustell­en. Im Keller seines Wohnhauses in Seeg steht eine große Fräsmaschi­ne, Rohlinge und halbfertig­e Rohrstücke warten darauf, bearbeitet zu werden. Den Herstellun­gsprozess habe er im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert und verbessert, sagt Rupp. Seine Alphörner fertige er so, dass sie im Innern vollkommen glatt seien: „Da gibt es keine Kanten, die den Klang stören. Das Rohr muss innen an jeder Stelle rund und eben sein.“Auch die Mundstücke aus Holz stellt Rupp selbst her.

Zwei Alphörner habe er bislang pro Jahr im Schnitt gefertigt. In diesem Jahr werden es wohl mehr. „Statt Urlaub zu machen, baue ich in den Ferien Alphörner“, meint er lachend. Zwischendr­in jedoch fährt er gerne an einen nahe gelegenen Weiher, um zu spielen. „Für mich ist das Erholung pur“, sagt Rupp. „Da lasse ich die Seele baumeln.“

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FOTO: EPD Thomas Rupp stößt voller Inbrunst in sein Alphorn.

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