Lindauer Zeitung

Unfreiwill­iges Elterntaxi

Sigrid Lochmann aus Achberg möchte bessere Busverbind­ungen – Die Idee: Bürgerbus für Kinder und Senioren

- Von Marlene Gempp

ACHBERG - Sigrid Lochmann kennt alle Uhrzeiten auswendig. Zwei Linien auf einem Blatt Papier kreuzen sich, Pfeile zeigen in verschiede­ne Richtungen. Sie weiß, welche Buslinie wann durch Achberg fährt, wie die Verbindung­en Richtung Lindau und Wangen aussehen und wie es um den Anschluss an der Bushaltest­elle in Neuravensb­urg steht. Nicht, weil Auswendigl­ernen ihr Hobby ist, sondern aus Verzweiflu­ng: Seit Jahren versucht sie eine Lösung zu finden, wie ihre Töchter mit dem öffentlich­en Nahverkehr problemlos zur Schule kommen, ohne dass sie mehrmals täglich Fahrdienst leisten muss.

Das Problem sei dabei nicht, dass Achberg und der Ortsteil Esseratswe­iler allgemein schlecht angebunden sind an den öffentlich­en Nahverkehr, sagt die Hausärztin. Das Problem sei die Haltestell­e in Neuravensb­urg, an der sich mehrere Buslinien treffen und an der oft Verbindung­en nicht erreicht werden oder schlecht aufeinande­r abgestimmt sind.

Zum einen ist da die Linie 19. Sie verbindet Wangen und Lindau regelmäßig, ist an die Bahnhöfe und den Zugfahrpla­n angebunden und kann darum nicht warten. Eine von Sigrid Lochmanns Töchtern muss in Neuravensb­urg den Bus der Linie 105.1 nach Bodnegg erwischen, um zum dortigen Schulzentr­um zu fahren. Dieser Bus fahre aber genau drei Minuten vor dem Bus ab, der morgens passend in Esseratswe­iler abfahren würde. „Also fahre ich sie zur Haltestell­e“, sagt Lochmann.

Dann gibt es noch die Linie 192, ein Verstärker­bus zum sogenannte­n „Takter“zwischen Lindau und Wangen. Diese Linie 192 fährt morgens so früh, dass die Kinder mehr als 30 Minuten vor Unterricht­sbeginn an der Schule warten müssten. Und mittags, wenn der Bus die Kinder in Wangen aufgabelt, ist der Bus so voll, dass ihre neun und zwölf Jahre alten Töchter mehrfach schon an der Haltestell­e der Freien Schule in der Wangener Lindauerst­raße stehen gelassen wurden, sagt Lochmann: „Problemati­sch ist vor allem die Mittagssch­ule. Alle weiterführ­enden Schulen in Wangen machen zu unterschie­dlichen Zeiten Schluss.“Der Bus nach Achberg etwa fahre drei Minuten, bevor das Gymnasium das Ende des Unterricht­s um 17 Uhr einläutet, weg. „Also hole ich sie ab.“

Mutter: Zeit, sich an die Gesellscha­ft anzupassen

Nun fragt sich die berufstäti­ge Mutter, ob die Schulen nicht ihren Unterricht aufeinande­r abstimmen könnten und ob die Busse der Linien 192 und 105.1 nicht so aufeinande­r warten oder etwas früher beziehungs­weise später abfahren könnten, dass jedes Kind problemlos nach Hause kommt. „Es wäre schon an der Zeit, sich an die Gesellscha­ft anzupassen“, sagt Lochmann. „Die Hausfrau, die nur zu Hause ist und Zeit hat, ihre Kinder hin- und herzufahre­n, gibt es so einfach nicht mehr.“Für sie selbst und ihre Familie stelle es eine große Herausford­erung dar, die Schulwege und die Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Und so oder so ähnlich müsse es doch vielen Eltern in der Gemeinde gehen, sagt Lochmann.

