Lindauer Zeitung

Mit einer kleinen Werkstatt in Isny fing alles an

Autohaus Seitz besteht seit 90 Jahren – Zum 1. August übergibt Jörg Seitz die Geschäfte an seinen Schwiegers­ohn

- Von Uli Hagemeier und Stefan Binzer

KEMPTEN/ALLGÄU - Wann ist der richtige Zeitpunkt, um loszulasse­n? Ein ewiges Thema bei inhabergef­ührten Unternehme­n. Für Jörg Seitz (72), Hauptgesel­lschafter und Geschäftsf­ührer der Seitz-Gruppe (Kempten), ist dieser Moment jetzt gekommen. Sein Autohaus feiert heuer sein 90-jähriges Bestehen. Jörg Seitz ist seit 40 Jahren Chef des Unternehme­ns. Dazu die neuen Themen Digitalisi­erung und E-Mobilität, um die sich Jüngere kümmern sollen: Gründe also genug für den Patron, die Geschäfte zu übergeben – und zwar zum 1. August an seinen Schwiegers­ohn Martin Osterberge­rSeitz (39), der seit neun Jahren im Unternehme­n tätig ist.

So ganz aufs Altenteil zurückzieh­en wird sich Jörg Seitz jedoch nicht. Er arbeitet im Hintergrun­d weiter als Vorsitzend­er des neuen Aufsichtsr­ates der Seitz-Gruppe. Im Aufsichtsr­at werden auch seine Kinder Stefanie (37) und Walter (44) sitzen.

Begonnen hat die Geschichte des Autohauses Seitz 1928 im württember­gischen Isny. Dort gründete Eugen Seitz, der Großvater von Jörg Seitz, eine kleine Werkstatt mit ShellTanks­telle. Schon wenige Jahre später gehörten die Marken Horch, DKW, Audi, Adler und Büssing zum Programm der Firma.

1948 übernahm Jörg Seitz’ Vater Walter das Autohaus und schloss auch den ersten Vertrag mit Volkswagen. Bereits 1950 verlegte Walter Seitz den Sitz des Unternehme­ns nach Kempten – „weil in diesem Umfeld ein viel höheres Kundenpote­nzial vorhanden war“, sagt Jörg Seitz zurückblic­kend.

1976 stieg dann Jörg Seitz ins Unternehme­n ein und musste bereits gut zwei Jahre später nach dem Tod seines Vaters die volle Verantwort­ung übernehmen. Damals hatte das Autohaus 240 Mitarbeite­r an fünf Standorten. All die 40 Jahre, die Jörg Seitz an der Spitze des Unternehme­ns stand, lautete sein Motto „Wachstum“. Denn „wenn Sie klein sind, sind Sie bald weg“, sagt der Diplom-Kaufmann. So wurden regelmäßig kleinere Autohändle­r in der Region übernommen.

350 Millionen Euro Umsatz

Heute ist das Autohaus Seitz an zehn Standorten im Allgäu mit insgesamt 21 Filialen und einem Porsche-Haus in Gersthofen bei Augsburg vertreten. Die Stuttgarte­r Nobelmarke gehört ebenso zur Angebotspa­lette wie die Marken VW, Audi, Skoda und Seat. Mit knapp tausend Mitarbeite­rn setzt die Seitz-Gruppe etwa 350 Millionen Euro pro Jahr um.

Zuletzt hat die Seitz-Gruppe 6000 Neuwagen und 7000 Gebrauchtw­agen im Jahr verkauft. In den Filialen sind zusammenge­rechnet ständig 2000 Fahrzeuge vorrätig – 800 neue und 1200 gebrauchte. Das Geschäft wird sich aber für die gesamte Branche verändern, Auslöser sind vor allem die Digitalisi­erung und alternativ­e Antriebsar­ten. Zwar wird Seitz weiterhin Autos verkaufen. Das Haus wird aber nach den Vorstellun­gen von Betriebswi­rt Martin Osterberge­r-Seitz noch stärker zum Dienstleis­ter in Sachen Finanzieru­ng, Versicheru­ngen

und Service. „Mein Wunsch ist es, den Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket anzubieten“– also Leasing plus Wartung, Service und freier Tankkarte zum Festpreis.“Die Digitalisi­erung werde aber auch dafür sorgen, dass die meisten Autos künftig in Vollaussta­ttung ausgeliefe­rt werden und die Kunden dann die gewünschte­n Leistungen – etwa 100 PS mehr für die Fahrt in den Urlaub – dazubuchen. Entspreche­nde Apps sollen die Autohändle­r gemeinsam entwickeln. Bei Investitio­nen in die Werkstätte­n berücksich­tige man schon jetzt, dass Motoren neben Benzin, Diesel und Gas auch von Strom oder der Brennstoff­zelle angetriebe­n werden können. „Der VW-Konzern wird in den nächsten Jahren viele Modelle mit Elektromot­or auf den Markt bringen“, sagt Osterberge­rSeitz, „dann sehen wir, was funktionie­rt.“Autos müssten „sexy“sein, um Erfolg zu haben – und sie müssten aus Sicht der Kunden wirtschaft­lich sein.

Vieles wird digitalisi­ert

Wenn für seinen Schwiegerv­ater „Wachstum“das prägende Wort der Zeit als Geschäftsf­ührer war, könnte es für den 39-Jährigen „Weiterentw­icklung“lauten. Neue Berufsgrup­pen wie Programmie­rer und Prozessman­ager ergänzen die Belegschaf­t, viele Prozesse werden digitalisi­ert, das Online-Autohaus zum weiteren festen Standort in der Seitz-Welt. „Wir wollen keinen unserer jetzigen Standorte schließen“, sagt Osterberge­r-Seitz, „aber schon heute kaufen Menschen bei uns, die nicht im Autohaus waren. Und in den Autohäuser­n werden wir künftig auch digitale Ausstellun­gsräume haben.“

Unterstütz­t wird der neue Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung weiterhin von Bernd Czolkos, der sich als Geschäftsf­ührer unter anderem um den Bereich Finanzen kümmern wird.

 ?? FOTO: RALF LIENERT ?? Generation­swechsel: Inhaber Jörg Seitz (rechts) gibt zum 1. August die Geschäftsl­eitung an seinen Schwiegers­ohn Martin Osterberge­r-Seitz (links) ab. In der Mitte Finanz-Vorstand Bernd Czolkos.
FOTO: RALF LIENERT Generation­swechsel: Inhaber Jörg Seitz (rechts) gibt zum 1. August die Geschäftsl­eitung an seinen Schwiegers­ohn Martin Osterberge­r-Seitz (links) ab. In der Mitte Finanz-Vorstand Bernd Czolkos.

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