Teurer als Silber
Engpässe machen Vanille zum Luxusgut – Produktion kann Nachfrage nicht befriedigen
BERLIN - Die Süßspeise Panna Cotta wird in diesem Jahr wohl seltener das Festessen abrunden. Denn dafür benötigt der Koch eine Vanilleschote. Und im Supermarkt muss er dafür tief in die Tasche greifen. So kostet ein Glasröhrchen mit drei Exemplaren beim Online-Spezialhändler derzeit fast 16 Euro. Diesen Luxus wollen oder können sich immer weniger Verbraucher leisten – und greifen auf Ersatzprodukte zurück. „Man braucht Vanille nicht unbedingt“, sagt der Hamburger Importeur Berend Hachmann. Sein seit dem Jahr 1881 bestehendes Handelskontor für Vanille erlebt schwierige Zeiten. „Die Vanille ist in Madagaskar kaum verfügbar“, erklärt der Kaufmann.
Der Mangel drückt sich im rekordverdächtigen Preis für das exotische Gewürz aus. Rund 600 Euro kostet ein Kilogramm derzeit, weitaus mehr als für das Edelmetall Silber verlangt wird. Die Hoffnung, dass bis zur Weihnachtsplätzchenzeit die Schoten wieder günstiger werden, dürfte sich nicht erfüllen. Mitte Juli beginnt deren Ernte, rund drei Monate dauert ihre Verarbeitung für den Export. Das Angebot erhöht sich also nicht mehr.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Suche danach führt zunächst auf die Insel Madagaskar, die rund 600 Kilometer vor der ostafrikanischen Küste liegt. 80 Prozent der weltweit verbrauchten Vanille kommen aus dem 22 Millionen Einwohner zählenden Staat. Normalerweise pflücken die Bauern im Jahr hier 2500 Tonnen von den Pflanzen. Doch tropische Stürme haben eine zerstörerische Wirkung entfaltet. Es wachsen nicht nur weniger Schoten an den Orchideen. Auch die Qualität der Früchte lässt aus anderen Gründen immer mehr nach. Denn Vanille ist ein begehrtes Diebesgut. Die Erzeuger neigen daher zu einer möglichst frühen Ernte. In diesem Stadium sind die Aromen der Pflanze noch nicht ganz ausgereift.
Angesichts der Preisentwicklung verwundert es, dass nicht anderswo mehr Vanille angebaut wird. Mexiko, Uganda, Indien und Papua-Neuguinea sind zum Beispiel auch Erzeugerländer. Doch lediglich PapuaNeuguinea baue seine Kapazitäten deutlich aus, berichtet Hachmann. Die Qualität der Ware aus Uganda sei so schlecht, dass sein Kontor dort nichts mehr kaufe. Einfach ist die Hege der Orchideengattung nicht. Die Pflanze ist ein Zwitter. Jede Blüte muss von Hand bestäubt werden. Und auch die Behandlung der grün geernteten Schoten ist, bis sie sich in eine aromareiche braune Schote verwandelt hat, aufwändig.
Vanille hat 400 Aromastoffe
Vanille ist ein ungewöhnliches Gewürz. Rund 400 Aromastoffe beinhaltet die Schote. Am bekanntesten ist Vanillin, das den typischen Geschmack in Eiskugeln oder anderen Leckereien erzeugt. In etwa 18 000 Produkten finden sich Vanillespuren, nicht nur in Lebensmitteln, auch in Parfüms oder Lotionen. Kein Wunder, dass der Aromenkonzern Symrise zu den größten Aufkäufern der Ernte in Madagaskar gehört. „Es hat immer schon große Preisschwankungen gegeben“, sagt Symrise-Sprecherin Christina Witter, „deshalb sind wir auch die Kooperation mit den Bauern in Madagaskar eingegangen.“
Das Unternehmen aus dem westfälischen Holzminden ist nach eigenen Angaben der weltweite größte Verarbeiter der Vanillearomen. Symrise hat sich eine nachhaltige Entwicklung der Insel auf die Fahnen geschrieben. Fast 7000 Kleinbauern arbeiten mit dem Konzern zusammen. Nach Unternehmensangaben profitieren 40 000 Einwohner von der Kooperation, die auch Investitionen in Schulen, das Gesundheitswesen oder den Aufbau weiterer Einkunftsquellen umfasst. „Sie sichert den Bauern langfristig ein stabiles Einkommen“, versichert Witter. In der Branche wird das Entwicklungsprojekt aber auch kritisch gesehen. „Symrise eliminiert alle Zwischenhändler“, sagt ein Marktexperte, der anonym bleiben möchte. Daher gingen auch viele Arbeitsplätze im Land verloren.
Die Preisexplosion bei Vanille bekommen die Verbraucher in Deutschland schon länger zu spüren, auch wenn sie die Schoten nicht selbst verwenden. So ergab ein Vergleichstest von Vanilleeis in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Ökotest ein trauriges Ergebnis. „Früher war mehr Vanille“, urteilen die Prüfer. Ausgerechnet in den teuren Markenprodukten Cremissimo Bourbon Vanille und Mövenpick Bourbon Vanille fanden die Prüfer den geringsten Vanilleanteil. Beide Sorten erhielten nur die Note „Ungenügend“.