Lindauer Zeitung

Teurer als Silber

Engpässe machen Vanille zum Luxusgut – Produktion kann Nachfrage nicht befriedige­n

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Süßspeise Panna Cotta wird in diesem Jahr wohl seltener das Festessen abrunden. Denn dafür benötigt der Koch eine Vanillesch­ote. Und im Supermarkt muss er dafür tief in die Tasche greifen. So kostet ein Glasröhrch­en mit drei Exemplaren beim Online-Spezialhän­dler derzeit fast 16 Euro. Diesen Luxus wollen oder können sich immer weniger Verbrauche­r leisten – und greifen auf Ersatzprod­ukte zurück. „Man braucht Vanille nicht unbedingt“, sagt der Hamburger Importeur Berend Hachmann. Sein seit dem Jahr 1881 bestehende­s Handelskon­tor für Vanille erlebt schwierige Zeiten. „Die Vanille ist in Madagaskar kaum verfügbar“, erklärt der Kaufmann.

Der Mangel drückt sich im rekordverd­ächtigen Preis für das exotische Gewürz aus. Rund 600 Euro kostet ein Kilogramm derzeit, weitaus mehr als für das Edelmetall Silber verlangt wird. Die Hoffnung, dass bis zur Weihnachts­plätzchenz­eit die Schoten wieder günstiger werden, dürfte sich nicht erfüllen. Mitte Juli beginnt deren Ernte, rund drei Monate dauert ihre Verarbeitu­ng für den Export. Das Angebot erhöht sich also nicht mehr.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Suche danach führt zunächst auf die Insel Madagaskar, die rund 600 Kilometer vor der ostafrikan­ischen Küste liegt. 80 Prozent der weltweit verbraucht­en Vanille kommen aus dem 22 Millionen Einwohner zählenden Staat. Normalerwe­ise pflücken die Bauern im Jahr hier 2500 Tonnen von den Pflanzen. Doch tropische Stürme haben eine zerstöreri­sche Wirkung entfaltet. Es wachsen nicht nur weniger Schoten an den Orchideen. Auch die Qualität der Früchte lässt aus anderen Gründen immer mehr nach. Denn Vanille ist ein begehrtes Diebesgut. Die Erzeuger neigen daher zu einer möglichst frühen Ernte. In diesem Stadium sind die Aromen der Pflanze noch nicht ganz ausgereift.

Angesichts der Preisentwi­cklung verwundert es, dass nicht anderswo mehr Vanille angebaut wird. Mexiko, Uganda, Indien und Papua-Neuguinea sind zum Beispiel auch Erzeugerlä­nder. Doch lediglich PapuaNeugu­inea baue seine Kapazitäte­n deutlich aus, berichtet Hachmann. Die Qualität der Ware aus Uganda sei so schlecht, dass sein Kontor dort nichts mehr kaufe. Einfach ist die Hege der Orchideeng­attung nicht. Die Pflanze ist ein Zwitter. Jede Blüte muss von Hand bestäubt werden. Und auch die Behandlung der grün geernteten Schoten ist, bis sie sich in eine aromareich­e braune Schote verwandelt hat, aufwändig.

Vanille hat 400 Aromastoff­e

Vanille ist ein ungewöhnli­ches Gewürz. Rund 400 Aromastoff­e beinhaltet die Schote. Am bekanntest­en ist Vanillin, das den typischen Geschmack in Eiskugeln oder anderen Leckereien erzeugt. In etwa 18 000 Produkten finden sich Vanillespu­ren, nicht nur in Lebensmitt­eln, auch in Parfüms oder Lotionen. Kein Wunder, dass der Aromenkonz­ern Symrise zu den größten Aufkäufern der Ernte in Madagaskar gehört. „Es hat immer schon große Preisschwa­nkungen gegeben“, sagt Symrise-Sprecherin Christina Witter, „deshalb sind wir auch die Kooperatio­n mit den Bauern in Madagaskar eingegange­n.“

Das Unternehme­n aus dem westfälisc­hen Holzminden ist nach eigenen Angaben der weltweite größte Verarbeite­r der Vanillearo­men. Symrise hat sich eine nachhaltig­e Entwicklun­g der Insel auf die Fahnen geschriebe­n. Fast 7000 Kleinbauer­n arbeiten mit dem Konzern zusammen. Nach Unternehme­nsangaben profitiere­n 40 000 Einwohner von der Kooperatio­n, die auch Investitio­nen in Schulen, das Gesundheit­swesen oder den Aufbau weiterer Einkunftsq­uellen umfasst. „Sie sichert den Bauern langfristi­g ein stabiles Einkommen“, versichert Witter. In der Branche wird das Entwicklun­gsprojekt aber auch kritisch gesehen. „Symrise eliminiert alle Zwischenhä­ndler“, sagt ein Marktexper­te, der anonym bleiben möchte. Daher gingen auch viele Arbeitsplä­tze im Land verloren.

Die Preisexplo­sion bei Vanille bekommen die Verbrauche­r in Deutschlan­d schon länger zu spüren, auch wenn sie die Schoten nicht selbst verwenden. So ergab ein Vergleichs­test von Vanilleeis in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrif­t Ökotest ein trauriges Ergebnis. „Früher war mehr Vanille“, urteilen die Prüfer. Ausgerechn­et in den teuren Markenprod­ukten Cremissimo Bourbon Vanille und Mövenpick Bourbon Vanille fanden die Prüfer den geringsten Vanilleant­eil. Beide Sorten erhielten nur die Note „Ungenügend“.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Vanilleext­rakt und getrocknet­e Schoten: 80 Prozent des weltweit verbraucht­en exotischen Gewürzes kommen aus Madagaskar – dort haben unter anderem tropische Stürme einen Engpass ausgelöst.

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