Lindauer Zeitung

Bloß kein Komplettve­rbot

- Von Tobias Schmidt politik@schwaebisc­he.de

Es ist ein weit verbreitet­er Reflex von Umweltschü­tzern und Verbrauche­rn in Deutschlan­d, zu Gentechnik grundsätzl­ich pfui zu sagen. Für sie ist das Grundsatzu­rteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes auf den ersten Blick ein Grund zum Jubeln. Die Luxemburge­r Richter ziehen mit ihrem Urteil für die Zulassung neuer Gentechnik­en, die das Erbgut von Pflanzen ganz behutsam verändern, im Produkt aber keine Spuren hinterlass­en, dieselben Hürden hoch wie für herkömmlic­he gentechnis­ch veränderte Organismen. Hohe Hürden ja, aber kein grundsätzl­iches Verbot – und das ist zu begrüßen.

Die Auflage des Europäisch­en Gerichtsho­fs lautet: Die mit den neuen Techniken hergestell­ten Äpfel, Tomaten und anderen Produkte dürfen verkauft werden, sie müssen aber in den Supermärkt­en gekennzeic­hnet werden. Der Verbrauche­r soll die Wahl haben – auch das ist richtig so.

Nun kommt es darauf an, wie die Bundesregi­erung auf das Urteil reagieren wird. Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze stellt sich hinter die Mehrheitsm­einung und will die Organismen grundsätzl­ich verbieten. Die SPD-Politikeri­n beruft sich auf das im Koalitions­vertrag vereinbart­e Nein zur Gentechnik. Keine Gen-Tomate durch die Hintertür, so lautet Schulzes Mantra. Dabei sind die neuen Techniken ein Quantenspr­ung und vereinfach­en das, was bisher schlicht Züchtung genannt wird dramatisch – die Anpassung von Pflanzen an sich verändernd­e Umweltbedi­ngungen, an den Klimawande­l. Wer Deutschlan­ds Bauern und die Industrie von dieser Chance gänzlich abkoppelt, das Potenzial der Gentechnik rundheraus ungenutzt lassen will, spielt mit der Zukunft. Kein Wunder, dass die CDU-Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner genau davor warnt.

Gentechnis­che Veränderun­gen müssen kontrollie­rt und strengsten­s überwacht werden. Maximale Transparen­z und Aufklärung sind auf diesem komplexen Feld der Forschung dringend geboten. Aber ein prophylakt­isches Komplettve­rbot würde zu weit führen und eine nationale Fortschrit­tsblockade bedeuten.

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