Unfreiwilliges Elterntaxi
Sigrid Lochmann aus Achberg möchte bessere Busverbindungen – Die Idee: Bürgerbus für Kinder und Senioren
ACHBERG - Sigrid Lochmann kennt alle Uhrzeiten auswendig. Zwei Linien auf einem Blatt Papier kreuzen sich, Pfeile zeigen in verschiedene Richtungen. Sie weiß, welche Buslinie wann durch Achberg fährt, wie die Verbindungen Richtung Lindau und Wangen aussehen und wie es um den Anschluss an der Bushaltestelle in Neuravensburg steht. Nicht, weil Auswendiglernen ihr Hobby ist, sondern aus Verzweiflung: Seit Jahren versucht sie eine Lösung zu finden, wie ihre Töchter mit dem öffentlichen Nahverkehr problemlos zur Schule kommen, ohne dass sie mehrmals täglich Fahrdienst leisten muss.
Das Problem sei dabei nicht, dass Achberg und der Ortsteil Esseratsweiler allgemein schlecht angebunden sind an den öffentlichen Nahverkehr, sagt die Hausärztin. Das Problem sei die Haltestelle in Neuravensburg, an der sich mehrere Buslinien treffen und an der oft Verbindungen nicht erreicht werden oder schlecht aufeinander abgestimmt sind.
Zum einen ist da die Linie 19. Sie verbindet Wangen und Lindau regelmäßig, ist an die Bahnhöfe und den Zugfahrplan angebunden und kann darum nicht warten. Eine von Sigrid Lochmanns Töchtern muss in Neuravensburg den Bus der Linie 105.1 nach Bodnegg erwischen, um zum dortigen Schulzentrum zu fahren. Dieser Bus fahre aber genau drei Minuten vor dem Bus ab, der morgens passend in Esseratsweiler abfahren würde. „Also fahre ich sie zur Haltestelle“, sagt Lochmann.
Dann gibt es noch die Linie 192, ein Verstärkerbus zum sogenannten „Takter“zwischen Lindau und Wangen. Diese Linie 192 fährt morgens so früh, dass die Kinder mehr als 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn an der Schule warten müssten. Und mittags, wenn der Bus die Kinder in Wangen aufgabelt, ist der Bus so voll, dass ihre neun und zwölf Jahre alten Töchter mehrfach schon an der Haltestelle der Freien Schule in der Wangener Lindauerstraße stehen gelassen wurden, sagt Lochmann: „Problematisch ist vor allem die Mittagsschule. Alle weiterführenden Schulen in Wangen machen zu unterschiedlichen Zeiten Schluss.“Der Bus nach Achberg etwa fahre drei Minuten, bevor das Gymnasium das Ende des Unterrichts um 17 Uhr einläutet, weg. „Also hole ich sie ab.“
Mutter: Zeit, sich an die Gesellschaft anzupassen
Nun fragt sich die berufstätige Mutter, ob die Schulen nicht ihren Unterricht aufeinander abstimmen könnten und ob die Busse der Linien 192 und 105.1 nicht so aufeinander warten oder etwas früher beziehungsweise später abfahren könnten, dass jedes Kind problemlos nach Hause kommt. „Es wäre schon an der Zeit, sich an die Gesellschaft anzupassen“, sagt Lochmann. „Die Hausfrau, die nur zu Hause ist und Zeit hat, ihre Kinder hin- und herzufahren, gibt es so einfach nicht mehr.“Für sie selbst und ihre Familie stelle es eine große Herausforderung dar, die Schulwege und die Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Und so oder so ähnlich müsse es doch vielen Eltern in der Gemeinde gehen, sagt Lochmann.
In Herfatz etwa gebe es ein Sammeltaxi für Schulkinder. „Das halte ich für eine gute Idee auch für Achberg. Und ich habe auch das Gefühl, Bürgermeister Aschauer wäre nicht ganz abgeneigt, so eine Lösung zu finden.“Außerdem könnte ein Bürgerbus auch für Senioren genutzt werden, die zum Arzt oder zum Einkaufen müssen. Vor anderthalb Jahren etwa legte sie in einer Bürgersprechstunde das Problem mit den Busverbindungen dar, erhielt aber von Seiten der Verwaltung eine Absage: Es gebe zu viele Bedarfe, auch in Richtung Lindau.
Bürgermeister: Zu wenige Familien sind betroffen
Die Situation ist der Gemeinde Achberg seit einiger Zeit bekannt, teilt Bürgermeister Hannes Aschauer auf Nachfrage der Lindauer Zeitung mit. Auch durch das Gespräch mit Sigrid Lochmann. „Etwa zehn Kinder aus Achberg besuchen die Schulen in Amtzell und Bodnegg. Die Eltern haben sich in Kenntnis der Schulbussituation für diese Schulen entschieden und regeln mehrheitlich, etwa über Fahrgemeinschaften, die Heimfahrt ihrer Kinder ab Neuravensburg“, sagt Aschauer. Die Mitwirkungsmöglichkeiten einer Gemeinde an den Busfahrplänen, aus der nur wenige Kinder nach Amtzell und Bodnegg gehen, seien praktisch nicht gegeben. Die Schulen würden zusammen mit den Gemeinden Amtzell und Bodnegg sowie mit dem Landratsamt den Schülerverkehr planen und so weit wie möglich in den öffentlichen Personennahverkehr einbeziehen.
„Die Idee eines Bürgerbusses habe ich nicht weiterverfolgt, weil neben dem angesprochenen Thema aus der Bürgerschaft sonst keine Meldungen kommen, die den Bedarf eines Taxis oder eines Bürgerbusses erkennen lassen“, erklärt Aschauer. „Wir haben montags bis freitags mit der RBA-Linie 19 tagsüber und samstags bis Mittag den Stundentakt nach Wangen und Lindau, der von Achberger Bürgern und da vor allem auch von Senioren genutzt wird. Bei Arztbesuchen in Zusammenhang mit einer akuten Notlage kann auch die Nachbarschaftshilfe Achberg angefragt werden.“
Im Gemeinderat: Bisher kein Thema
Die freiwillige Leistung der Gemeinde, den Schülerverkehr der Schüler aus Amtzell und Bodnegg ab Neuravensburg durch Einsatz von Sonderfahrten oder eines Sammeltaxis zu fördern, sei bisher noch nicht auf der Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung aufgetaucht, da auch Kinder vom Umstiegsproblem betroffen seien, die an die Realschulen und Gymnasien nach Wangen und Lindau gehen. Diese Kinder müssten teilweise auch individuell oder mit Fahrgemeinschaften in Neuravensburg und Oberreitnau abgeholt werden. Die Forderung für alle Kinder ein Taxi einzurichten, würde den Rahmen sprengen. Aber: „Natürlich haben einzelne Gemeinderäte das Recht von sich aus Anträge zur Tagesordnung zu stellen“, so Aschauer weiter. Dies sei bisher nicht geschehen.
Das Landratsamt Ravensburg hat das Anliegen, die Anschlüsse auf den Linien 105 und 192 zu verbessern, bereits vergangenen Herbst an die zuständigen Busunternehmen weitergeleitet. „Wir sind dran und haken nach“, sagt eine Sprecherin der Behörde. In der Pflicht, Busfahrpläne eventuell zu ändern, seien aber die Busunternehmen, nicht das Landratsamt. Bisher liege noch keine Antwort vor.