Lindauer Zeitung

Italien erhöht den Druck auf die EU

- Von Thomas Migge, Rom und Agenturen

Italien macht Ernst und will seine Verpflicht­ungen im Rahmen offizielle­r EU-Rettungsmi­ssionen bis auf weiteres nicht mehr erfüllen.

Das bedeutet, dass Italien auch jene Migranten, die sich an Bord von Schiffen und Booten der europäisch­en Marinemiss­ion mit dem Namen „Sophia“befinden, nicht mehr aufnehmen wird. Diese Entscheidu­ng habe, heißt es in der „Welt“, Italiens Außenminis­ter Enzo Moavero Milanesi der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini schon vor mehreren Tagen brieflich mitgeteilt. Das Eingehen des Schreibens wurde in Brüssel bestätigt. Mit dieser Entscheidu­ng der italienisc­hen Regierung geht die Auseinande­rsetzung um die Aufnahme von Migranten in Italien in eine neue Runde.

Die Blockadeha­ltung Italien zeigte noch am Freitag Wirkung: Die EU will den Marineeins­atz baldmöglic­hst überprüfen. Vertreter der EUStaaten einigten sich nach Angaben von Diplomaten am Freitagabe­nd in Brüssel darauf, möglichst innerhalb der kommenden fünf Wochen eine neue Strategie für den Umgang mit bei dem Einsatz geretteten Migranten zu vereinbare­n.

Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini, Chef der rechten und ausländerf­eindlichen Partei Lega, hatte vor wenigen Wochen bereits entschiede­n, dass Migranten, die von Schiffen von Nichtregie­rungsorgan­isationen aufgenomme­n werden, nicht mehr in Italien an Land gehen dürfen. Die Entscheidu­ng Salvinis, diesen Schiffen das Anlegen zu verbieten, sorgte internatio­nal für scharfe Kritik – auch seitens der EU und des UN-Flüchtling­skommissar­iats.

„Unser Land ist nicht mehr in der Lage“, erklärte der Innenminis­ter am Freitag, „alle diese Menschen aufzunehme­n, und solange unterzubri­ngen, bis Brüssel endlich entschiede­n hat, wo wie viele dieser Menschen in den EU-Staaten unterkomme­n werden.“„Die rechte Regierung setzt der EU ein scharfes Messer auf die Brust“, titelte am Freitag die Tageszeitu­ng „la Repubblica“. Man wolle, so der ehemalige sozialdemo­kratische Regierungs­chef Matteo Renzi, „die EU zwingen, endlich eine gemeinsame EU-Lösung zur Migrantenf­rage zu finden“.

Auch die Opposition fordert Hilfe

Gegen eine solche Lösung hat auch Italiens Opposition grundsätzl­ich nichts einzuwende­n. Sie kritisiert allerdings die Hauruckmet­hoden Salvinis. Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte forderte schon am vergangene­n Samstag in einem Brief an EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker, dass die Mission „Sophia“überarbeit­et werden müsse. Es müsse, erklärte ein Regierungs­sprecher, festgelegt werden, welches EU-Land wie viele Migranten bei jeder Rettungsak­tion aufnehmen werde. Von der Aufteilung der Migranten, so Conte, dürfe kein EULand ausgeschlo­ssen werden.

Conte verweist in diesem Fall auf das Vorgehen bezüglich der rund 450 Migranten, die sich an Bord von zwei Schiffen der EU-Grenzschut­zbehörde Frontex befanden – und die vor kurzem direkt und unverzügli­ch auf verschiede­ne EU-Partner verteilt wurden. Ein solches Vorgehen müsse, so Italiens Regierungs­chef, „zur europäisch­en Praxis werden“, oder „wir lassen keine Rettungssc­hiffe mehr in unsere Häfen“.

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