Lindauer Zeitung

Taucht der Gast nicht auf, guckt der Wirt in die Röhre

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Es passiert ihm immer wieder, und er ist hin- und hergerisse­n zwischen der Frage, ob er gute Miene zum bösen Spiel macht oder „den Deppen“mal so richtig die Meinung geigt. Es geht um geplatzte Tischreser­vierungen und die Rede ist von einem oberschwäb­ischen Gastronome­n, der es leid ist, den Leuten hinterherz­utelefonie­ren. Der sich aber trotzdem vorerst für die gute Miene entschiede­n hat.

Denn er muss befürchten, dass die Gäste, die zum Beispiel bei ihm einen Tisch für sechs Personen reserviert haben, dann aber nicht aufgekreuz­t sind, gar nie mehr kommen, wenn er ihnen gegenüber seinem Ärger richtig Luft macht. Er befürchtet, dass sie dann vielleicht auch noch schlecht über ihn reden. Und weil das unter Wirten ein heikles Thema ist, will der Gastronom lieber nicht mit seinem Namen in der Zeitung stehen. Juristisch ist die Sache klar: Wer als Gast einen Tisch reserviert, geht so eine Art Bewirtungs­anbahnungs­vertrag ein. Denn wer in einem Restaurant, das vielleicht bloß 25 Plätze hat, sechs davon mit seiner Reservieru­ng blockiert, beanspruch­t damit auch einen beträchtli­chen Teil der Kapazitäte­n des Hauses. Und wenn dann keiner auftaucht, ist das nicht nur ärgerlich, sondern es richtet einen wirtschaft­lichen Schaden an, für den der Gastgeber eine Entschädig­ung verlangen kann. Theoretisc­h, denn in der Praxis trauen sich Wirte das meistens nicht, weil sie befürchten müssen, dann von den Gästen gemieden zu werden – obwohl diese an der Situation die alleinige Schuld tragen. „In der gehobenen Gastronomi­e sind Reservieru­ngen besonders wichtig“, erklärt der Wirt und Küchenmeis­ter. Denn dort werden umfangreic­here Menüs serviert, der Tisch kann in der Regel nur einmal pro Abend besetzt werden. Restaurant­s einer höheren Kategorie können dann leer gebliebene Plätze oft nicht spontan wieder neu besetzen.

„Die besten sind dann noch die, die gar nix sagen“, ärgert sich der Gastronom. Eine Frage von Anstand und Höflichkei­t sei es, zumindest abzusagen – und zwar rechtzeiti­g, also nicht erst fünf Minuten vorher. So kann es bei größeren Reservieru­ngen durchaus Auswirkung­en darauf haben, was an frischen Zutaten eingekauft wird. Bleibt der Gast dann aus, ist nicht nur der Umsatz flöten, womöglich vergammelt dann auch Ware, die gerade auf dem Sektor gehobener Küchen nicht billig ist.

Doch die ganze Angelegenh­eit ist keine Einbahnstr­aße: Es kommt immer wieder vor, dass auch Gäste trotz Reservieru­ng in die Röhre gucken. Zwar wird jeder gewiefte Gastgeber versuchen, eine unkomplizi­erte Lösung zu finden. Doch im Zweifel hat nicht nur der Wirt einen Anspruch auf Schadeners­atz, wenn er versetzt wird. Auch der Gast hat ein Recht auf Entschädig­ung, wenn er zum Beispiel einen längeren Fahrtweg auf sich genommen hat und dann wegen einer verschlamp­ten Reservieru­ng hungrig wieder abziehen muss. Dann steht ihm zumindest die Erstattung der Fahrtkoste­n zu.

„Noch mal: Wenn die Leute nur ein bisschen Anstand hätten, dann müsste man darüber gar nicht schwätzen“, sagt der oft genug schon versetzte Gastgeber. Das Phänomen habe in den vergangene­n Jahren leider zugenommen. Aus seiner Sicht ein Zeichen des sich immer mehr ausbreiten­den Egoismus in der Gesellscha­ft.

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FOTO: PETER SCHLIPF Gebot der Höflichkei­t: Wer einen Tisch im Restaurant reserviert, sollte zumindest frühzeitig absagen, wenn er den Termin nicht einhalten kann.
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Von Erich Nyffenegge­r

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