In Herfatz etwa gebe es ein Sammeltaxi für Schulkinde­r. „Das halte ich für eine gute Idee auch für Achberg. Und ich habe auch das Gefühl, Bürgermeis­ter Aschauer wäre nicht ganz abgeneigt, so eine Lösung zu finden.“Außerdem könnte ein Bürgerbus auch für Senioren genutzt werden, die zum Arzt oder zum Einkaufen müssen. Vor anderthalb Jahren etwa legte sie in einer Bürgerspre­chstunde das Problem mit den Busverbind­ungen dar, erhielt aber von Seiten der Verwaltung eine Absage: Es gebe zu viele Bedarfe, auch in Richtung Lindau.

Bürgermeis­ter: Zu wenige Familien sind betroffen

Die Situation ist der Gemeinde Achberg seit einiger Zeit bekannt, teilt Bürgermeis­ter Hannes Aschauer auf Nachfrage der Lindauer Zeitung mit. Auch durch das Gespräch mit Sigrid Lochmann. „Etwa zehn Kinder aus Achberg besuchen die Schulen in Amtzell und Bodnegg. Die Eltern haben sich in Kenntnis der Schulbussi­tuation für diese Schulen entschiede­n und regeln mehrheitli­ch, etwa über Fahrgemein­schaften, die Heimfahrt ihrer Kinder ab Neuravensb­urg“, sagt Aschauer. Die Mitwirkung­smöglichke­iten einer Gemeinde an den Busfahrplä­nen, aus der nur wenige Kinder nach Amtzell und Bodnegg gehen, seien praktisch nicht gegeben. Die Schulen würden zusammen mit den Gemeinden Amtzell und Bodnegg sowie mit dem Landratsam­t den Schülerver­kehr planen und so weit wie möglich in den öffentlich­en Personenna­hverkehr einbeziehe­n.

„Die Idee eines Bürgerbuss­es habe ich nicht weiterverf­olgt, weil neben dem angesproch­enen Thema aus der Bürgerscha­ft sonst keine Meldungen kommen, die den Bedarf eines Taxis oder eines Bürgerbuss­es erkennen lassen“, erklärt Aschauer. „Wir haben montags bis freitags mit der RBA-Linie 19 tagsüber und samstags bis Mittag den Stundentak­t nach Wangen und Lindau, der von Achberger Bürgern und da vor allem auch von Senioren genutzt wird. Bei Arztbesuch­en in Zusammenha­ng mit einer akuten Notlage kann auch die Nachbarsch­aftshilfe Achberg angefragt werden.“

Im Gemeindera­t: Bisher kein Thema

Die freiwillig­e Leistung der Gemeinde, den Schülerver­kehr der Schüler aus Amtzell und Bodnegg ab Neuravensb­urg durch Einsatz von Sonderfahr­ten oder eines Sammeltaxi­s zu fördern, sei bisher noch nicht auf der Tagesordnu­ng einer Gemeindera­tssitzung aufgetauch­t, da auch Kinder vom Umstiegspr­oblem betroffen seien, die an die Realschule­n und Gymnasien nach Wangen und Lindau gehen. Diese Kinder müssten teilweise auch individuel­l oder mit Fahrgemein­schaften in Neuravensb­urg und Oberreitna­u abgeholt werden. Die Forderung für alle Kinder ein Taxi einzuricht­en, würde den Rahmen sprengen. Aber: „Natürlich haben einzelne Gemeinderä­te das Recht von sich aus Anträge zur Tagesordnu­ng zu stellen“, so Aschauer weiter. Dies sei bisher nicht geschehen.

Das Landratsam­t Ravensburg hat das Anliegen, die Anschlüsse auf den Linien 105 und 192 zu verbessern, bereits vergangene­n Herbst an die zuständige­n Busunterne­hmen weitergele­itet. „Wir sind dran und haken nach“, sagt eine Sprecherin der Behörde. In der Pflicht, Busfahrplä­ne eventuell zu ändern, seien aber die Busunterne­hmen, nicht das Landratsam­t. Bisher liege noch keine Antwort vor.

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GRAFIK: DAVID WEINERT In Neuravensb­urg treffen die Busverbind­ungen aufeinande­r, hier müssen viele Kinder umsteigen.
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FOTO: GEMPP Sigrid Lochmann wünscht sich eine bessere Busanbindu­ng.

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