Gewaltige Stimmen füllen den Kirchenraum
Mitreißendes Konzert des Jeremy Winston Chorale im Lindauer Münster – Erst nach der dritten Zugabe ist Schluss
– In Scharen sind am Montagabend die Besucher zum Konzert des „Jeremy Winston Chorale“ins Münster Unserer Lieben Frau geströmt. Jeder Platz war besetzt, als der Chor zum vierten Mal mit seinem Leiter, Professor Jeremy Winston von der Central State University in Ohio, zum Benefizkonzert nach Lindau gekommen ist. „Es hätten noch hundert weitere Karten verkauft werden können“, sagte Pfarrer Georg Alois Oblinger in seiner Begrüßung. Wer den Chor schon vorher erlebt hat, weiß warum, denn hier singen nicht nur begnadete Solisten, sondern ihre Präsenz, ihre Authentizität, ihr spürbares Mitleben mit den klassischen Liedern, Gospels und Spirituals lässt den Funken rasch überspringen. Hier braucht es keinen aufwendigen Mikrofonwald, kein aufdringliches Lasergewitter, wie anderswo bei amerikanischen Gospelgruppen schon erlebt, hier füllen die Stimmen pur den weiten Kirchenraum, A-cappella oder mit Pianobegleitung, und gehen unter die Haut.
Organisiert hat das Konzert wieder die der gemeinnützige Verein „Christrose“, dessen Gründerin Josefine Schulz ebenso anwesend war wie ihr Sohn Tithey Schulz, der durch den Abend führte und den Zuhörern die Erläuterungen von Jeremy Winston übersetzte. Der Gewinn des Abends war für die Kirchengemeinde und für den Blindenbund Lindau bestimmt.
Ganz in Schwarz kamen die neun Frauen und acht Männer von hinten vor den Altar, ihre mächtigen Stimmen ließen einen viel größeren Chor vermuten. „Let us rejoice“– wir wollen uns freuen – konnte als Motto über dem ganzen Konzert stehen, das den Herrn in vielfältigen Stimmungen bis hin zur völligen Ekstase pries.
Ganz anders dann das folgende Marienlied, das die herrlich kontrastierenden Stimmen vom hohen Sopran bis zu tiefen Bässen in feinstem Piano erleben ließ.
Die Tenöre stimmten dann das Spiritual „Rock-a My Soul in the Bosom of Abraham“an, im Call-andResponse-Muster übernahmen Männer und Frauenstimmen, ein Geben und Nehmen in überwältigender Dynamik, die die Zuhörer begeistert mitklatschen ließ. In Wellen brandete der Gesang im nächsten Song heran und zog sich wieder zurück - schade nur, dass man bei den unbekannten Songs den Text nur mit Mühe verstehen konnte.
Ein Highlight war das Solo „Steal away to Jesus“einer Gospelsängerin, die mit einem Stimmumfang vom höchsten Sopran bis zum tiefen Alt und einer grandiosen Improvisationsgabe sang – wirklich Gänsehautfeeling pur. Wunderbar meditativ erklang das „Amazing Grace“mit Orgelbegleitung und Solisten, mit schwingender, pulsierender Dynamik das bekannte „Joshua fit the Battle of Jericho“. Immer höher wurde die Ekstase getrieben mit einem „Alleluja, the Lord is to be praised“. „O happy Day“singend machten sich die Sänger auf den Weg, umrundeten die Zuhörer, verlockten sie zum Mitsingen. Erst bei der dritten Zugabe war Schluss – das „He’s Got the Whole World in his Hand“stimmte Jeremy Winston selber als Solist an. Lindau sei ihr Lieblingsort bei der Deutschlandtournee, sagte er, und es sei hoffentlich auch nicht das letzte Mal, dass sie hierherkamen.