Mit einer kleinen Werkstatt in Isny fing alles an
Autohaus Seitz besteht seit 90 Jahren – Zum 1. August übergibt Jörg Seitz die Geschäfte an seinen Schwiegersohn
KEMPTEN/ALLGÄU - Wann ist der richtige Zeitpunkt, um loszulassen? Ein ewiges Thema bei inhabergeführten Unternehmen. Für Jörg Seitz (72), Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der Seitz-Gruppe (Kempten), ist dieser Moment jetzt gekommen. Sein Autohaus feiert heuer sein 90-jähriges Bestehen. Jörg Seitz ist seit 40 Jahren Chef des Unternehmens. Dazu die neuen Themen Digitalisierung und E-Mobilität, um die sich Jüngere kümmern sollen: Gründe also genug für den Patron, die Geschäfte zu übergeben – und zwar zum 1. August an seinen Schwiegersohn Martin OsterbergerSeitz (39), der seit neun Jahren im Unternehmen tätig ist.
So ganz aufs Altenteil zurückziehen wird sich Jörg Seitz jedoch nicht. Er arbeitet im Hintergrund weiter als Vorsitzender des neuen Aufsichtsrates der Seitz-Gruppe. Im Aufsichtsrat werden auch seine Kinder Stefanie (37) und Walter (44) sitzen.
Begonnen hat die Geschichte des Autohauses Seitz 1928 im württembergischen Isny. Dort gründete Eugen Seitz, der Großvater von Jörg Seitz, eine kleine Werkstatt mit ShellTankstelle. Schon wenige Jahre später gehörten die Marken Horch, DKW, Audi, Adler und Büssing zum Programm der Firma.
1948 übernahm Jörg Seitz’ Vater Walter das Autohaus und schloss auch den ersten Vertrag mit Volkswagen. Bereits 1950 verlegte Walter Seitz den Sitz des Unternehmens nach Kempten – „weil in diesem Umfeld ein viel höheres Kundenpotenzial vorhanden war“, sagt Jörg Seitz zurückblickend.
1976 stieg dann Jörg Seitz ins Unternehmen ein und musste bereits gut zwei Jahre später nach dem Tod seines Vaters die volle Verantwortung übernehmen. Damals hatte das Autohaus 240 Mitarbeiter an fünf Standorten. All die 40 Jahre, die Jörg Seitz an der Spitze des Unternehmens stand, lautete sein Motto „Wachstum“. Denn „wenn Sie klein sind, sind Sie bald weg“, sagt der Diplom-Kaufmann. So wurden regelmäßig kleinere Autohändler in der Region übernommen.
350 Millionen Euro Umsatz
Heute ist das Autohaus Seitz an zehn Standorten im Allgäu mit insgesamt 21 Filialen und einem Porsche-Haus in Gersthofen bei Augsburg vertreten. Die Stuttgarter Nobelmarke gehört ebenso zur Angebotspalette wie die Marken VW, Audi, Skoda und Seat. Mit knapp tausend Mitarbeitern setzt die Seitz-Gruppe etwa 350 Millionen Euro pro Jahr um.
Zuletzt hat die Seitz-Gruppe 6000 Neuwagen und 7000 Gebrauchtwagen im Jahr verkauft. In den Filialen sind zusammengerechnet ständig 2000 Fahrzeuge vorrätig – 800 neue und 1200 gebrauchte. Das Geschäft wird sich aber für die gesamte Branche verändern, Auslöser sind vor allem die Digitalisierung und alternative Antriebsarten. Zwar wird Seitz weiterhin Autos verkaufen. Das Haus wird aber nach den Vorstellungen von Betriebswirt Martin Osterberger-Seitz noch stärker zum Dienstleister in Sachen Finanzierung, Versicherungen
und Service. „Mein Wunsch ist es, den Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket anzubieten“– also Leasing plus Wartung, Service und freier Tankkarte zum Festpreis.“Die Digitalisierung werde aber auch dafür sorgen, dass die meisten Autos künftig in Vollausstattung ausgeliefert werden und die Kunden dann die gewünschten Leistungen – etwa 100 PS mehr für die Fahrt in den Urlaub – dazubuchen. Entsprechende Apps sollen die Autohändler gemeinsam entwickeln. Bei Investitionen in die Werkstätten berücksichtige man schon jetzt, dass Motoren neben Benzin, Diesel und Gas auch von Strom oder der Brennstoffzelle angetrieben werden können. „Der VW-Konzern wird in den nächsten Jahren viele Modelle mit Elektromotor auf den Markt bringen“, sagt OsterbergerSeitz, „dann sehen wir, was funktioniert.“Autos müssten „sexy“sein, um Erfolg zu haben – und sie müssten aus Sicht der Kunden wirtschaftlich sein.
Vieles wird digitalisiert
Wenn für seinen Schwiegervater „Wachstum“das prägende Wort der Zeit als Geschäftsführer war, könnte es für den 39-Jährigen „Weiterentwicklung“lauten. Neue Berufsgruppen wie Programmierer und Prozessmanager ergänzen die Belegschaft, viele Prozesse werden digitalisiert, das Online-Autohaus zum weiteren festen Standort in der Seitz-Welt. „Wir wollen keinen unserer jetzigen Standorte schließen“, sagt Osterberger-Seitz, „aber schon heute kaufen Menschen bei uns, die nicht im Autohaus waren. Und in den Autohäusern werden wir künftig auch digitale Ausstellungsräume haben.“
Unterstützt wird der neue Vorsitzende der Geschäftsführung weiterhin von Bernd Czolkos, der sich als Geschäftsführer unter anderem um den Bereich Finanzen kümmern wird.