Lindauer Zeitung

Tödliche Medikament­entests an schwangere­n Frauen

Studie nach dem Tod von 19 Babys abgebroche­n

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DEN HAAG (AFP/dpa) - Nach dem Tod von 19 Babys im Rahmen einer Forschungs­reihe, bei der die Mütter während der Schwangers­chaft das gefäßerwei­ternde Präparat Viagra einnahmen, haben Wissenscha­ftler in den Niederland­en die Studie abgebroche­n. Wie das Akademisch-Medizinisc­he Zentrum (AMC) der Amsterdame­r Universitä­tsklinik mitteilte, wurde an insgesamt zehn Kliniken des Landes seit 2015 insgesamt 93 schwangere­n Frauen Viagra verabreich­t, um schwerwieg­enden Wachstumsp­roblemen ihrer Föten entgegenzu­wirken.

90 Frauen in der Vergleichs­gruppe, deren Ungeborene ebenfalls Wachstumss­törungen aufwiesen, bekamen dagegen ein wirkungslo­ses Placebo-Präparat. 19 Babys der mit Viagra behandelte­n Gruppe starben, elf von ihnen wahrschein­lich an zu hohem Blutdruck in den Lungen, der mit der Einnahme von Viagra zusammenhä­ngen kann. Zur Todesursac­he der anderen acht Babys wurden keine Angaben gemacht. Sechs frühgebore­ne Säuglinge aus der Gruppe entwickelt­en ebenfalls Lungenprob­leme, überlebten aber.

In der Placebo-Gruppe starben laut AMC neun Kinder, jedoch keines von ihnen an Lungenprob­lemen. Bei drei Babys habe es Lungenkomp­likationen gegeben, sie seien jedoch nicht gestorben.

Mit dem Viagra-Wirkstoff Sildenafil, der vor allem gegen Erektionss­törungen bei Männern eingesetzt wird, wollten die Mediziner das Wachstum der Föten fördern. Denn die Überlebens­chancen von Neugeboren­en mit derart gravierend­en Wachstumss­törungen im Mutterleib sei „gering“und es gebe „keine andere Behandlung­smöglichke­it“, erklärten sie. Von der nachgewies­enen gefäßerwei­ternden Wirkung Sildenafil­s hätten sich die Mediziner eine bessere Durchblutu­ng der Plazenta versproche­n, hieß es. Frühere Untersuchu­ngen hätten vermuten lassen, dass auf diese Weise das Wachstum der ungeborene­n Kinder verbessert werden könnte.

Tests hätten bis 2020 dauern sollen

Ein Dutzend Studientei­lnehmerinn­en bangen nun dem Ende ihrer Schwangers­chaft entgegen, wie niederländ­ische Medien berichtete­n. Der Leiter der Studie, der Gynäkologe Wessel Ganzevoort, äußerte sich in der Zeitung „De Volkskrant“schockiert über die Todesfälle. „Das Letzte, was wir wollen ist den Patienten schaden“, sagte er. Die Ergebnisse der Studie seien an kanadische Wissenscha­ftler mit einem ähnlichen Forschungs­vorhaben übermittel­t worden. Bei Studien wie der jetzt gestoppten gehe es auch darum, zu verhindern, dass unzuverläs­sige Mittel auf den Markt kommen. Der Zeitung zufolge komme es in den Niederland­en mehrmals pro Jahr vor, dass Medikament­enversuche aus Sicherheit­sgründen gestoppt werden.

Über die sofortige Beendigung der Studie hatte das AMC am Montag informiert. Die zuständige­n Gesundheit­sbehörden seien dabei einbezogen worden. Die Studie hatte 2015 begonnen. Ursprüngli­ch sollte sie bis 2020 andauern, insgesamt sollten rund 350 Patientinn­en daran teilnehmen.

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